Ein Migrantenschreck, den Migranten schätzen
Von Julian Tumasewitsch Baranyan.
Mit 31,5% gewann die konservative ÖVP mit ihrem Spitzenkandidaten
Sebastian Kurz am 15. Oktober 2017 die Nationalratswahlen in Österreich.
Um sich vor Augen zu führen, wie abwegig es aber ist, daraus die
gegenwärtig inflationär verwendeten, Vorwürfe des Rechtspopulismus und
der Fremdenfeindlichkeit abzuleiten, muss man etwas tun, was in
Deutschland stark verlernt wurde, und stetig mehr abhanden kommt. Man
muss einen Blick auf die leisen, zurückhaltenden und nicht fordernd
auftretenden Migranten und religiösen Minderheiten wagen.
So wird man feststellen, dass der Kanzler in spe tatsächlich für eine
ausgewogenere und gerechtere Integrations-und Migrationspolitik steht,
als sie bisher vertreten wurde. Kurz stellte schon vor gut einem Jahr
sein Engagement für verfolgte orientalische Minderheiten unter Beweis,
als er mit Nadia Murad ein yezidisches IS-Opfer als „Botschafterin des
guten Willens“ im Rahmen des österreichischen OSZE-Vorsitzes im Jahr
2017 gewinnen konnte.
Am 28. September traf er jüdische Gemeinden in Wien, um mit ihnen den
jüdischen Neujahrstag Rosh Hashanah zu feiern. Das ist in Wien eine
schöne, bereits länger gepflegte Tradition.
Fünf Monate zuvor traf Sebastian Kurz auf andere
Minderheitenvertreter, deren Geschichte von Verfolgung und einem
Genozidtrauma geprägt ist. Die Rede ist von orientalisch-orthodoxen
Gemeinden, die der Gewinner der Nationalratswahl damals wichtige Partner
nannte. In seinem Amt als Außen- und Integrationsminister ging er somit
neue Wege, und veranstaltete erstmals überhaupt am 25. April 2017 einen
gemeinsamen Osterempfang für die Würdenträger der koptisch-orthodoxen,
armenisch-apostolischen und syrisch-orthodoxen Kirche.
Zwei Wochen vorher erschütterten Anschläge, die gezielt gegen Kopten
gerichtet waren und mehrere Dutzend Todesopfer forderten, die
christliche Minderheit in ihrem Stammland Ägypten. Für die beiden
Letztgenannten fand der Empfang einen Tag nach einem für sie wichtigen
Datum statt: Dem 24. April als in diesem Jahr 102. Symbolischem
Gedenktag an den Völkermord an unter anderen ihren
Religionsgemeinschaften durch das Osmanische Reich.
Man könnte jetzt von eigentlich selbstverständlichen Gesten ohne
größere Bedeutung sprechen. Führt man sich jedoch vor Augen, dass sie
seitens seiner deutschen Pendants gänzlich ausbleiben, so erhöht sich
ihre Bedeutung sogleich um ein Vielfaches.
Kein Appeasement gegenüber Erdogan in der Armenien-Frage
Ganz anders als die deutsche Staatsministerin für Integration, Aydan
Özoğuz (SPD), und ihr Parteikollege, der damalige bundesdeutsche
Außenminister und spätere Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier,
punktete Kurz in einem ähnlichen Kontext bereits zwei Jahre zuvor.
„Die Erklärung des österreichischen Parlaments ist zu respektieren“,
ließ Kurz in seiner Rolle als Außenminister im April 2015 gegen die
Kritik der türkischen Regierung und ihrer Auslandsverbände verlauten,
nachdem Wien den Völkermord an den Armeniern, zu dessen Opfern auch
syrisch-orthodoxe Christen, Griechen und Yeziden zählten, als solchen
anerkannte.
Es war schon damals nicht das erste Mal, dass der künftige
Bundeskanzler Österreichs selbstbewusst und mit viel Rückgrat ein Signal
zugunsten von Minderheiten setzte. Durch das, wesentlich durch ihn
initiierte, am 25. Februar 2015 beschlossene, Islamgesetz erteilte er
nahezu gleichzeitig der Einflussnahme ausländischer Regime eine klare
Absage.
ALEVI, die Vertretung der 60.000 bis 80.000 österreichischen
Aleviten, lobte bezüglich des Islamgesetzes darüber hinaus die
Möglichkeit alevitische Theologie in Österreich studieren zu können.
