Stationen

Freitag, 13. Oktober 2017

Der Konjunktiv ist mittlerweile rechtsradikal

Woher kommt nur diese Liederlichkeit vieler Medien im Umgang mit bestimmten Begriffen? Es ist heute möglich, die Worte „Wetter“, „Modell-Rechnung“ und „Klimawandel“ in einem Satz zu verwenden und dabei als Moderator oder Journalist ein Gefühl von Wahrhaftigkeit auszusenden, als hätte man die Konstante PI auf 50 Nachkommastellen genau vorgelesen. Kein Bisschen Distanz zum Thema, kein Konjunktiv steht dem Aktivismus im Wege. Stattdessen werden Experimente, Modelle, Hochrechnungen und „optimierte“ Zahlen zu gefühlten Gewissheiten zusammengefiedelt. Man tut bildlich gesprochen so, als sei die Tatsache, dass sich die Christen auf den Inhalt des „Vaterunser“ geeinigt hätten, ein Gottesbeweis.
Auch ttt-Titel Thesen Temperamente“ befasste sich am 8.10.2017 mal wieder mit dem Klimawandel (Video im Link). In den Ankündigungen zur Sendung war sogar davon die Rede, dass es nun „endlich den Beweis“ für die bisher nur geglaubten Behauptungen gäbe, mit denen die Hohepriester der Klima-Religion ihre Ablassbriefe unters Volk des schlechten Gewissens bringen: Nun sei es gewiss, es gäbe ihn tatsächlich, den Teufel, vor dem der Klerus seit Jahren in den schrillsten Tönen warnt und der Name des Gehörnten ist Klimawandel! Lasset also ab vom Skeptizismus, glaubet allerorten und enthaltet euch der spöttischer Widerrede, auf dass ihr erlöst werdet vom Unglauben und zu uns anderen ins Licht der Erkenntnis kommet, welches das einer Energiesparlampe ist!
ttt-Moderationsministrant Max Moor schwenkte in der Anmoderation zum Beitrag das Weihrauchfässchen genüsslich und als Beweis für rechtschaffenes Handeln über den besiegten Teufeln der Vergangenheit, der Zigarettenindustrie und den Schnapsbrennern, denen es am Ende auch nicht geholfen hätte, dass Menschen selbst dann an Lungenkrebs oder Leberzirrhose sterben konnten, wenn sie diese teuflischen Produkte selbst nie konsumierten. Und ob am Ende einer durch den Kampf gegen den Klimawandel oder am Klimawandel selbst stirbt, was macht das schon. Denn siehe, am Ende steht immer der Tod und die einen sterben früh am Genuss und die anderen spät an der Langeweile. Amen.
Na, soweit kommt’s noch. Es müssen Schuldige gefunden werden! Jetzt seien die Klimaleugner an der Reihe, die man nun endlich mit einer überraschend aufgetauchten und völlig neuen Wissenschaft besiegen könne – einer Wissenschaft, die weltweit von weniger Wissenschaftlern ausgeübt wird, als es Experten für die vergleichende Glückskeks-Forschung gibt. Der Zuschauer erfährt die frohe Botschaft aus dem Munde einer ganzen Forscherin, die hoffentlich noch Unterstützung bei der Ausübung dieser funkelnagelneuen „Attributionswissenschaft“ hat.

„Fangen“ spielen: klatsch ­– „Du bist!“ – Zuschreibung erfolgt.

Attribution, das klingt im Englischen natürlich viel besser als die schnöde deutsche Übersetzung „Zuschreibung“, bei der ich mich der Assoziation von Kindern kaum erwehren kann, die auf dem Schulhof „Fangen“ spielen: klatsch ­– „Du bist!“ – Zuschreibung erfolgt. Mit ähnlichen Zuschreibungen arbeiteten übrigens schon die streng nach den „Gesetzen der Wissenschaft“ durchgeführten Hexenprozesse im Mittelalter – „heftiger Verdacht“ genügte zur Verurteilung. Nur waren damals die Gesetze der Theologie maßgeblich, während es heute die der kreativen Statistik sind, einer anderen Theologie. Doch sowohl damals als auch heute nehmen es die Zuschreiber bei der Interpretation der Absichten ihrer Gegner nicht so genau. Jede denkbare Eskalation wird gern unternommen.
Da ist heute zunächst die übliche verkürzende Delegitimierung jedes Skeptikers der grassierenden Klimahysterie als „Klimaleugner“. Es ist durchaus gewollt, dass dieser Sammelbegriff so klingt, als würde es so etwas Seltsames wie Klima für Leugner gar nicht geben. Auf Nachfrage heißt es dann, dass es selbstverständlich „Klimawandelleugner“ heißen müsse, ein langer und sperriger Begriff, der aber auch immer noch eine unzulässige Verkürzung darstellt. Doch genau mit dieser imaginären Gruppe der „Klimawandelleugner“, zu der neben Donald Trump vielleicht noch eine Handvoll geistig Unbeschenkter gehören, befasst sich die „Attributionswissenschaft“ argumentativ.
Dies tut sie, indem sie die Wahrscheinlichkeit und die Stärke des Auftretens eines lokalen Extremwetterphänomens als Folge der Erderwärmung abschätzt. Man tue das auf Basis „langfristiger Klimamodelle“ und ich nehme an, dass man zu deren Modellierung den richtigen Datensatz des NASA-GISS verwendet, also den, der nachträglich und heimlich „optimiert“ wurde (Der Focus schulmeisterte dazu, es: „… sei eine ganz normale wissenschaftliche Methode, die Daten nachträglich anzupassen. Das sei aufgrund einiger Faktoren nötig, die die Messungen ungenau machen“ – oder sie einfach nur unbrauchbar für den beabsichtigten Zweck machen, möchte man scharfmesserlich folgern. Diese „normale wissenschaftliche Methode“ des „Anpassens von Messungen“ kennen viele Bürger vielleicht aus der Praxis: wenn sie ihre Einkommenssituation, die sie dem Finanzamt übermitteln mit jener vergleichen, die sie zur Erlangung eines Kredites an die Bank geben. Das sind ja auch keine „Fake-News“ – das ist „Modellrechnung“ und in der Statistik gibt es immer eine Methode, die zum Zweck passt.
Die Meteorologen Joe D’Aleo und Anthony Watts jedenfalls nahmen die langfristigen Klimadaten der NASA, die allen heutigen Modellrechnungen zugrunde liegen, vor einiger Zeit etwas genauer unter die Lupe und stellten fest: „ […] führende meteorologische Einrichtungen in den USA und auf der ganzen Welt haben systematisch Messungen von Temperaturdaten manipuliert, so dass man nicht sicher sagen kann, dass es im 20. Jahrhundert überhaupt zu einer nennenswerten globalen Erwärmung gekommen ist.“
Zwei Meteorologen also. Das bedeutet rein statistisch, dass sich schon mal ein Wissenschaftler mehr kritisch mit einigen „ungewöhnlichen Ereignissen“ in der politisch aufgeladenen Klimaforschung auseinandergesetzt hat, als Attributionsexperten mit der Zuschreibung von Wetterphänomenen zum Klimawandel beschäftigt sind.

