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Donnerstag, 19. November 2015

Virtuos

Klonovsky schenkt uns diesmal eine besonders virtuose Darbietung von vorbildlich ausexerziertem, heilsamem, der Klar- und Wahrheit dienlichem Relativismus: Videatur status rerum a parte altera quoque.


Eins.
Fundstück auf der ARD-Webseite (vom 16.11.2015, 17:49 Uhr). Der Warschau-Korrespondent meldet: "Regierungskritische Journalisten schütteln den Kopf und reagieren verwundert. Für den neuen polnischen Außenminister ist der Fall dennoch ganz klar. Statt herumzusitzen, meint Witold Waszczykowski im polnischen Fernsehen sinngemäß, sollten syrische Flüchtlinge lieber in ihrer Heimat kämpfen." – Ist Ihnen, geschätzter Leser, vom durchaus vernünftigen Vorschlag aus dem polnischen inzwischen wohl allmählich Feindstaat abgesehen, etwas aufgefallen? Genau: Keine Meldung eines ausländischen Korrespondenten aus Deutschland könnte momentan mit diesen beiden ersten Worten beginnen.

Zwei.
Eben auf Youtube angeschaut, wie das Publikum im blau-weiß-rot illuminierten Londoner Wembley-Stadion vor dem Spiel England-Frankreich solidarisch die Marseillaise mitsang. Das haben die Englände brav gemacht. Nur einige der französischen Fußballspieler haben kaum gesungen. Ist vielleicht nicht ihre Hymne...

PS: Leser *** merkt an, er würde gern sehen, ob die Engländer nach einem vergleichbaren Ereignis, ohne sich ein solches nur irgendwie herbeizuwünschen, auch das Deutschlandlied sängen. Interessante Vorstellung. Etwa nachdem ein Gotteskrieger-Kommando, beispielsweise, die Dresdner Innenstadt samt der Kreuzkirche in Schutt und Asche gelegt hat. 
PPS: Wobei, um diesen nach wie vor rein hypothetischen Faden fortzuspinnen, ein solcher Anschlag wiederum einem Pegida-Aufmarsch (bei Pegida immer "Aufmarsch" schreiben, verstanden!) gelten könnte. Ja und dann sähe ich doch gern Merkel, Maas und Gabriel dem Pack kondolieren!  

Drei.
Man erkennt den echten Gutmenschen daran, dass er über irgendetwas so fassungslos ist, dass er einen Kopf fordert.

Vier.
Dass ich nie und nimmer Charlie bin, habe ich nach der Niedermetzelung von elf Charlie Hebdo-Mitarbeitern im Januar bereits geschrieben und mit den Worten begründet, ich könne sehr wohl die Meinungsfreiheit verteidigen, ohne mich gleich mit ihren Exkrementen einzureiben. Diese kranken Hirne sollen zeichnen, schreiben, beschmutzen, hassen dürfen, was sie wollen, aber ich will sie auch kranke Hirne und "Menschenkehricht" (Karl Marx) nennen dürfen. Als aktuelle Widerwärtigkeit verbreiten die Pariser Kotköpfe zwei Karikaturen, in denen die 224 Todesopfer in der gesprengten russischen A321 verhöhnt werden. Auf der einen sieht man Menschen und Wrackteile auf einen IS-Kämpfer herabregnen unter der Zeile: "Die russische Luftwaffe verstärkt die Bombardierung von ISIS", auf der zweiten einen Totenschädel vor dem brennenden Flugzeugwrack und die Worte: "Die Gefahren russischer Billigflieger. Wären wir doch besser mit Air Cocaine geflogen." – 
Weil er im Zusammenhang mit den Pariser Attentaten schrieb, nun werde man sich wohl hierzulande genauer anschauen müssen, wer da alles nach Deutschland einwandert, und dahinter ein Smiley setzte, ist es letztlich dazu gekommen, dass der Journalist Matthias Matussek gestern vom Springer-Verlag entlassen wurde. Und zwar von aalglatten Sprechpuppen, die, wenn man bei ihnen auf den Knopf drückte, auch heute promt ihr "Je suis Charlie!" tröten würden.

Fünf.
Der Historiker Johannes Fried hat die Frage, ob er irgendetwas typisch Deutsches wüsste, beantwortet mit: „Mir fällt da höchstens noch der Gartenzwerg mit seiner Spießigkeit ein, den haben die anderen nicht.“ Sie wissen schon, Fried, dass Sie mit diesen Worten die bekanntlich besonders einzigartige Einzigartigkeit der singulären deutschen Verbrechen relativiert, vergartenzwergt und sogar vermenschheitlicht haben, wofür Ihnen mindestens der Lehrstuhl angesägt werden sollte. Doch auch sonst irren Sie gewaltig; typisch deutsch, und zwar knall- und gartenzwergdeutsch bis zum Quietschen, ist einzig und allein Ihre Behauptung, außer dem besagten Keramikgnom gebe es auf dieser Welt nichts typisch Deutsches. Klonovsky am 18. 11. 2015

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