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Mit Das Wetter in geschlossenen Räumen läuft derzeit ein
nachgerade genialer Film in deutschen Kinos. Wundert es mich, daß er
nicht breit diskutiert wird?
Schaue ich mir den Frühlingsbuchmarkt an
(Flüchtlingskrise? Wo?), dann kaum, und dennoch: Daß dieser Streifen ein
wenig untergegangen ist, verwundert:
Er nimmt die Flüchtlingskrise, besser: die große Inszenierung
derselben sowie westliche Dekadenz und das große Geschäft mit den
Refugees mit höchstem Aktualitätsbezug auf’s Korn. Und wie! Dieser
Film mit Maria Furtwängler in der Hauptrolle ist messerscharf.
Dorothea Nagel (eben: Furtwängler; ich mochte sie vorher nie
besonders und fand sie überschätzt: eine Fehlmeinung!) arbeitet als
PR-Frau und Fundraiserin für die UNHCR, also das große
Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Sie befindet sich in einem
arabischen Land im Kriegszustand, bewohnt eine großzügige Hotelsuite.
Sie ist eine knallharte, toughe Karrierefrau allererster Güte.
Frau Nagel weiß, wie man machtvoll kommuniziert, wie man wann wie
lächelt, wie Kontakte geknüpft werden. Spricht fließend englisch,
französisch, italienisch. Sie ist wahnsinnig cool. Wie geschmackvoll sie
sich kleidet! Und allein der Aufwand für die Frisur! Ihr besonderes
Augenmerk gilt dem Engagement für unterdrückte Mädchen, und als
erfahrene Kommunikatorin weiß sie all jenen den Wind aus den Segeln zu
nehmen, die „Mädchenbildung“ im Angesicht des Kriegs als Luxusproblem
bewerten. Die Klaviatur des feministischen Marketingsprechs beherrscht
sie aus dem effeff. Frau Nagel kennt die neuralgischen
Tränendrüsenpunkte.
Nun gibt es ein Problem: Für den von der UNHCR ausgelobten Wettbewerb
(Preis: ein Stipendium an einer britischen Eliteuniversität) gibt es in
den gigantischen Flüchtlingslagern jenes Landes keine Kandidatin.
Männer, Kinder, ja, aber keine einzige junge Frau, die sich für eine
akademische Karriere empfehlen würde. Für einen gewieften Vollprofi wie
Frau Nagel kein Problem: Sie schickt die einzig auffindbare 17jährige
nach London und weiß das vor den Fernsehkameras telegen als prestige-
und geldbringende Erfolgsmaßnahme zu verkaufen.
Das Mädchen wird verschwinden, aber dies erscheint handhabbar; gelernt ist gelernt!
Privat allerdings beginnt der 46jährigen Dorothea Nagel ihr
Luxusleben in der Suite zu entgleiten. Sie säuft maßlos und hält sich
neuerdings einen jungen, verspielten Halbaraber (Mehmet Sözer) als
Liebhaber. Der kostet. Aber an Geld mangelt es weder der Organisation
noch Frau Nagel.
Irgendwann jedoch kommt ihr eine jüngere, fast ebenso supercoole
Kollegin aus dem UNHCR-„Headquater“ auf die Schliche. Die, Aurelie,
nimmt sich Dorothea samt ihrer großspurigen Tricksereien tüchtig zur
Brust. Allerdings kommen just auf dem Höhepunkt dieser knallharten
Auseinandersetzung unter auf der Gutmenschenwelle reitenden
Geschäftsfrauen die Einschläge näher. Die Hotelsuite dröhnt von den
Detonationen der Kriegsgeschehnisse, und Powerfrau Aurelie findet sich
hilflos wimmernd in den Armen der Powerfrau Dorothea.
Der Film (als Drehbuchberater fungierte der Ende 2015 verstorbene
Harun Farocki, Regisseurin ist Isabell Stever) hat deutliche Anklänge an
Jonas Lüschers großartige Novelle Frühling der Barbaren (2013; Sezession 59) und überdeutliche an den Kinofilm Zeit der Kannibalen (2014). Der ältere Film Schlafkrankheit (2011, das ambivalente Thema Entwicklungsarbeit mit schneidender Schärfe thematisierend) wäre am Rande als Vorbild zu erwähnen.
Hier nun, im Wetter in geschlossenen Räumen, bleibt wahrlich
kein Auge trocken, das hier ist Zivilisationskritik reinsten Wassers.
Überambitionierte Karrierefrauen und ihre Krisen, Flüchtlingsbusiness,
Lückenpresse, das Wirken transnationaler Großnetzwerke: Hier wird nicht
geschont.
„Sie müssen wissen: Mit dem Flüchtlingsgeschäft läuft es wie
an der Börse: Es wird gepokert!“ Daß ein solch knallharter Film die
üblichen Fördertöpfe passiert hat: Das verwundert dann schon. Die letzte
Szene des Films zeigt eine derangierte Dorothea Nagel, eingewickelt in
eine Wolldecke mit der Logo & Aufschrift des Flüchtlingshilfswerks. Ellen Kositza
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