Der Konjunktiv hat ausgedient

Zur Ehrenrettung der im Beitrag zitierten Friederike Otto sei gesagt, dass die wirklich kruden Aussagen nicht von ihr, sondern immer aus dem Off kamen. Selbst das WOW-Signal ihrer Forschungen – Plusgrade in der Arktis im letzten Winter – wird von ihr vor allem als „…vom Meteorologischen her ein ganz ganz extremes Ereignis“ bezeichnet, was es ja auch war  (Und in diesem Jahr ist die Situation noch viel schlimmer, zumindest was die Ergiebigkeit der Nachrichtenlage für die Klimapanik betrifft: eine kanadische Expedition zur Erforschung des Klimawandels in der Arktis musste im Juni wegen zu viel Eis abgebrochen werden. Der benötigte Eisbrecher wurde gebraucht, um andere Schiffe aus bis zu 8 Meter dickem Packeis zu befreien. Nach dem letzten Jahr kam das etwas überraschend. Aber daran kann auch nur der Klimawandel Schuld sein).
Zurück zum „extremen Ereignis“. Und eben auch genau das: ein Ereignis. Eine Präzision, die sich der Autor des Beitrages nicht gestattete, wenn er etwa Klagen gegen US-Mineralölkonzerne präjudiziert und erklärt: „…weil der Anstieg des Meeresspiegels auf Schadstoffemissionen und eben nicht auf natürliche Prozesse zurückzuführen ist.“
Hier nimmt der Beitrag durch das kleine Wörtchen „ist“ schon mal das Urteil vorweg – denn korrekterweise sollte man „sei“ verwenden und die Gerichte bei der Auflösung dieses Konjunktivs interessiert beobachten. Denn was die Justiz im klagefreudigen Amerika zu der Sache sagen wird, wissen wohl nur Poseidon und die Götter der Schadstoffemissionen.
Selbst dort, wo Friederike Otto in ihren Modellen einer Naturkatastrophe nicht den Klimawandel als Mephisto an die Seite stellt (ja, auch das kommt in den Modellen vor), macht der Beitrag noch ein politisches Fass auf. „Es müssen also anderer Gründe [für das Hochwasser 2013] verantwortlich sein: die Verbauung von Flüssen, das Fehlen von Überflutungsflächen, …politische Versäumnisse.“ Und schon wieder werden Ursache und Wirkung verwechselt! Dies alles ist nämlich nicht für das Hochwasser verantwortlich, sondern lediglich für die Schäden, die es anrichtete. Das Hochwasser verursachte ein Starkregen, wie auch Friederike Otto weiß.
Doch zurück zu den „Klimaleugnern“, die eigentlich keine sind und nicht mal in nennenswerter Anzahl „Klimawandelleugner“ sein wollen. Die meisten von ihnen haben lediglich erhebliche Zweifel, dass es der Mensch allein sei, der den Klimawandel verursache und haben noch erheblichere Zweifel daran, dass der Mensch das Klima in eine von ihm gewünschte Richtung schubsten könne. Denn angesichts nachweisbarer Warm-, Kalt- und Eiszeiten allein in den letzten 1.000.000 Jahre und einem großzügig geschätzten Anthropozän von vielleicht 100 Jahren muss es diesen Skeptikern erlaubt sein, dieselben statistischen Werkzeuge zu nutzen, wie sie stets gegen sie selbst in Stellung gebracht werden.
Denn über ein Problem konnte auch der ttt-Beitrag über die funkelnagelneue statistische Methode „Attributologie“ nicht hinweghelfen: den „heiligen Gral“ des Nachweises für den bestimmenden Einfluss des Menschen auf den Klimawandel kann auch sie nicht liefern. Nicht mal durch Zuschreibung. „Die Attributionswissenschaft kann Fakten liefern“, weihräuchert es zum Schluss aus dem Off. Doch da sie Messwerte mit Modellen vergleicht und die Ergebnisse wiederum mittels eigener Modelle interpretiert, kann sie das eben ganz und gar nicht.  Roger Letsch

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