Lange genoß der Berufsstand der Journalisten nicht einen so
schlechten Ruf wie heute. „Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch
die Brust geschossen“ – dies beschleicht so manchen Redakteur mit Blick
auf kontinuierlich fallende Auflagenzahlen bei den großen Zeitungen. Die
Meinungsmonopolisten von früher, sie sehen die Fundamente ihrer einst
stattlichen Verlagshäuser unterspült durch das freie Spiel der Kräfte im
Internet, die Infragestellung in Echtzeit in Blogs und sozialen Medien.
Der Spiegel brachte in seiner jüngsten Ausgabe eine
siebenseitige Geschichte über „Die Vertrauenskrise“ der Branche. Dort
kommt das Magazin der wachsenden „Forderung nach intensivem Dialog mit
dem oft lästigen Leser“ (Heribert Seifert in der NZZ) nach und läßt einen Blick in den Seelenzustand etablierter Medien zu:
Erschüttert stellen die Autoren fest, wie zerrüttet das Verhältnis zu
eigenen Stammlesern ist: „Viele Deutsche mißtrauen den Medien … wie
konnte es so weit kommen?“ 40 Prozent der Bürger hielten Medien in
Umfragen für „unglaubwürdig“. Der Protestruf von der „Lügenpresse“ und
seine Anhänger hätten „in den letzten Wochen an Stärke gewonnen“.
Zum 70. Geburtstag der Wochenzeitung Die Zeit räumt
Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in einem Editorial zum Thema
„Journalismus“ vorsichtig Fehleinschätzungen seines Berufsstandes ein,
die häufig dann aufträten, „wenn man sich im Urteil besonders sicher
wähnt“. Zweifellos. Vielleicht beschäftigt er sich einmal mit dem von
der Zeit geförderten Internetportal „Netz gegen Nazis“, das mit
Linksextremisten kooperiert und das Konservative, darunter die JUNGE
FREIHEIT und ihre Autoren, in die Nähe von Rechtsextremisten rückt.
Der Fall des Welt-Redakteurs Günther Lachmann, der jetzt
Schlagzeilen macht, wird als besonders drastischer Beleg angesehen, wie
die Grenzen zwischen Journalismus und PR verwischen. Lachmann war
zuständig für die AfD-Berichterstattung der Welt. Er war stets
auffallend gut in Interna der Partei eingeweiht. Seine Beiträge spielten
keine unwesentliche Rolle im Zuge der Eskalation des Führungsstreites
und der Spaltung der Partei im Jahr 2015.
Lachmann-Texte lasen sich für einen Springer-Journalisten nicht nur
gut informiert, sondern oft sogar erstaunlich AfD-freundlich. Manchmal
aber auch fast wie bestellt. Für andere Beobachter war dies lange ein
Rätsel. Bis in den vergangenen Wochen durch den AfD-Politiker Marcus
Pretzell an die Öffentlichkeit gebrachte Details zeigten,
daß sich Lachmann auf eine immer engere Zusammenarbeit mit der Partei
eingelassen hatte. Aus dem professionellen Kontakt zwischen
Berichterstatter und Politiker wuchs die Versuchung, PR-Beratung
anzubieten, und das mutmaßliche Angebot, sich für diese Arbeit von der
Partei bezahlen zu lassen.
Eine 2013 veröffentlichte Studie zu „Gefallen an Gefälligkeiten –
Journalismus und Korruption“ des Vereins „Netzwerk Recherche“
beschäftigte sich mit der Frage der Bestechlichkeit des Berufsstandes.
Journalisten sollten nach dem Bild des Hollywoodfilms zur
Watergate-Affäre „Die Unbestechlichen“ von 1976 eigentlich sein:
„hartnäckig, überparteilich und frei von allen Vorteilen, die ihre
Unabhängigkeit beeinflussen könnten“. Sie sollen „aufklären,
entschieden und furchtlos“ sein, dabei „immer im Dienst ihrer Leser oder
Zuschauer“.
Das sei „ein reizendes Ideal“, vermerkt die Studie sarkastisch
angesichts der Fülle von Korruptionsfällen. Auch der Kodex des Deutschen
Presserates schreibt Journalisten vor, mit ihrer Arbeit sei unvereinbar
„die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die
Entscheidungsfreiheit (…) zu beeinträchtigen“.
Die JF machte am vergangenen Samstag den „Fall Lachmann“ exklusiv publik. Welt-Chefredakteur
Stefan Aust erklärte daraufhin Stunden später die Aufkündigung der
Zusammenarbeit mit dem Redakteur. In seiner Zeitung versichert er jetzt,
für die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit die Affäre „lückenlos
aufzuklären“.
Die Aufregung beim Fall Lachmann ist unter Journalisten auch deshalb
groß, weil ein etablierter Journalist es wagte, sich ausgerechnet der
AfD anzudienen. Der Übertritt von Journalisten in Partei- oder
Regierungsdienste gehört ansonsten zur Tagesordnung.
Miriam Meckel beispielsweise, heute Chefredakteurin der Wirtschaftswoche,
arbeitete ursprünglich für Fernsehsender, wechselte dann 2001 den
Schreibtisch und wurde unter anderem Regierungssprecherin des
NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, um dann später in den
Journalismus zurückzuwechseln. Oder Bela Anda: Von der Bild-Zeitung zum Regierungssprecher Gerhard Schröder und zurück zu Bild. Für sich genommen nicht anstößig.
Es existiert ein gut geöltes System von Netzwerken, ja Filz,
Grauzonen von Interessen, die in Befangenheit von Journalisten führen
können und die einen politisch-medialen Komplex haben entstehen lassen.
In seinem Werk „Die Unbelangbaren“ beschreibt der Politikwissenschaftler
Thomas Meyer als Problem für Politikjournalisten den „Spin, also den
spezifischen Dreh, den sie den Dingen geben“ und „in dem sie sich
verdeckt oder offen für bestimmte Personen und Anliegen einsetzen“.
Hiervor ist wohl kaum ein Journalist mit politischer Leidenschaft
gefeit.
Es ist richtig, daß Leser Journalisten jetzt noch kritischer auf die
Finger sehen und auf unabhängige Berichterstattung pochen. Der Fall
Lachmann sollte dem Berufsstand eine Lehre sein.
F 07/16
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