Stationen

Dienstag, 17. November 2015

Edle Wildnis

Zu inserieren – und damit: zu empfehlen – ist die Neuauflage von Jean Raspails Dystopie „Das Heerlager der Heiligen“, die jetzt erstmals in vollständiger deutscher Übersetzung vorliegt, achtbar besorgt von Martin Lichtmesz. Der Roman stammt aus dem Jahre 1973, doch man kommt bei der Lektüre aus dem Verblüfftsein über die Fülle zutreffender Prognosen und Beschreibungen kaum heraus. Viele Passagen lesen sich, als sei das Buch von einem spöttischen Beobachter der momentanen willkommenskulturell bekakelten Flüchtlingswelle verfasst worden. 

 Raspails Roman ist eine Dystopie, eine Mischung aus apokalyptischem Szenario, rabenschwarzer Satire und reaktionärem Pamphlet. Es ist von jener wagemutigen, eleganten und auch etwas diffusen Begrifflichkeit, die französischen Autoren seit je eignet; zugleich hat der Autor den weiten Blick eines Mannes, dessen Land einst Kolonien in Übersee besaß. Es gibt zu dieser Art Literatur – nehmen wir Célines „Reise ans Ende der Nacht“ und Houellebecqs „Unterwerfung“ als Eckpfeiler für die letzten hundert Jahre – hierzulande kein Gegenstück.

 Die Handlung ist schnell erzählt. Eine Hungersnot in Indien, verbunden mit diffusen Gerüchten, man könne wenigstens seine Kinder nach Europa schicken, woraufhin zahlreiche Arme mit ihren Sprösslingen das französische Konsulat belagern, löst bei den verelendeten Massen den spontanen Entschluss aus, ihr Land zu verlassen. Eine Million Hungerleider besteigen Schiffe, durchweg  Seelenverkäufer, deren gleichfalls verelendete Kapitäne gegen geringen Lohn die heikle Fahrt auf sich nehmen. Die Führer der waghalsigen Unternehmung sind ein paar emanzipatorisch tätige europäische Aufwiegler, deren sich die Boat-People freilich noch während der Überfahrt entledigen werden, sowie das monströse, stummelärmige, dämonische, mit Schreien kommunizierende Kind eines kotknetenden Taschandalas. Als es später auf hoher See zu einem Treffen mit einem ägyptischen Kriegsschiff kommt, sind die Ägypter beim Anblick dieses höllischen Zwerges auf der Kommandobrücke der „India Star“ entsetzt: „Die Matrosen waren Armut gewohnt, und auch Krüppel sah man in Ägypten häufig. Aber dieser Anblick verschlug ihnen den Atem. In der schrecklichen Gestalt dieses Ungeheuers konzentrierte sich ein namenloses Elend, das tiefer reichte als alles Leiden, das je ihr geschundenes und gedemütigtes Land in seinen finstersten Zeiten heimgesucht hatte. Ein geradezu metaphysisches, numinoses Elend, in dem dunkle, allgewaltige Mächte wirkten. Der Admiral konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Ihm war, als stünde er einem Vorboten des Jüngsten Tages gegenüber.“ Diese Flotte besaß „keinerlei Ähnlichkeit mit irgend etwas, das je die Meere befahren hatte“.

 In allen Küstenstaaten bricht die Sorge aus, der abscheuliche Schwarm könne ausgerechnet bei ihnen landen. Außer im fernen Europa. Während die Australier und später auch die Südafrikaner (damals bekanntlich noch weiß regiert, am Ende des Romans aber schon nicht mehr) von vornherein klarstellen, dass sie niemanden aufnehmen werden – das Buch ist, wie gesagt, von 1973 –, seufzt Europa den Flüchtlingen begeistert entgegen. „Welche Maßnahmen gedenkt die französische Regierung zu ergreifen, um den Passagieren zu helfen und ihre Leiden in den Grenzen des Erträglichen zu halten?“, fragt in einer Pressekonferenz der erste Journalist des Landes, ein Franzose nordafrikanischer Herkunft namens Ben Souad, der sich in Clément Dio umbenannt hat. „Seine intellektuelle Angriffslust nährte sich von einem pathologischen Rassenhaß, von dessen leidenschaftlicher Intensität sich nur wenige Menschen eine Vorstellung machen konnten“, beschreibt Raspail diesen allbekannten Typus. „Er hatte einen geradezu genialen Riecher für alles, was noch intakt war.“ – „Seine ‚Weltoffenheit’ bedeutet nichts weiter, als daß er den traditionellen abendländischen Menschen haßte, insbesondere wenn er französischer Nationalität war.“ Dieser Edle setzt sich unter anderem für die Freilassung von Kriminellen ein. „Dio wußte nur zu genau, daß falsches Mitleid und pervertierte Anteilnahme hervorragende Rammböcke waren, um die Tore der sozialen Ordnung aufzubrechen.“ Mit den Flüchtlingen schlägt die größte seiner großen Stunden, und das wenigstens möchte man von seiner letzten auch erwarten.