Auch das Verbot der Auslandsfinanzierung von islamischen Dachverbänden
stieß dort auf Zuspruch, was man mit folgenden Worten zum Ausdruck
brachte:
„Die Regelung zur Auslandsfinanzierung stellt sicher, dass
sich der Glauben unabhängig von der Politik sowie unabhängig von anderen
staatlichen Einflüssen entwickeln kann.“
Des Weiteren verteidigte ALEVI Kurz‘ Gesetz gegen Vorwürfe der
türkischen Regierung und ihrer Religionsbehörde Diyanet, das
österreichische Islamgesetz sei eine Maßnahme zur Unterdrückung und
Entrechtung von Muslimen, wie folgt:
„Das neue Islamgesetz hat in den letzten Tagen weltweit viel Lob
und Anerkennung erhalten und es wurde auch immer wieder betont, dass das
neue Islamgesetz eine Vorbildfunktion für andere Länder einnehmen
könnte. Die ALEVI teilt diese positive Beurteilung und ist dies auch der
Grund, warum wir diesem Gesetz zugestimmt haben.
Die Türkei sollte diesem Beispiel folgen und den 25 Millionen in
der Türkei lebenden Alevitinnen und Aleviten ebenfalls ihre Rechte
einräumen. Damit würde sie einen Schritt Richtung Demokratie machen und
könnte sich auf die Lage in der Türkei konzentrieren. Vielleicht wird es
den türkischen Bürgerinnen und Bürgern dann auch endlich einmal
ermöglicht, ihre Religion ohne Bevormundung zu leben und auszuüben. Und
ein gläubiger Muslim trägt seinen Glauben im Herzen und definiert seinen
Glauben nicht durch Gesetze und politische Einflussnahme.“
Die Diyanet übt in Deutschland, den Niederlanden und Österreich
direkten Einfluss auf muslimische Dachverbände wie DITIB und ATIB aus.
Eine harte Gangart gegen den politischen Islam
Mit einer ähnlichen Position, wie sie Österreichs Aleviten 2015
veröffentlichten, meldete sich eine Woche vor der Nationalratswahl
Mouhanad Khorchide zu Wort. Er ist Professor für islamische
Religionspädagogik am Centrum für Religiöse Studien an der Westfälischen
Wilhelms-Universität in Münster.In seinem Gastbeitrag für den Standard
schreibt er:
„Dass ein Politiker, wie Kurz, auf Missstände hinweist und dem
politischen Islam den Kampf angesagt hat, ist nicht nur im Sinne des
konstruktiven Zusammenlebens in unserer Gesellschaft, sondern eigentlich
im Sinne der Muslime selbst, die ja anstreben, als Teil Österreichs und
Teil Europas anerkannt zu werden. Aber genau diese Einbindung der
Muslime in Europa stellt ein Problem für den politischen Islam dar.
Dessen Vertreter werden weiterhin keine Mittel scheuen, in ihrer
Propaganda Kurz als Islamhasser abzustempeln.“
Wie eng nun eine stärkere Berücksichtigung der Interessen und
Bedürfnisse christlicher Migranten und eine harte Gangart gegenüber dem
politischen Islam zusammenhängen, zeigt sich unter andereman einem Fall
aus der jüngeren Vergangenheit.
Mit dem Beginn des Monats Oktober 2017 trat in Österreich das
Vollverschleierungsverbot in Kraft. Dr. Amer Albayati, Islam- und
Terrorexperte sowie Präsident der Initiative Liberaler Muslime
Österreich, kurz ILMÖ, begrüßte dies ausdrücklich.
Doch es gab auch Kritik und Kampfansagen an das Verbot, zum Beispiel
seitens des algerisch-französischen Immobilienmillionärs Rachid Nekkaz.
Er kündigte an, Geldstrafen zu übernehmen, die im Rahmen des
Burkaverbots verhängt werden, um so eine breite Umgehung des Gesetzes zu
ermöglichen.
Bereits 2011 und 2012 war es ebenfalls Nekkaz, der verlauten ließ in
Frankreich Strafen zu zahlen, die wegen Leugnung des Völkermords an den
Armeniern, syrisch-orthodoxen Christen, Pontosgriechen und Yeziden im
Rahmen des Boyer-Gesetzes verhängt hätten werden können. Nekkaz gibt vor
im Sinne der Meinungs- und Religionsfreiheit zu handeln, wie es andere
Verfechter und Sympathisanten des politischen Islam ebenfalls oft tun.
