Am 25. September hat der starke Mann der Autonomen Kurdenregion im
Irak, Masud Barzani, trotz Drohungen aus Bagdad, Teheran, Ankara und
ohne Rückenwind der Europäer und der Amerikaner ein
Unabhängigkeitsreferendum abgehalten.
Vermutlich zwei Jahre zu spät! Damals nämlich hatten die Kurden fast die
gesamte westliche Welt hinter sich und wurden gefeiert – als Helden im
Kampf gegen den Islamischen Staat. Damals war die „Kurdenfrage“
plötzlich nicht mehr ein Problem, sondern das kurdische Volk wurde als
die „Lösung“ wahrgenommen.
Das Problem war damals der IS, als Lösung galten die Kurden. Der Westen
stand hinter den Kurden, denn sie waren es, die nicht nur mutig genug
waren, die „Drecksarbeit“ zu leisten, sondern die auch geostrategisch
betrachtet perfekt konzentriert waren, um den IS zu bekämpfen. Und
entgegen aller Erwartung waren sie erfolgreich: Der IS hat nicht nur
seine „Hauptstadt“ Al-Rakka aufgegeben, sondern er verliert seit Monaten
Gebiete. Der „Tag nach dem IS“ ist nahe.
Mittlerweile braucht der Westen die Kurden nicht mehr, und plötzlich ist
sie wieder da, die „Kurdenfrage“. Und die Kurden sind wieder da, wo sie
schon immer waren: in der Defensive und von einem unabhängigen Staat
namens Kurdistan träumend.
Nur Israel hat sich offen für Kurdistan ausgesprochen, und dafür gibt es
viele Gründe: etwa, dass es vor nicht allzu langer Zeit noch um eine
„Judenfrage“ ging und die Juden ähnlich dastanden wie heute die Kurden.
Neben diesem moralischen gibt es auch ein geopolitisches Argument: Ein
unabhängiges, starkes und Israel verbundenes Kurdistan könnte im
Ländereck Iran-Irak-Syrien eine Pufferzone bilden, die den iranischen
Landkorridor zwischen dem Iran und dem Libanon brechen würde.
Masud Barzani soll Theodor Herzl und David Ben Gurion zu seinen
Vorbildern zählen. Ben Gurion hat den Staat Israel kurze Zeit nach dem
Holocaust gegründet. Barzani ist vielleicht zwei Jahre zu spät, aber
hoffentlich beweist uns die Geschichte das Gegenteil.
Arye Sharuz Shalicar wurde 1977 in Deutschland als Sohn persisch-judischer Eltern geboren. Seine Autobiographie "Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude"
ist 2010 im DTV erschienen. Heute ist er Abteilungsleiter für
Internationale Beziehungen im israelischen Ministerium für
Nachrichtendienste im Büro des Ministerpräsidenten.
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