Stationen

Samstag, 22. Januar 2022

Begeisterung

"Unzählige von Goethes Worten bekräftigen uns mit pfingstlich feurigen Zungen, daß wir freie, zur Freude berufene Wesen sind, daß vor Gott kein ehrlicher Dienst gering ist, daß es sich für jeden lohnt, seinen Lichtkeim zu entwickeln, ja daß der treuen Bemühung auf die Dauer auch die Gnade nicht fehlen kann.

Die größten Auswirkungen von Goethes Genius: Eine Sehnsucht lebt in unseren Besten, eine tiefe Sehnsucht nach Vereinfachung des Daseins, nach glühender Mitte, nach einem allverbindlichen Maß, nach einem Tempelrund voll ewiger Bilder, zu dem die Völker wandern."
Hans Carossa: 'Wirkungen Goethes in der Gegenwart', Vortrag auf der Tagung der Goethegesellschaft am 8. Juni 1938 im Nationaltheater zu Weimar.
 
Und noch einmal Carossa nach dem Krieg:
"Hitler hielt sich oft in Weimar auf, betrat aber nie das Goethehaus; dafür kehrte er zuweilen ein im Nietzsche-Archiv. Alle Menschen, die lieber im einseitig Begrifflichen und im Getön drohender Worte leben, als daß sie sich mühsam eine eigene unverzerrte Anschauung von Dingen und Personen erwerben, alle diese vernachlässigen Goethe, den Bildner, den Verächter der Phrase, der uns zum Enthusiasmus erzieht, uns aber den Fanatismus widerrät."
 
"Mag die geistige Kultur nun immer fortschreiten, mögen die Naturwissenschaften in immer breiterer Ausdehnung und Tiefe wachsen und der menschliche Geist sich erweitern, wie er will – über die Hoheit und sittliche Kultur des Christentums, wie es in den Evangelien schimmert und leuchtet, wird er nicht hinauskommen!" Goethe, Gespräche mit Eckermann, 11. März 1832 (letzter Eintrag)
 
"Die Deutschen sind übrigens wunderliche Leute! Sie machen sich durch ihre tiefen Gedanken und Ideen, die sie überall suchen und überall hineinlegen, das Leben schwerer als billig. Ei, so habt doch endlich einmal die Courage, euch den Eindrücken hinzugeben, euch ergötzen zu lassen, euch rühren zu lassen, euch erheben zu lassen, ja euch belehren und zu etwas Großem entflammen und ermuthigen zu lassen; aber denkt nur nicht immer, es wäre alles eitel, wenn es nicht irgend abstracter Gedanke und Idee wäre!" Ebenfalls im Eckermann: 6. Mai 1827 - Ich fand diesen Satz 1996 in einem Artikel in der florentinischen Tageszeitung La Nazione.
 
Gedenken wir an dieser Stelle auch des Mannes, mit dem das Bundespräsidentenamt begann zu einer Lachnummer zu werden.

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