 Der Minister auf der Pressekonferenz gibt artig Pfötchen und echot: „Es ist nun jedermanns heilige Pflicht, demütig zu schweigen und zu sagen: Diese Menschen sind auch meine Brüder!“ Dio, ein Sportwagenfahrer mit schokoladenhäutiger Aufsteigertrophäe auf dem Beifahrersitz, ist es auch, der den Slogan von der „Armada der letzten Chance“ prägt. Ähnlichen Schlages ist der renommierte TV-Kommentator Albert Durfort, ein typisch opportunistisches und verantwortungloses Produkt des Staatsfernsehens, nur eben noch enthemmter perfide als seinesgleichen. „Aber angefangen bei Durfort selbst merkte niemand, daß dieser Rächer der Enterbten ständig offene Türen einrannte. Lustigerweise galt ausgerechnet er als Inbegriff des kritischen, unbequemen Freigeists.

 Das Abendland öffnet seine Tore. Das Abendland ist moralisch kontaminiert und vollkommen wehrlos. Es muss untergehen für die Menschenrechte der anderen. Und das ist ja immerhin etwas. Es sei denn, Gott erbarmt sich und schickt ein Wetter. Ein Sturm, sagt ein Admiral, und die „Armada der letzten Chance“ wäre dahin... Doch der Himmel bleibt blau.

 Dafür steht das Volk auf, und ein anderer Sturm bricht los. „Dreitausendzweihundertsiebenundsechzig Pfarrer kritzelten in diesem Moment fieberhaft eine Predigt für den nächsten Sonntag (...) In der gleichen Minute entdecken zweiunddreißigtausendsiebenhundertzweiundvierzig Lehrer das Aufsatzthema für den nächsten Tag. ‚Beschreibt das Leben an Bord der Schiffe der unglücklichen Armada. Schreibt, was für Gefühle für die Flüchtlinge ihr hegt, wobei ihr zum Beispiel davon ausgeht, daß euch eine dieser verzweifelten Familien um Gastfreundschaft bittet.’ (...) Zur gleichen Zeit beschließen siebentausendzweihundertzwölf Oberschullehrer, den Unterricht am folgenden Tag mit einer Ansprache gegen Rassismus zu beginnen.“

