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Dienstag, 22. August 2023

Nachhaltigkeit

Wenn aber das Weitergehen auf bekannten Wegen ebenso ins Verderben führt wie das Beschreiten neuer, bleiben nur Stillstand oder Umkehr. Die Genügsamkeit der Nachhaltigkeit lässt hierzulande Überzeugungen wachsen, nach denen Lastenräder, Wärmepumpen und Gebäudedämmungen aussichtsreiche Wertschöpfungsquellen seien, während die Welt an Fusionskraftwerken, Quantencomputern und Mondstationen arbeitet. Der Mystizismus der Nachhaltigkeit impliziert den Umstieg auf ertragsarme Biolandwirtschaft, während anderswo hochproduktive hydroponische Farmfabriken oder Bioreaktoren den Acker gleich ganz ersetzen.

Die Rigorosität der Nachhaltigkeit gebietet die Abschaffung des Individualverkehrs und der Fliegerei, während an Flugtaxis und Raketengleitern gebaut wird. Und betroffen sind längst nicht nur alle Hoch- und Spitzentechnologien, bei denen Deutschland bereits einen Rückstand von zehn Jahren oder mehr aufgebaut hat. Nachhaltigkeit paralysiert die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft in allen Branchen und Sektoren, führt dadurch zu Wohlstandsverlusten, sozialen Spannungen und Verteilungskämpfen. Noch kann man das durch den Rückgriff auf die im letzten Jahrhundert erarbeitete Substanz in einem gewissen Umfang abfangen. Nachhaltigkeit ist nicht zuletzt deswegen hierzulande so populär, weil man sie sich (noch) leisten kann.

Für die Rapa Nui galt das nicht. Ihnen wäre im Rahmen einer „nachhaltigen Entwicklung“ kein Ausweg außer der Einstellung der Landwirtschaft und der Rückkehr zu einer steinzeitlichen Jäger- und Sammlerkultur mit strikter Regulierung der Bevölkerungsgröße geblieben. Materielle, intellektuelle und gegebenenfalls auch territoriale Expansion als Alternativen kamen ihnen nicht in den Sinn. Die Isländer hingegen haben die Walpopulationen weit genug reduziert, um heute von diesen auf andere Weise zu profitieren. Wale sind selten, die Begegnung mit ihnen also werthaltig genug, um zahlende, mit Kameras statt Harpunen ausgerüstete Touristen anzulocken. Was Nachhaltigkeit als Raubbau verdammt, nutzen die Klügeren für neue Geschäftsmodelle. Island bietet seinen Einwohnern heute einen Lebensstandard wie kaum ein anderes Land und teilt sich mit Hongkong den vierten Platz im „Human Development Index“ der UN. Und forstet übrigens wieder auf, weil man es kann und möchte.

Deutschland hingegen ist einem Hirngespinst erlegen. Wie einst die Osterinsulaner alle verbliebene Kraft in die Errichtung steinerner Statuen legten, um Götter, Ahnen oder sonst wen um Hilfe zu bitten, baut man hierzulande Windmühlen zur Anrufung der Nachhaltigkeit. Die Zukunft aber gewinnt nur, wer den Götzen entsagt und wieder wissen will, statt nur zu glauben. Sonst bleibt nur der Untergang.   (Peter Heller)

 

 

 

 

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