Stationen

Samstag, 20. Februar 2016

Gestorben



Ohne Umberto Ecos kluge Kommentare hätte ich die 80-er Jahre in Italien nicht ausgehalten. Sein Tod tut weh. Wie der Verlust eines engen Freundes oder lieben Bruders. Ich bin ihm nie persönlich begegnet, obwohl wir gemeinsame Bekannte hatten. Dass seine Schriften - insbesondere "Sette anni di desiderio" und La bustina di Minerva" - bleiben werden, ist ein Trost, den ich bisher noch nicht empfunden hatte. Nicht einmal bei Ernst Jünger. Es liegt daran, dass die Aktualität eben auch ihr Gewicht und ihre raison d'etre hat und mich mit Eco mehr Zeitgenossenschaft und direkte Verwurzelung im prallen Leben verbindet, während Jünger der Seelen- und Augenverwandte war, der mir die Zeiten vor meiner Geburt glaubwürdig erschloss. Es liegt auch daran, dass Jünger die 100 heiter und erfüllt bei klarem Verstand erreicht hat und sein Tod bejaht werden konnte, ohne ein Gefühl des Bedauerns und der Versäumnis zu hinterlassen. Eco hätte ich gerne noch gesund uralt werden sehen.

Umberto Eco und Ernst Jünger. Mit beiden verbindet mich der tragische Optimismus.

Übrigens hat Umberto Eco nie die Roten Brigaden dämonisiert. Er ging in vielen Essays sorgfältig auf deren Argumente ein, um sie zu widerlegen. Die deutschsprachigen Intellektuellen hätten sich ein Beispiel an ihm nehmen können, als es darum ging, der RAF Wind aus den Segeln zu nehmen (statt dessen hat heute ein Christian Klar, der nie seiner Vergangenheit abgeschworen hat, Zugang zum Deutschen Bundestag) und sie könnten sich heute ein Beispiel an ihm nehmen, statt gegen Kubitschek zu hetzen.

Ecos Schwäche bestand darin, Erich Fromms Faschismustheorie 1:1 übernommen zu haben und sich zusammen mit Furio Colombo und Claudio Magris an einer Anti-Berlusconi-Kampagne beteiligt zu haben, deren Kritik nicht nur auf dem linken Auge völlig blind ist, sondern gegenüber Berlusconi nie die Sorgfalt hat walten lassen, die Eco gegenüber den Roten Brigaden immer selbstverständlich war.
Eco war ein Kind seiner Zeit: um in seiner Zeit Teil des Establishments zu werden, war es nötig links zu sein. Und sich von diesen Seilschaften zu lösen und einstige Fehleinschätzungen einzusehen, wenn ein Berlusconi die Fenster aufmacht und frische Luft hereinlässt, das schaffte auch ein Umberto Eco nicht.

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