 Es folgen Flüchtlings-Galas, Flüchtlings-Chansonwettbewerbe, Flüchtlings-Petitionen, Flüchtlings-Hirtenbriefe, Flüchtlings-Leitartikel, Flüchtlings-Reportagen und ein Malwettbewerb „Kinder zeichnen das Weltgeschehen“, Thema: „Wir und die Gäste vom Ganges“. Auf einer Vernissage werden die besten Werke ausgezeichnet. „Fünf berühmte Maler, millionenschwere Humanisten, die normalerweise jegliche öffentliche Ehrung verschmähten, hatten für diesen Abend ihre Elfenbeintürme im sonnigen Süden verlassen.“ Der Papst, ein Südamerikaner, heißt die Flüchtlinge willkommen und verkauft Teile des pontifikalen Besitzes, ihnen den Erlös zu spenden. „Gott hat uns diese Prüfung geschickt, um uns in unserer Nächstenliebe zu stärken“, verkündet ein Geistlicher. Artikelserien preisen die indische Kultur, die den Westen schon immer bereichtert habe. Sogar die linke Kapitalismuskritik verstummt. Man propagiert plötzlich ein Staatswesen, das nicht etwa radikal verändert werden muss, sondern auf das man stolz sein könne. „Interessanterweise hatte diese Art Propaganda zur Folge, daß auch die Streiks und Lohnforderungen unterbrochen wurden. Der westliche Arbeiter war sozusagen mit einem Federstrich offiziell ins Paradies versetzt worden.“ (Hat man nicht das neue deutsche „Wir“ im Ohr, das vor kurzem noch ein Nazi-Wir gewesen ist?) „Wir müssen“, sagt TV-Kommenator Durfort, „vorausschauende Maßnahmen treffen, müssen unsere zwischenmenschlichen Beziehungen neu überdenken, müssen Gewinne aufteilen und Überschüsse investieren. Wir müssen unsere Wirtschaft auf Liebe statt auf Profit ausrichten.“ (Hat man nicht dasselbe von Bischof Overbeck gehört?) „Wir sind alle Menschen vom Ganges!“, lautet die nächste Parole. (Hat man nicht dies „Wir sind alle Ausländer“ im Ohr?) Dreißig Nobelpreisträger – darunter alle für Frieden – setzen sich für die Armada ein. Der Erzbischof von Aix bietet den Flüchtlingen Schulgebäude als Wohnstatt an. Ein Benefizabend wird veranstaltet. „Es gibt keine Hindus mehr, es gibt keine Franzosen mehr, es gibt nur noch den Menschen“, verkündet der Moderator. Der Friseur aus Saint-Tropez, der diesen Satz erfunden hat, gewinnt einen Preis dafür. Ein paar Tage später wird er aus Saint-Tropez flüchten und von tausenden Pkw fliehender Landsleute überrollt werden. Aber wir wollen nicht vorgreifen.

 Der Präsident der französischen Republik ist entsetzt angesichts der kollektiven Hysterie, die bis in sein Kabinett wabert. Was, wenn diese Million Desperados tatsächlich nach Frankreich kämen? In diversen Häfen der Dritten Welt sammeln sich bereits Menschen für weitere Emigrantenflotten, die Willkommenskultur hat sich herumgesprochen. Einzig ein Staatssekretär wundert sich, „daß ich offenbar der einzige bin, der diese ganze Zumutung, wir müßten vor einer unbewaffneten Invasion klein beigeben, schlichtweg grotesk findet.“ Sein Vorschlag? „Ra-ta-ta-ta-ta-ta!“ Die Kabinettskollegen brechen in Entrüstung aus, manche stehen kurz davor, ohnmächtig zu werden. Und der Präsident? „Fuhr er nicht wie alle Franzosen zweigleisig, mit einem gespaltenen Bewußtsein? War nicht auch er ein antirassistischer Rassist, selbstkritischer Chauvinist, marxistischer Hedonist, demokratischer Faschist, kommunistischer Kapitalist, ökumenischer Katholik, kollektivistischer Individualist, egoistischer Menschenfreund, lebensversichert und pensionsberechtigt, also letztlich für nichts verantwortlich?“

 Ein französisches Kriegsschiff wird der Armada entgegengeschickt. Man braucht keinen Radar, sie aufzuspüren, der Gestank weist den Weg „Es schien, als würde das ganze Meer verfaulen.“ Vor Mauretanien kommt es zum Treffen. Ein Angriff wird simuliert, doch die Mannschaft bricht bereits bei der Vorstellung zusammen, auf die Waffenlosen zu schießen; manche Matrosen beginnen zu weinen. „Wir stehen einem Phänomen gegenüber, das es in der Geschichte noch nie gegeben hat“, erklärt der Kommandant dem Präsidenten, „eine neue Art der Kriegsführung, bei welcher ein waffenloser Feind seine Armut wie einen Schild vor sich herträgt.“ Er weiß nur eine Alternative: „Entweder wir nehmen diese Menschen bei uns auf oder wir versenken ihre Schiffe. Am besten in der Nacht, wenn man keine Gesichter mehr erkennen kann und man nicht sieht, wen man tötet. Und dann hauen wir ab und lassen sie krepieren, um der Versuchung zu entgehen, die Überlebenden retten zu wollen. Und am Ende jagen wir uns eine Kugel in den Kopf. Mission erfüllt.“

