Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat einem
früheren Berater von Altkanzlerin Angela Merkel vorgeworfen, russische
Kriegsverbrechen zu rechtfertigen. „Hallo General Vad,dass Sie heute -
nach dem Massaker von Butscha - den Kriegsverbrecher Putin
rechtfertigen, es sei sicher nicht Putins Absicht gewesen, Krankenhäuser
zu bombardieren (?), ist niederträchtig. Sie sollen sich schämen,
Putinversteher forever“, schrieb Melnyk am Dienstag auf Twitter.
Merkels
ehemaliger militärpolitischer Berater, Brigadegeneral a.D. Erich Vad,
hatte zuvor gesagt, es sei „nicht Putins Absicht gewesen“, eine
Geburtsklinik unter Feuer zu nehmen. „Warum sollte er das tun? Er wird
dafür weltweit an den Pranger gestellt. So schrecklich das ist, aber das
und die Inkaufnahme Tausender toter Zivilisten hatten wir im Irak, in
Libyen, in Afghanistan genauso“, sagte Vad der Deutschen Presse-Agentur.
Die sogenannten Kollateralschäden in der Ukraine seien bisher sogar
weitaus geringer als im Irak oder in Afghanistan.
Vad warnte davor,
dem russischen Präsidenten Wladimir Putin das Menschsein abzusprechen
und ihn zum krankhaften Despoten abzustempeln, mit dem man nicht mehr
reden könne. So völkerrechtswidrig und furchtbar der Ukraine-Krieg sei,
er stehe doch in einer Kette vergleichbarer Kriege jüngeren Datums.
„Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan – so neu ist das alles nicht“, sagte
Vad. Auch die viel zu vielen toten Zivilisten und die Massaker, die sich
jetzt im Ukraine-Krieg ereigneten, seien leider nicht außergewöhnlich.
„Im
Krieg werden Unschuldige getötet. So ist der Krieg. Das ist leider
systemimmanent.“ Vad erinnerte an den Irakkrieg von 2003. In diesem
Krieg und während der darauffolgenden Besetzung des Landes seien
Hunderttausende von Zivilisten getötet worden. „Damit verglichen, fällt
Putin nicht aus dem Rahmen. Hier muss man die Kirche im Dorf lassen – so
erschütternd die Bilder auch sind.“
Ebenso zweischneidig sei es,
Putin vorzuwerfen, dass er die Ukraine und die Krim zur geopolitischen
Einflusssphäre Russlands rechne. Es werde dann gesagt, dass das eine
obsolete Sichtweise des 19. Jahrhunderts sei. „Doch für die Amerikaner
gilt bis heute die Monroe-Doktrin, die besagt, dass auf dem
amerikanischen Kontinent keine Interventionen fremder Mächte geduldet
werden. Und die Karibik ist sicherlich auch eine Einflusssphäre, nicht
erst seit der Kuba-Krise.“
„Wir machen im Moment sehr viel
Kriegsrhetorik – aus guter gesinnungsethischer Absicht“, sagte Vad.
„Aber der Weg in die Hölle ist bekanntlich immer mit guten Vorsätzen
gepflastert. Wir müssen den laufenden Krieg zwischen Russland und der
Ukraine vom Ende her denken. Wenn wir den dritten Weltkrieg nicht
wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen
Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen.“
Vad sprach sich
auch gegen die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine aus. Solche
Lieferungen seien potenziell ein „Weg in den dritten Weltkrieg“, sagte
er. Davon abgesehen, könne man komplexe Waffensysteme wie den
Kampfpanzer Leopard oder den Schützenpanzer Marder nur nach jahrelanger
Ausbildung systemgerecht bedienen und einsetzen. Sie nützten den
Ukrainern militärisch aktuell und auf absehbare Zeit also gar nichts.
Der
Sicherheitsexperte und Militäranalyst geht davon aus, dass Putin den
ursprünglich von ihm angestrebten Regime-Wechsel in der Ukraine nach dem
weitgehenden Abzug aus dem Raum Kiew aufgegeben habe.
„Deshalb stehen die Chancen für Verhandlungen eigentlich nicht schlecht“,
sagte Vad. „Beide Seiten könnten gesichtswahrend da rauskommen. Die
Ukrainer haben bewiesen, dass sie ihre Hauptstadt Kiew wirksam
verteidigt haben und darüber hinaus einen erfolgreichen Abwehrkampf
führen gegen einen überlegenen Gegner.“
Die Russen wiederum hätten
einige Landgewinne im Osten und an der Schwarzmeerküste erzielt. „Das
sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen für Waffenstillstands- und
Friedensverhandlungen und für beide Seiten besser, als sich weiter in
den Sumpf eines langen Krieges mit ungewissem Ausgang ziehen zu lassen.“
World
Dass Carla Del Ponte nicht zimperlich ist, wenn sie die Möglichkeit einer Vorverurteilung sieht, ist mittlerweile bekannt. Also Vorsicht! Nicht von Leuten, wie der eben genannten, zu überstürzten Entscheidungen treiben lassen. Henryk Broder sprach schon 2015 in einem ähnlichen Tonfall über Putin und legte damals Wert darauf zu unterstreichen, dass nach seiner Berichterstattung bitte niemand sagen möge, er habe nichts davon gewusst (aber heute sind bei der Achse des Guten über Donezk keine Artikel mehr zu finden, die vor 2019 geschrieben wurden).
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