Dass ausgerechnet Alice Schwarzer eines Tages als Neurechte beschimpft würde (von Jakob Augstein), hätte man auch nicht gedacht.
"2.November 2015 – Unser Grundschulkind darf (nach vier Jahren als
gnadenloser Wirt) die Maria spielen, im Krippenspiel zu Weihnachten. Aus
Sicht des betreffenden Kindes geht die Nachricht so: Ich! darf die
Maria!!! spielen!!
Kind: „Ich hab’s jetzt auch der Frau F. (Lehrerin) erzählt. Also, daß
ich die Maria spielen darf.“ – „Und – was sagt sie?“ Kind (rollt die
Augen): „Oh, cool.“
3. November 2015 – Die feministische Zeitung Emma hatte im August online um tätige Hilfe für Flüchtlinge geworben. Das dazugehörige Bild zeigte,
schön romantisch, eine junge Frau, die kleinen Flüchtlingsmädchen und
zwei jungen Männern auf der Gitarre vorspielt und dazu singt. Emma: „Es
gibt viele, die helfen. Und noch mehr, die helfen wollen. Allen voran
Frauen.“ Leserinnen wurden aufgefordert, unter dem Stichwort „Ich helfe
Flüchtlingen“ Erfahrungsberichte an die Zeitschrift zu senden. Tage
später erschienen online Portraits von Frauen, die sich entsprechend
engagieren, meist nach herkömmlicher Weise ideologisch aufgeladen.
Nun lautet der meistverwendete Satz der Emmas ungefähr so: „Wir haben
auf die Misere [je: x, y oder z] schon frühzeitig hingewiesen“. Denn:
die Emmas sind Rechthaber. Was sie prophezeien, tritt ein, kommt
zumindest auf die große Agenda; von der Abtreibungsdebatte über die
Homosexuellengleichstellung bis zur Frauenquote.
Und jetzt, meine Güte, der Traum von idealistischen deutschen
Fräulein, die sich hingebungsvoll den Neuankömmlingen widmen? Kann das
wahr sein?
Logisch: nein. In der aktuellen Druckausgabe wird eine kleine
Handbremse gezogen. 70% der Flüchtlinge weltweit seien weiblich. 80% der
über Österreich hier ankommenden Flüchtlinge seien aber männlich.
Rasch
nach dem Emma-Aufruf seien viele kritische Stimmen von Helferinnen
eingegangen. Ein Baumarkt neben einem Asylanten-Zeltlager müsse eine
„Spezial Security“ (sic) einsetzen, weil „weibliche Kunden auf dem Weg
zum Parkplatz zum ‚Ficken‘ aufgefordert würden.“ Anderswo würden Frauen
als „Huren“ beschimpft und zu „züchtigem Verhalten“ (Kopftuch)
aufgefordert. Emma dokumentiert Dutzende ähnlicher
Beobachtungen von Institutionen und Lesern. Kritisiert wird redaktionell
auch, wie sich die Modekette H& M mit einem Kopftuch-Model
„ranwanzt an den Muslim-Markt.“
Angela Merkels grundsätzliche Haltung will die Schwarzer dennoch weiterhin nicht kritisieren: „Sie muß es schaffen!“
5. November 2015 – Beliebtes familiäres Vorstell-Spiel mit den
Kindern, wenn die Sonne außerhalb des Sommers mal scheint wie verrückt:
„Kommt, wir spielen, es wär‘ nicht der 5. November, sondern der 5.
August!“ Das finden sie toll. Wir packen die Tasche, das fernsteuerbare
Boot, Federballspiel und spielen für anderthalb Stunden Sommer, mit all
den Gesprächen, die zur Illusion dazugehören. („Boah, diese Hitze… Zum
Glück sind Sommerferien…“) Die Badestrände der Umgebung sind natürlich
geschlossen. Wir gehen illegal, wie manchmal. Diesmal haben wir Pech.
Nach heiteren Uferspielen und einer knappen Planschrunde werden wir
gestellt, und zwar typisch deutsch: Mann stellt sich vor mit Ausweis
(Untere Fischereibehörde?), heftigem Dialekt und Jeansanzug.
Was wir getan haben, war verboten, streng verboten. Ich bin ehrlich zerknirscht, tut mir leid, wußte nicht so genau, daß es so
sehr verboten ist. Gelobe Besserung. Wirkt anscheinend nicht
glaubwürdig genug. „Junge Frau. Sie sind sich der Gefahr nicht bewußt.
Hier leben Raubfische. Haben Sie eine Ahnung, was hätte passieren
können, wenn da so ein 2-Meter-Hecht von unten kommt? Das war
unverantwortlich. Absolut unverantwortlich. Ich will mir nicht ausmalen…
denken Sie gar nicht an Ihre Kinder?“
Als Rabenmutter will ich nun nicht dastehen: „Also Moment mal – die
Hälfte des Sees ist im Sommer Badegewässer. Haben Sie da also im Ernst
eine Mauer unter Wasser, die die lebensgefährlichen Fische abhält, vom
Angelsee in den Badeteil zu schwimmen?“ – „Neeneenee. Aber dort sind Sie
versichert.“
– – – – –
6. November 2015 – Eins meiner ärgsten Laster ist seit Kindheit der
Drang, Leute nachzumachen, also: zu äffen. Gestisch, mimisch,
sprachlich. Ich weiß, es ist ein fieser Zug. Ich arbeite dran. Die
Kinder hassen es. (Klar, in welchen Fällen.) Die Kinder lieben es.
Derzeit populär: „Mama, bittebitte mach doch noch mal diesen verrückten Experten nach!“ Kositza November 2015
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