Stationen

Montag, 6. Februar 2023

Das Vergehen von Hören und Sehen

 Wie wird man Herr seiner Sinne? Dieser Frage wird hier und hier nachgegangen (nicht besonders klug bei ersteren leider, dafür aber sehr stichhaltig bei letzterem). Und - mit einem Loblied auf Humboldt - hier. Und besonders klug wieder hier.

Das größte Hindernis sind Lügen mit langen Beinen, die plausibel erzählt werden (wobei diejenigen Lügner am glaubwürdigsten auftreten, die ihre eigenen Lügen selber glauben): z.B. das Märchen, man habe im Mittelalter geglaubt, die Erde sei eine Scheibe, das immer wieder von linken Intellektuellen dazu verwendet wird, um am Beispiel der katholischen Kirche zu veranschaulichen, wie "die Kultur der Herrschenden" der unaufgeklärten Masse der Bevölkerung Hören und Sehen vergehen lässt. Jeder Fischer habe damals sehen können, wie von einem sich nähernden Schiff am Horizont zuerst die Mastspitze, dann Segel und zuletzt der Rumpf sichtbar wurden, aber die Schlussfolgerung, dass die Erde eine Kugel sein muss, sei nicht erfolgt, weil "die herrschende Klasse" lehrte, die Erde sei eine Scheibe.

In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. Niemand hat die Fischer und die Bevölkerung Europas (die Völker Europas, wie man, noch vor ein paar Jahren, richtiger sagte) je daran gehindert, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber linke Intellektuelle (und vor ihnen protestantische Wortführer, aber erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) verbreiten gerne diese Lüge, um (haargenau wie von Gaetano Mosca beschrieben) selber zur "herrschenden Klasse" zu werden. Und sie haben damit in Deutschland besonders viel Erfolg, weil man dort Dantes "Göttliche Komödie" nicht kennt, in der Dante eine Reise zum Mittelpunkt der Erde antritt und sogar beschreibt, wie er mit Vergil den Erdmittelpunkt überschreitet und dabei erlebt, wie die Richtung der Erdanziehungskraft sich umkehrt. Nicht einmal Luther, der sonst ja auf sola scriptura bestand, hielt die Erde für eine Scheibe. Da zu seiner Zeit die Diskussionen über Erde und Sonne begannen, war er vom Heliozentrismus genervt.

Dante lesen kann also hilfreich dabei sein, Herr seiner Sinne zu werden. Man wird sogar hellhörig. Und erstaunt stellt man bei genauerem Hinsehen fest, dass sogar was immer über Galilei gesagt wird, so nicht stimmt. Am klügsten hat Carl Friedrich von Weizsäcker in seinem Buch "Die Tragweite der Wissenschaft" kommentiert, wie sich das kopernikanische Weltbild langsam durchsetzte (bevor es beweisbar wurde). Darf ich ausnahmsweise mal provozieren? Ich nehme gerne - und sei es nur, um die Relativisten zu ärgern - einen kulturrelativistischen Standpunkt ein und deklariere, dass ich ein Mann des Mittelalters bin, dass die Erde nach wie vor im Mittelpunkt des Universums steht (egal, ob unser "Universum" sich im Innern eines schwarzen Lochs befindet, wie neuerdings von theoretischen Physikern erwogen wird), dass der ganze kosmologische Zirkus um uns herum nur zur Ehre Gottes veranstaltet wird (also dem wahren Herrn der Sinne und Ringe) und dass Keplers Elipsen sich zu den barocken Epizyklen so verhalten wie ein frontales Röntgenbild unseres Schädels zu einem Portrait von Albrecht Dürer.

Correctiv sieht in mir keinen Happen zum Fressen. Denn mein Standpunkt ist in den Augen dieser verlogenen Ignoranten so absurd, dass er ihnen nicht schaden kann (aber wer weiß). Correctiv ist schließlich die Feuerwehr derer, die die (in Deutschland und der EU) herrschende Klasse sein und bleiben wollen, eine Feuerwehr, die die Deutungs- und Diskurshoheit verteidigen und herstellen soll und dafür mit schwindelerregenden Summen finanziert wird, nicht nur vom Staat, sondern auch von Soros und seinen "Genossen".

Albert Einstein nahm Abstand von der Bezeichnung "Relativitätstheorie", weil er befürchtete, mit dem irreführenden Namen fördere seine Theorie den Relativismus; er zog es vor, sie als Invarianztheorie zu bezeichnen. Er hatte ein neues Absolutum geschaffen: die Unveränderlichkeit der Lichtgeschwindigkeit (unabhängig von der Geschwindigkeit der Lichtquelle).

P.S.: In den 70ern wurde viel über Bewusstseinserweiterung durch Drogen spekuliert. Timothy Leary dachte sogar, die Entdeckung des LSD sei für die Psychiatrie so etwas wie die Erfindung des Mikroskops für die Medizin. Aber nur bei der Heilung Cary Grants von seinen Depressionen spielte LSD jemals eine Rolle. Ernst Jünger nahm in Gesellschaft Albert Hofmanns dreimal LSD ein und schilderte diese Erlebnisse. Aber er erweiterte dadurch sein Bewusstsein nur deshalb, weil er auf Grund seiner Interessen, seines wachen Verstandes, seiner aufmerksamen, unvoreingenommenen Beobachtungen sein Bewusstsein sowieso tagtäglich erweiterte. Deshalb ist jemand wie Matthias MZE Meyer eher eine Ausnahme, denn der erweiterte sein Bewusstsein ständig mehr, OBWOHL er lange Zeit täglich Haschisch rauchte. Ich persönlich bin nach wie vor skeptisch gegenüber der Legalisierung der Drogen, aber ich nehme zur Kenntnis, dass er gute Argumente hat.

 

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