 Nichts dergleichen passiert. Später werden von den Truppen, die Paris den Elends-Invasoren entgegenschickt, 99,9 Prozent desertieren und sich marodierenden Banden anschließen. Nachdem klar ist, dass die Flotte Spanien passieren und in Frankreich stranden wird, herrschte an der gesamten spanischen Küste „ein Gefühl der Erleichterung. Überall redet man wieder von Mitleid und Solidarität.“ In Frankreichs Süden indes beginnt eine panische Massenflucht. Zugleich machen die Banden in den Banlieus und proletarische sogenannte Widerstandsgruppen mobil, auch der einheimische Pöbel reckt sein verkommenes Haupt und fiebert dem ankommenden Pöbel entgegen. Zwischen diesen beiden Fronten soll das alte Frankreich sterben. Hier tauchen auch erstmals Muslime bei Raspail auf. „Noch träumten sie eher davon, einer Französin ein Lächeln zu entlocken, als sie zu vergewaltigen“, schreibt er. „Nur die fanatischsten unter ihnen dachten an einen neuen Dschihad.“ Die einheimischen Pöbelarmeen stürmen die Gefängnisse und befreien die Mörder, Drogenhändler, Vergewaltiger – seit 1789 hat der Franzose bekanntlich ein Faible für solch symbolische Gesten. Die beiden jounalistischen Edelnutten Dio und Durfort werden mitsamt ihren schicken Gespielinnen schließlich solch befreitem Gelichter in die Hände fallen, ein bisschen Sadismus mag sich Raspail nicht versagen. Und wer hegte im letzten Licht der über dem Abendland untergehenden Sonne nicht ähnliche Wünsche in seinem zärtlichen Herzen...?

 Der alte Literaturprofessor Calguès in seinem Haus irgendwo an der Cote d’Azur ist einer der wenigen, der bei der Ankunft der Elends-Armada nicht geflohen ist. Er will inmitten seiner Bücher, Kunstgegenstände, Weine und Erinnerungen sterben – denn dass es darauf hinausläuft, wenn eine Million Hungerleider an Land gehen, scheint ihm klar. Doch statt der ersten Inder taucht auf seiner Terasse ein Typ auf, der so beschrieben wird: „Er hatte lange Haare, blond und schmutzig, trug Jeans und abgenutzte Turnschuhe. Sein Blick verriet eine schlappgewordene Seele. Damit war er ein ziemlich typisches Exemplar jener randständigen Parasiten, die Europa heute zu Hunderttausenden absondert und die in seiner Brust zum Krebsgeschwür einer Art dritter Welt von innen herangewachsen sind.“ Während ganz Südfrankreich geflohen ist, gibt es ein paar Überläufer, die den entgegengesetzten Weg wählen und sich den Ankömmlingen als Scouts und Verräter andienen wollen, dekadente Figuren, deren Hass auf alles, was sie nicht besitzen, im Wunsch nach Zerstörung, Schändung, Raub, Vergewaltigung, Vernichtung mündet, und da sie es selber nicht wagen, hoffen sie auf eine Ersatzarmee, die es tatsächlich unternimmt. Die „Menschen vom Ganges“ machen sich mit solchem Gelichter nicht gemein, das gebietet ihr Rassenstolz. Sie brauchen keine Fremdenführer, die Entfaltung ihrer schieren Masse genügt.

 Besagter Typ also malt dem Professor plastisch und zutreffend aus, was kommen wird: „Diesen Elendsgestalten ist es völlig egal, wer Sie sind und was Sie darstellen. Sie geben einen Dreck auf Ihre Welt. ... Sie werden auf Ihre Terrasse kacken und sich mit den Büchern Ihrer Bibliothek die Hände abwischen. Ihren Wein werden sie ausspucken. ... Sie werden auf den Fersen hocken und zusehen, wie Ihre Sessel brennen. Aus der Goldstickerei Ihrer Decken werden sie sich Schmuck machen. Jeder Gegenstand wird den Sinn verlieren, den er für Sie hat. Das Schöne wird nicht mehr schön sein, das Nützliche wird lächerlich und das Unnütze absurd werden. Nichts wird mehr einen echten Wert haben. Allenfalls werden sie sich um irgendein vergessenes Kordelstück balgen, während sie alles kurz und klein schlagen. Es wird herrlich sein! Machen Sie sich doch endlich aus dem Staube!“ Der Professor geht ins Haus, holt sein Gewehr und legt die Kreatur kurzerhand um, denn warum soll er sich auch noch den letzten Tag von diesem Pack versauen lassen? Es ist, zuweilen, auch ein wirklich schönes Buch.

