Ich fürchte chaotische
Verhältnisse durch immer mehr desintegrierte Zuwanderer. Ich hoffe auf
eine muslimische Aufklärung.
Wenn ich mir die Zukunft der muslimischen Community in Europa
ausmale, gibt es eine pessimistische und eine optimistische Version.
Meine Befürchtung ist, dass es einen Religionskrieg geben wird, der
bereits innerhalb des Islam zwischen den Sunniten
und den anderen islamischen Glaubensrichtungen tobt.
Es ist die
gesuchte Konfrontation des sunnitischen Islam, getragen von den
Petrodollars Saudi-Arabiens und der Golfstaaten, mit dem Westen als
gemeinsamem Feind. Die westliche Allianz mit all ihren Waffen und ihrem
Geld wird diesen innerislamischen Konflikt so wenig lösen, wie sie ihn
in Afghanistan lösen konnte. Die Nato kann nur dessen Grenzen markieren.
Wir werden eine islamische Bewegung erleben, die den Orient von Pakistan bis Marokko, von der Türkei
bis Südafrika und den größten Teils Asiens erfassen wird. Es wird nach
dem „arabischen Frühling“ keinen „islamischen Sommer“ geben, aber auch
keinen Reichtum und Wohlstand. Die islamischen Führer - seien es
Scheichs aus Katar oder selbst ernannte Terrorkalife - werden nicht in
der Lage sein, eine gute Regierung zu führen. Es werden chaotische
Verhältnisse wie zurzeit in Libyen oder Nigeria herrschen. Ein
verlorenes islamisches Jahrhundert für Afrika und den Orient steht
bevor. Und von dem, was in Indien geschehen wird, haben wir überhaupt keine Vorstellung.
Für Europa
bedeutet dies: große Flüchtlingsströme, soziale Verelendung, geringere
Wirtschaftskraft durch Wegfall von Ressourcen und Märkten. In Europa
wird eine Auseinandersetzung innerhalb der islamischen Gemeinden und mit
den autochtonen Kulturen um die Deutungshoheit stattfinden. In den
Ländern mit hohem und wachsendem Anteil von muslimischer Bevölkerung
wird es innerhalb der Gemeinden und der Gesellschaft einen stillen oder
offenen Kampf zwischen „Bewahrern“, den Islamisten, und „Modernisierern“
geben. Es wird kein Diskurs stattfinden - wer sollte dazu zukünftig in
der Lage sein, wenn bereits heute sogar von intellektuellen Muslimen
jede Kritik am Islam als Verrat abgetan wird? -, sondern eine Trennung.
Parallelgesellschaften werden sich weiter entwickeln. Diejenige Gruppe,
die die Identifizierung mit der Religion über die Identität als Bürger
stellt, wird in den Städten ihre Gebiete erobern, was zum Teil, etwa im
britischen Bradford, schon geschehen ist.
Die Politik wird
auf die demografische Entwicklung reagieren, indem sie Schritt für
Schritt Gesetze und Sitten den neuen Mehrheitsverhältnissen anpasst. Man
wird es Vielfalt nennen, tatsächlich wird es die Relativierung der
Prinzipien der universellen Menschenrechte sein.
In vielen Städten
Europas wird der Alltag nach den Scharia-Gesetzen geregelt werden,
Frauen werden aus der Öffentlichkeit verdrängt oder nur noch
„freiwillig“ mit schwarzem Schleier auf die Straße gehen. In den
Banlieus von Paris und Suburbs von London wird der Muezzin rufen, und „Ungläubige“ werden diese Kieze meiden.
Teile Europas
werden noch eine Art Rettungsschirm für demokratische Ideen darstellen,
aber die Idee, ein Kontinent ohne Grenzen und mit gleichen Gesetzen und
Wohlstand für alle, wird Geschichte sein.
Meine Hoffnung sieht so aus: Vor über 200 Jahren ging von Berlin
eine Bewegung aus, die das Judentum reformierte. Kopf der „Maskilim“,
der Anhänger der Aufklärung unter den Juden, war Moses Mendelssohn. Er
forderte seine Glaubensbrüder auf, Deutsch zu lernen, und den Kindern
nicht nur die Thora, sondern auch weltliche Bildung zukommen zu lassen.
Er las die Werke des liberalen Philosophen John Locke und diskutierte
mit den orthodoxen Rabbinern über Toleranz und Gleichberechtigung. Die
jüdischen Gemeinden gingen von da ab unterschiedliche Wege. Die
Säkularen öffneten sich der Wissenschaft, der Kunst der Welt, die
Orthodoxen verharren bis heute starr in der Tradition.
Ich stelle mir
vor, dass es in Europa einen solchen islamischen Denker oder eine
Denkerin geben wird, der die Muslime aufklärt. Er oder sie wird mit
anderen den Koran historisch lesen und kritisch untersuchen, prüfen, was
die Menschen aus den Schriften lernen können. Die Scharia wird man ad
acta gelegt haben, und man wird die Frauen nicht mehr unter dem Schleier
verbergen. Aber wie Luther die Christen in Katholiken und Protestanten,
Mendelssohn die Juden in Säkulare und Orthodoxe geteilt hat, wird die
Umma sich wie schon heute in unterschiedliche Gemeinden spalten. Es
werden viele sein, die sich von den assimilierten Muslimen und dem Rest
der Gesellschaft distanzieren und weiter darüber streiten
wollen, was der richtige Islam ist. Aber die Europäer werden bis dahin
klarstellen, dass Religionsfreiheit dort endet, wo die Menschenrechte in
Gefahr sind. Zumindest dort, wo es Europa noch gibt.
2014 erlebten
wir im Nahen Osten den verzweifelten Endkampf einer Kultur, die sich
nicht zu helfen wusste, weil sie mit der Welt nicht zurechtkam. Das war
gefährlich, am liebsten hätten die, die sich Islamischer Staat nannten,
das Jüngste Gericht veranstaltet. Mit der klammheimlichen Unterstützung
der Türkei und der Ölstaaten versuchte man, das Rad der Geschichte bis
zu Mohammed zurückzudrehen. Auch wenn sie kurzfristig die Oberhand zu
behalten schienen, bereiteten sie ihrer Religion die nächste Niederlage.
In 100 Jahren wird man zurückschauen und feststellen, dass der Versuch
der Islamisten, die Welt zu beherrschen, kläglich scheiterte.
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