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Dienstag, 29. August 2023

Dota Kehr ist ein Genie

Ein so großes Talent hat man in Deutschland schon sehr lange nicht mehr gesehen (besonders in Berlin nicht, und ich meine jetzt nicht seit Hildegard Knef, sondern schon eher seit Lortzing, der unbeschwerter ins Leben bummelte als es Dotas Generation vergönnt ist). 

Sie ist eine von ihrem Talent Getriebene. Sie ging übrigens durch Christof Stählins Sago-Schule! Sie hat aber auch das Rüstzeug, um eine gute Ärztin zu werden, obwohl ihr künstlerisches Talent sie zu einer Getriebenen macht. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass ihr Berlin die Chancen gibt, die Enzo Jannacci in Mailand hatte. Der war eigentlich Kardiologe (und dann auch noch in der Equipe von Christiaan Barnard in Kapstadt!), aber nebenher machte er eine glänzende Karriere als Interpret eigener Lieder. Ich wünsche Dota Kehr von ganzem Herzen, dass sie nicht verzweifelt an Deutschland, an Europa, und an all den vielen anderen Anderen. Denn sie ist verbissen redlich und ich befürchte, etwas weltfremd. Ich bin besorgt um sie! 


 

Sie ist in Gefahr. Obwohl sie nicht nur wie eine Sonne ist, deren Ausstrahlung belebend für ihre Nächsten ist, sondern sogar etwas besitzt, was in Deutschland nur sehr, sehr selten vorkommt: das Charisma der Güte, das auch auf die weniger nahe stehenden wirkt. Dota Kehr gehört zu den ehrlichen, wohlmeinenden Menschen, den homines bonae voluntatis - von denen ich in Italien mehreren begegnete - deren bloße Anwesenheit schon die Menschen beglückt, bei denen man immer den Eindruck hat, dass der Raum, in dem man sich befindet, sofort heller wird, sobald eine Person wie sie ihn betritt. Wobei diese Personen selbst sich dieser Wirkung in keiner Weise bewusst sind. Sie wissen einfach nicht, dass die Menschen sich in ihrer Abwesenheit in grauerem Alltagsgrau befinden und dass ihr Erscheinen dieses Grau wie eine Wolke beiseite schiebt und selbst diejenigen Gesichter erstrahlen lässt, die neben und hinter ihnen stehen. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass die Maler des Mittelalters und der Renaissance diese Eigenschaft versuchten, durch den Heiligenschein darzustellen. Eines Abends arbeitete ich bei einem Empfang in der Accademia delle Belle Arti in Florenz. Bevor der Empfang begann, hatte ich eine halbe Stunde Zeit, um mir die dort an den Wänden befindlichen Bilder anzusehen. Sehr viele dieser Bilder, die ich während dieser halben Stunde im Halbdunkel betrachtete, zeigten einen oder mehrere Menschen mit Heiligenschein... Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

 

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