 Bleiben wir noch kurz bei Professor Calguès und seinem meditativen letzten Abendmahl. „Diese silberne Gabel zum Beispiel, mit den fast unleserlich gewordenen Initialen eines mütterlichen Vorfahren: ein merkwürdiger Gegenstand, wenn man bedenkt, daß das Abendland ihn aus einem Bedürfnis nach Würde erfunden hat, während ein Drittel der Menschheit immer noch das Essen mit den Händen greift“, schreibt Raspail. „Gegenstände erziehen den Menschen besser als Ideen. Die Ideen waren es, die den Menschen des Abendlandes dazu gebracht haben, sich selbst zu verachten.“

 Das Buch ist durchzogen von solchen Oasen der wehmütigen Erinnerung angesichts des Unvermeidlichen, das aus linker Sicht weniger Dystopie denn gute alte Utopie sein dürfte: ultimative Rassen- und Kulturvermischung (wobei es Rassen natürlich gar nicht gibt), Emanzipation von allem und jedem, sukzessive Auflösung der zahlenmäßig schwächsten, ohnehin demografisch verdämmernden alten weißen Herrenrasse (die es nicht gibt, aber verschwinden soll sie schon) durch Vermischung mit anderen, pardon, Ethnien. Im fernen New York sagt derweil ein halbwegs wohlhabender Amerikaner zu einem Freund: „Der Wolf will nicht mehr Wolf sein. Das ist es wohl. Mach es wie ich Jack. Trink noch ein Glas, streichle lange die weiße Haut deiner Frau, als wäre sie die wertvollste Sache der Welt.“

 In den verlassenen Orten des französischen Südens hängen Transparente: „Proletarier, Soldaten, Menschen vom Ganges – gemeinsam gegen die Unterdrückung.“ Die Menschen vom Ganges kümmert all das überhaupt nicht. Sie landen, ausgehungert, stumpfsinnig, entschlossen, werfen die Toten über Bord und nehmen das menschenleere Departement in Besitz. „Ihr Schicksal  ist tragisch. Aber das unsrige ist es nicht minder“, hatte der Präsident in seiner letzten Rede gesagt. Nur ist eben nicht beider Schicksal besiegelt...

 So wird denn die Sympathie des Lesers zuletzt auf jenes dreckige Dutzend übriggebliebener Freischärler gelenkt, die einen Landflecken besetzt halten, jeden niederschießen, der ihn betritt, alte Lieder singen, fröhliche Gespräche führen, gut essen, Wein trinken, das Abendland hochleben lassen und nur eine Sorge haben: dass sie ihren Abgang vermasseln könnten.

 „Die ihre Tradition wirklich lieben, nehmen sie nicht allzu ernst. Sie reißen Witze, während sie ins offene Feuer marschieren, weil sie wissen, daß sie für etwas kaum Greifbares sterben werden, etwas, das ihren Fantastereien entsprungen ist, das halb Spaß, halb Humbug ist. Oder vielleicht subtiler ausgedrückt: Die Fantastereien verbergen eine aristokratische Scheu, die sich nicht dabei erwischen lassen will, für so etwas Lächerliches wie eine Idee zu kämpfen. Darum drapiert sie sich mit herzzerreißendem Trompetengeblase, hohlen Phrasen und nutzlosem Goldflitter und gestattet sich damit die höchste Freude, das Leben für eine Maskerade zu opfern. Das hat die Linke nie verstanden, und darum ist sie so sehr von Haß und Verachtung erfüllt. Wenn sie auf eine Fahne spuckt, auf eine Gedenkflamme pisst oder ein paar alte Säcke in Baskenmützen verhöhnt (um nur ein paar Beispiele zu bringen), dann nimmt sie sich selbst furchtbar ernst, und wenn sie sich dabei sehen könnte, würde sie merken, daß sie schlimmer ist als jene, die sie als ‚reaktionäre Arschlöcher’ beschimpft. Die wahre Rechte ist niemals so verbissen. Darum wird sie von der Linken so gehasst, wie der Henker einen Veruteilten hasst, der auf dem Weg zum Galgen lacht und sich über ihn lustig macht. Die Linke ist ein düsterer Brand, der verzehrt und zerstört. Sogar ihre Feiern sind, dem äußeren Anschein zum Trotz, eine grausige Sache, wie etwa die Marionettenparaden von Nürnberg und Peking. Die Rechte ist eine fröhlich tanzende Flamme, ein flackerndes Irrlicht in einem dunklen, ausgebrannten Wald.“

