Diesmal war die Betroffenheit echt. Emmanuel Macron spielt sie gern, vor allem vor den Kameras. Aber als er am Freitag abend zum Tatort des jüngsten islamistischen Mordes in Conflans Sainte-Honorine, keine 40 Kilometer vom Elysee-Palast entfernt, eilte, ahnte er schon, daß dieser Terrorakt auch ein Anschlag auf seine Islam-Strategie war.
Entsprechend weit zog er den Kreis bei seinem kurzen Statement. Es sei ein Anschlag auf alle Lehrkräfte Frankreichs gewesen, die ganze Nation stehe an ihrer Seite. Ausgerechnet diejenigen, die Kinder zu freien Bürgern machten, habe es getroffen. Das sei kein Zufall gewesen, sondern ein Anschlag auf die Republik und ihre Werte, deshalb sei der Kampf gegen den islamistischen Terror eine Aufgabe für alle.
Das mögen viele in der politischen Klasse so sehen, vor allem die Grünen und Führungskräfte der eigenen Partei stimmten Macron zu. Die Kritik von der rechten Seite des politischen Spektrums war indes deutlich. Große Reden müßten jetzt Platz machen für große Entscheidungen gegen den islamistischen Terror, meinte der Chef der konservativen Republikaner. Marine Le Pen, Vorsitzende der Nationalen Versammlung, twitterte: „Ein Lehrer wird geköpft, weil er eine Karikatur Mohammeds aus Charlie Hebdo zeigte. Das ist das Niveau der Barbarei in unserem Frankreich. Der Islamismus führt Krieg gegen uns. Wir müssen ihn mit Gewalt aus unserem Land vertreiben.“
Gewerkschaften und Verbände aus Erziehung und Bildung wollen am heutigen Sonntag nachmittag gegen den Terror und für die Freiheit der Wissenschaft sowie der Meinung in Paris demonstrieren. Viele werden sich anschließen, Erziehungsminister Blanquer hat seine Teilnahme sofort zugesagt.
Aber der Protest kommt spät, zu spät für Samuel Paty, den Geschichtslehrer, der in seinem Unterricht über Meinungsfreiheit sprach und dabei die Mohammed-Karikaturen als Illustration zeigte – nachdem er den moslemischen Kindern angeboten hatte, die Klasse zu verlassen, um ihre religiösen Gefühle nicht zu verletzen. Einige muslimische Eltern hatten sich dennoch beschwert und dies auch über das Internet kundgetan. Drei Tage später erfolgte der tödliche Angriff auf ihn.
Es war kein Angriff aus dem Nichts. Schon seit Jahren warnen Beobachter, unter ihnen auch hohe Beamte aus dem Erziehungswesen, vor der schleichenden Islamisierung in den Schulen. Es gibt sogar einen offiziellen Bericht dazu, der allerdings nicht in der Online-Publikationsliste des Erziehungsministeriums eingestellt wurde. Er stammt von Jean-Pierre Obin, Generalinspektor des Erziehungsministeriums.
Obin hatte 2004 durch die Schulaufsicht in 21 französischen Departements Befragungen durchführen lassen über „Anzeichen und Äußerungen religiöser Zugehörigkeit in den Schulen“. Dabei zeigten sich alarmierende Tendenzen: Moslemische Kinder und Erwachsene forderten (und erhielten) schon damals getrennte Toiletten sowie Tische in der Schulkantine, weil sie sich nicht mit „Unreinen“ mischen wollten.
Moslemische Schüler weigerten sich, Kirchen zu besichtigen oder auch nur die Zeit des Kathedralenbaus im Geschichtsunterricht durchzunehmen. Sie weigerten sich, zu singen, zu tanzen oder zu musizieren. Die Evolutionstheorie wurde zugunsten eines fundamentalistischen Kreationismus abgelehnt. Es gab zudem Weigerungen, im Mathematikunterricht geometrische Formen zu zeichnen, die eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Kreuz aufwiesen.
Die schleichende Islamisierung vieler Gegenden in Frankreich brachte zugleich einen virulenten Judenhaß arabischer Prägung mit sich. Nur wenn es jüdischen Kindern gelänge, ihre religiöse Identität in der Schule zu verbergen, könnten sie antisemitischen Quälereien entgehen, stellte der Obin-Bericht fest.
Als der Bericht erschien, war der Täter von Conflans Sainte-Honorine gerade mal vier Jahre alt und noch nicht in Frankreich. Er kam Jahre später mit anderen Flüchtlingen aus Tschetschenien. Er fiel nicht weiter auf, schloß sich einer Gruppe Gleichaltriger an, zu der allerdings auch ein sogenannter Gefährder – in Frankreich nennt man sie „fiché S“ – gehört.
Die Tschetschenen sind wegen ihrer Clanstrukturen und Brutalität berüchtigt. Als in Dijon im Juni ein Tschetschene von Maghrebinern wegen einer Drogengeschichte verprügelt wurde, kamen aus mehreren Städten rund zweihundert Tschetschenen mit Eisenstangen, Vorschlaghämmern und Baseball-Schlägern ins Burgund und zogen Rache übend durch die maghrebinischen Stadtviertel von Dijon. Rund 300 Tschetschenen sind den Behörden als radikal-islamische Gefährder bekannt, die Gesamtzahl der tschetschenischen Flüchtlinge in Frankreich wird auf 40.000 geschätzt.
Aber der radikale Islam kennt kein Vaterland, weder im Kaukasus noch im Mittleren oder Nahen Osten. Er greift universal aus. Frankreich und Europa sind nur Stationen.
Die Waffe gegen diese religiöse Ideologie ist Bildung, Aufklärung – und die Kontrolle über die islamischen Bildungseinrichtungen. Hier will Macron ansetzen mit einem neuen Gesetz. Die rund 2.000 Imame, von denen 400 Franzosen sind, sollen in den 2.500 Moscheen des Landes nicht mehr den orthodoxen Islam mit Scharia-Lebensweise predigen und so der Radikalisierung Vorschub leisten.
Außerdem will Macron die Moscheen und ihre Vereine kontrollieren. Sie sollen nach dem Gesetz von 1905 über das Verhältnis von Religion und Staat funktionieren, unter dem auch die katholischen und jüdischen Schulen stehen. Dieses Gesetz ermöglicht eine größere Transparenz bei den Finanzen und Verwaltungsstrukturen. Derzeit stehen die Moscheen unter dem liberaleren Vereinsgesetz von 1901 und können leicht von Radikalen unterwandert werden. Diese Radikalen sind zahlreich.
Als gewaltbereit zählt man etwa 70.000, rund 23.000 sind aktenkundig und gelten als potentielle Gefährder. Jeden Monat wird, so der Innenminister neulich, ein größerer Terroranschlag verhindert. Abdouklah A., der Krieger Allahs in Conflans Sainte-Honorine, war unbekannt. Aus dem Nichts kam er nicht. Er wurde bei der Verfolgung erschossen. Die Saat der Islamisten aber ist schon aufgegangen. Nur mit Aufklärung ist dieser Islam nicht mehr einzudämmen. Das hat Macron wohl geahnt, als er in Conflans vor der Kamera stand. Er klang entschlossen, aber auch hilflos. Liminski
Zwei Wochen später
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