Eins.
Mein Maildienstanbieter produziert sich einmal mehr als Gesinnungspresseanhängsel, weil auch die trostlosen Gestalten, die dort die Texte einstellen, von nichts anderem träumen als von einer wenigstens Rätseleckenredakteursstelle bei Spiegel online oder der Süddeutschen, heuer vermittels eines Interviews mit einer Psychologin unter dem Titel "Wie spricht man mit Pegida-Anhängern?", im Einleitungstext präzisiert zu der Frage, ob man denn überhaupt mit ihnen sprechen sollte. Die Frau heißt Lena Kornyeyeva, sie hat keine Webseite, keinen Wikipedia-Eintrag, keine ermittelbare Reputation, nicht einmal einen nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lebenslauf, sie hat keinerlei empirische Forschungen über Pegida getrieben, dafür aber zwei Bücher beim Heyne-Verlag veröffentlicht, der ja bekannt ist für seine akademischen Ambitionen, eines namens "Die sedierte Gesellschaft" (über Antidepressiva und Aufputschmittel), eines über die "Single-Falle" – kurzum: Diese Dame ist wahrlich prädestiniert zur Analyse sächsischer Befindlichkeit. Zumal sie auch noch aus der Ukraine stammt, ihre Ausbildung offenbar dort absolviert hat und derzeit eine eigene Praxis in Bad Kissingen betreibt, also um die Ecke der Brühlschen Terrasse. Hören wir kurz, was diese Import-Koryphäe uns mitzuteilen hat.
"Frau Kornyeyeva, warum entwickeln Menschen eigentlich Hass?
Kornyeyeva: Die Ursache ist immer ein innerer Konflikt. Jemand, der mit sich in Frieden lebt, hat kein Bedürfnis einen Anderen zu hassen. Aggression ist ein Produkt der Angst oder der Verunsicherung.
Gibt es unter Pegida-Anhängern typische Charaktereigenschaften?
Kornyeyeva: Viele Eltern unterdrücken den Machtinstinkt ihrer Kinder, da sie glauben, dass er nicht ein Mittel der Selbstverwirklichung ist, sondern vielmehr schlecht sei. Durch diese Erfahrung der Abwertung lernen Kinder nicht, sich auf eine akzeptable Weise in der Gesellschaft durchzusetzen. Die so entmachteten Kinder versuchen später, andere Menschen auch aggressiv zu unterdrücken; sie suchen dann "Schuldige", an die sie die eigene negative Erfahrung weitergeben. Sie kompensieren so die Unterdrückung ihrer Durchsetzungskraft."
Ich meine, das genügt bereits. Von dem Unsinn abgesehen, dass Aggression oder Hass ausschließlich innere Ursachen hätten, als böte die Welt nicht Gründe dafür zuhauf, ist es sogar für eine Psychologin ungewöhnlich dreist, sich solche, in eine Kollektivdiskreditierung mündende Ferndiagnosen über Menschen zu erlauben, die man noch nie persönlich gesprochen hat, mag diese Expertin auch im Sozialismus ausgebildet und konditioniert worden sein. Ich wüsste gern, wieso ein Mensch, der als Erwachsener hier eingewandert ist, sich gegenüber den durchaus länger, ja oft generationenlang Ansässigen so etwas herausnimmt, ob dergleichen in einem anderen Land möglich wäre und vor allem: toleriert, ja von servilen Fragern befördert würde. Anders formuliert: Würde man selber nach der Übersiedelung ins Ausland eine derartige Impertinenz zustande bringen? Oder empfinde ich bloß zu manierlich?
Jenseits all dessen werfen sich, wie ja immer, nach der Analyse neue Fragen auf. Etwa die, ob auch der Hass auf Nazis bloß einen inneren Konflikt der Hassenden zum Ausdruck bringt. Und wie verhält es sich mit dem Hass auf Pegida?
Zwei.
Die an dieser Stelle vor kurzem schon einmal gefeierte grüne Spitzentörin Katrin Göring-Eckhardt sagt im Spiegel-Gespräch folgendes: "Die Forderung nach einer Obergrenze (für Asylanten – M.K.) ist nur ein populistischer Versuch zu signalisieren, wir könnten die Fluchtbewegung wieder kontrollieren... Das aber ist Augenwischerei. Ich habe diese Woche selber mit Flüchtlingen auf der Balkanroute gesprochen: Die fliehen aus Angst um ihr Leben und das ihrer Familien und nehmen dafür eine lebensgefährliche Route in Schlauchbooten übers Meer auf sich. Die lassen sich doch nicht von Obergrenzen oder einem Grenzzaun aufhalten."
Auch hier türmen sich die Folgefragen geradezu.
1. Mit wievielen Flüchtlingen hat Frau G-E denn "auf der Balkanroute" gesprochen, dass sie meint, die Gesamtlage einschätzen zu können?
2. Wie erreicht man die deutsche Südgrenze mit einem Schlauchboot – und wenn gar nicht: Wollen sich diese Leute in Sicherheit bringen, oder folgen sie falschen Versprechungen nach Deutschland?
3. Kommen die Afghanen, Pakistanis, Südosteuropäer auch mit Schlauchbooten und fliehen aus Angst um ihr Leben? Und wie verhält es sich mit Eriträern und anderen jungmännlichen Schwarzafrikanern?
4. Weiß Frau G-E, wieviele Einwanderer tatsächlich aus Angst um ihr Leben nach Europa gekommen sind?
5. Weiß sie desweiteren, wieviele Betrüger mit gefälschten syrischen Pässen ins Land kommen?
6. Weiß sie überhaupt etwas?
Drei.
"Denn lange, bis es nicht mehr kann, behilft
Sich dies Geschlecht mit feilen Sklavenseelen."
Schiller, Wallenstein
Vier.
Dass ich einmal einen Text von Hans Hermann Tiedje verlinke, hätte ich auch nicht gedacht. "Heut' hast du's erlebt!" (Wagner, Die Walküre). O tempora, o mores! Klonovsky am 2. November 2015
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