 Das späteste Abendland ist mit dem Auge zu überblicken. Bombenflugzeuge der neuen Multikulti-Regierung, die eine „bizarre Retribalisierung“ ins Werk setzt, werden das letzte Freikorps, „die fremdeste aller Fremdenlegionen“, erledigen. „Die neue Ordnung braucht keine politischen Gefängnisse mehr. Die Gehirne sind für hundert, für tausend Jahre gewaschen.“ Tausend Jahre, das ist wohl der Zyklus. „Und wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan aus seinem Kerker losgelassen werden“, heißt es in der Offenbarung des Johannes (20, 7 ff.). „Sie zogen herauf über die weite Erde und umzingelten das (Heer)Lager der Heiligen und die geliebte Stadt. Aber es fiel Feuer vom Himmel herab und verzehrte sie.“ Nun, das Feuer fällt vom Himmel, aber es verzehrt die in der Stadt, die bloß eine verlassene südfranzösische Ortschaft ist. „Aus genau diesem Grund waren sie ins Dorf gekommen: um die Komödie zu wählen, um fröhlich und schnell zu sterben. Sie überließen es den anderen, ihre bleischwere Tragödie stumpfsinnig in die Länge zu ziehen, bis ans bittere Ende ihrer armseligen, gleichmacherischen Welt.“ Sela, Psalmenende. „Andere, penibel erforschte Kulturen, deren Überreste man in unseren Museen studieren kann, haben das gleiche Schicksal erlitten.“

 Wie gesagt, nur ein Roman, nur die Prophetie eines schon damals alten weißen Mannes, der heute 90 Jahre zählt und sich bestätigt sieht, wenngleich er sagt, dass er dieses Buch heute nicht mehr veröffentlicht würde, weil der Korridor erlaubter Ansichten viel zu eng geworden sei. Wir indes, wir, wir – wir schaffen das!


 Nachtrag: Jeder, der versucht, Raspails Buch über Amazon zu kaufen, steht vor dem Rätsel, warum es nur über Zwischenhändler – sei's neu, sei's aus zweiter Hand – zu erwerben ist. Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass sämtliche Titel des Antaios-Verlages dort nicht anders zu haben sind. Der Verlag ist „rechts“, und es verhält sich offenbar so, dass Antaios irgendwann vor zwei, drei Jahren denunziert worden ist; damals verschwanden zeitweise sogar die Secondhand-Angebote aus dem Amazon-Sortiment. Von hoffentlich verschiedener Seite, jedenfalls von mir ward Amazon daraufhin konsultiert und befragt, warum dies so sei; die Antwort war verdruckst, es gebe keine politischen Gründe, und eigentlich erteile man auch keine Auskunft, hin und wieder würden eben Vorwürfe gegen Verlage oder Publikationen erhoben, und denen gehe man nach. Angesichts der Tatsache, dass bei Antaios meines Wissens nie ein Buch erschienen ist, dessen Inhalt in irgendeiner Weise gegen die Gesetze dieser Republik verstoßen hat, und dass bei Amazon überdies linksextreme Publikationen umstandslos über den virtuellen Ladentisch gehen (worum ich auch entschieden bitte!), handelt es sich um eine nachgerade imposante Begründung. Kurz und gut: Man ersann sich dort zuletzt eine etwas perfide Lösung, die den Boykott zwar nicht aufhebt, indes den Vorwurf entkräftet, man verhindere den Vertrieb von Büchern des inkriminierten Verlages. Das Buch bestellen Sie am besten direkt bei Antaios. Klonovsky am 17. 11. 2015

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