Die Linke hasst den amerikanischen Investor. Er ist gläubig, konservativ und libertär, und er nützt seinen Reichtum, um Widerstand zu leisten.
Es gibt zwei prominente weiße Männer namens Thiel, einen guten und einen bösen. Der gute Thiel heißt Frank und ist „Tatort“-Kommissar in Münster. Der böse Thiel heißt Peter und ist – frei nach Spiegel, Standard, Süddeutscher Zeitung etc. – ein rechtsextrem vernetzter, machtgeiler oligarchischer Ungustl aus dem Silicon Valley. Dass er die Demokratie stürzen wolle, sehe man schon daran, dass er Trump unterstützt und sich Sebastian Kurz in sein Team holt.
In der Liga, in der Peter Thiel spielt, gibt es Dutzende Superreiche: Investoren wie George Soros, der mit Währungsspekulation so viel verdient hat, dass er sich eine eigene Außenpolitik leisten kann, oder Amazon-Gründer Jeff Bezos, der seit Corona mehr Geld scheffelt als je zuvor. Dank Informationstechnologie und Internet-Dienstleistungen für Konsumenten ist Bill Gates, der Gottseibeiuns der Impfgegner, in die erste Reihe aufgestiegen, gefolgt von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, Tesla-Gründer Elon Musk, und einigen anderen. Doch nur Peter Thiel hat es geschafft, das linksliberale Establishment geschlossen gegen sich aufzubringen. „Der intellektuelle, aber auch der politische Konformismus im Silicon Valley ist zum Schreien“, sagte er in einem sehr lesenswerten Interview (NZZ, 5.4.2019): „Die Köpfe haben sich gleichgeschaltet.“
Was die politisch korrekten Medien in Österreich und Deutschland über Thiel publiziert haben, stützt sich vorwiegend auf die Biografie des Bloomberg-Kolumnisten Max Chafkin (The Contrarian, 2021). Chafkin Voreingenommenheit zu unterstellen, wäre eine Untertreibung, denn seine polemische Absicht ist offenkundig. Zum Beispiel unterstellt er Thiel, Wettbewerb abzulehnen und für Monopole einzutreten. In Wirklichkeit empfiehlt der Investor jungen Unternehmern in seinem Startup-Ratgeber (Zero to One, 2014), mit einem völlig neuen Produkt ein Monopol zu schaffen, statt sich im Wettbewerb gegen bereits eingeführte Produkte zu verzetteln. Erstaunlich, dass ein Wirtschaftsjournalist wie Chafkin das natürliche Bestreben des Unternehmers, durch Innovation eine marktbeherrschende Stellung zu erlangen, mit einer Absage an Wettbewerb und Marktwirtschaft verwechselt. Monopole entstehen und verschwinden. Gefährlich wird es erst, wenn der Staat sie schützt.
Die Ausweitung des Einflusses der Politik, argumentiert Thiel, sei ein unvermeidliches Ergebnis der Demokratie und ziehe immer mehr Einschränkungen der Eigentumsrechte nach sich. Von einer „kapitalistischen Demokratie“ könne daher längst keine Rede mehr sein. „Demokratie ist mit Freiheit nicht vereinbar“, lautet sein Satz, der Kommentatoren in Schnappatmung versetzt hat. Tatsächlich wächst die Staatsquote, der Anteil der Staatsausgaben am BIP, seit mehr als hundert Jahren stetig und weltweit. In Österreich betrug sie 2020 fast 60 Prozent, in den USA mehr als 45 Prozent. Thiel glaubt nicht, dass der Einfluss der Politik mit politischen Mitteln verringert werden kann. Es gehe vielmehr darum, freie Räume abseits der Politik zu entdecken. Einen guten Einblick in sein politisches Denken gibt sein Essay im Sammelband Politics &Apocalypse (2007), in dem er sich mit John Locke, Carl Schmitt, Leo Strauss und René Girard auseinandersetzt.
Sebastian Kurz hat einen spannenden Lebensabschnitt vor sich. Er kann von Thiel in Amerika viel lernen. Großes Talent hat er bisher vor allem in der Außenpolitik bewiesen. Peter Thiel wird ihn mit libertären Grundsätzen vertraut machen und ihm helfen, seine ökonomischen Defizite zu beheben. Der amerikanische Investor wiederum kann von den Kontakten zu Politikern im postkommunistischen Europa profitieren, die Kurz intensiv gepflegt hat. Irgendwann wird sich die Anti-Kurz-Kampagne in Österreich totlaufen, und Kurz wird zurückkehren. Intellektuell und moralisch geboostert, um viele Erfahrungen reicher. (Karl-Peter Schwarz in "Die Presse" am 12. Januar)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.