Wer Verfolger ist, kann kein Flüchtling sein
Letztendlich verteidigt er aber Bekenntniskleidung einer
extremistischen wie zugleich reaktionären Ideologie, und stellt sich auf
die Seite einer Form von Geschichtsrevisionismus, die jede
Thematisierung und Verurteilung von historischen Verbrechen an
religiösen Minderheiten in der muslimischen Welt bekämpft, und somit
ihre Diskriminierung nach Europa hineinträgt. Mit dieser, leider nicht
seltenen Kombination, steht er geradezu exemplarisch für die Gegner des
österreichischen Wahlsiegers.
Gemeinsam mit sexuellen Minderheiten haben jene religiösen
Minderheiten als erste die negativen Begleiterscheinungen
unkontrollierter Einwanderung am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Vor
allem Frauen, Christen, Yeziden und Homosexuelle wurden seit September
2015, und werden teils weiterhin, in Flüchtlingsheimen besonders oft,
und häufig religiös motiviert, attackiert.
Wer dafür sorgt, dass Geflüchtete in Asylunterkünften von ihren
Fluchtursachen eingeholt werden, sollte eigentlich selbt nicht mehr als
Flüchtling gelten dürfen, weil er sich durch sein Verhalten als
Verfolger outet. Ebenso wenig verdienen die Hundertschaften von Kämpfern
der Al Nusra Front, Hisbollah und des ISIS, darunter u.a. die
Attentäter von Paris und Brüssel, die Migrationsbewegung und
Grenzöffnung erfolgreich ausgenutzt haben, diese Bezeichnung.
Wenn nun ein künftiger Staatschef in Wien durch den Stopp illegaler
Migration dazu beitragen möchte, dass Geflüchtete in Not und
Einheimische vor solchen Missbräuchen geschützt werden, ist das zu
begrüßen. Zudem gleichen Kurz‘ Pläne zur Hilfe vor Ort und einem
Resettlementprogramm außerhalb der EU einer Praxis, wie sie Kanada
bereits erfolgreich und international hoch gelobt durchführt. Wir haben
es dabei nicht mit Populismus, sondern mit einer, klug durchdachten
Alternative zu einer gescheiterten Politik zu tun.
Es ist nämlich wie der iranischstämmige Buchautor, Publizist und
FDP-Politiker Ramin Peymani feststellt, wenn er es als, sich hartnäckig
haltenden
„Irrglaube[n]“ bezeichnet,
„jeder sei ein Flüchtling, der mit traurigen Augen und leeren Händen über die Grenze marschiert“. In der Tat besteht in diesem
„Irrglauben“
und seiner Aufrechterhaltung der eigentliche Populismus, denn er ist
a.) bereits durch Asylrecht und Genfer Konvention sowie angeführte
Begleiterscheinungen eindeutig widerlegt, und basiert b.) ausschließlich
auf extrem subjektiv wahrgenommener, mehr moralisierender, als wirklich
moralischer, Selbstüberhöhung.
Alternativen im Sinne einer freien und pluralistischen Gesellschaft
Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass Sebastian Kurz tatsächlich
begriffen hat, was Vielfalt und klare Kante gegen Extremismus wirklich
bedeuten. Deutschland hat hier riesigen Nachholbedarf.
Unter der Großen Koalition ist Integrationspolitik in den letzten
Jahren zu einem Synonym für die Förderung von in erster Linie
reaktionären, auslandsfinanzierten und -koordinierten Verbänden sowie
Organisationen geworden, die nicht Teil der Lösung, sondern als aktive
Stimulatoren der Heranbildung von Parallelgesellschaften ein
wesentlicher Teil des Problems sind. Gleichzeitig wurden andere
Einwanderergruppen und ihre Sichtweisen regelrecht marginalisiert.
In Deutschland geht Integrationspolitik seit einigen Jahren stets mit
Islamismusfreundlichkeit einher. Kurz hat mit dem ehemaligen Grünen
Efgani Dönmez einen der europaweit kompetentesten Experten auf diesem
Gebiet an seiner Seite, und zeigt dass es auch ganz anders geht. Das ist
ein richtiges und wichtiges Signal im Sinne einer freien und
pluralistischen Gesellschaft. Seine Vorstöße sind weder fremdenfeindlich
noch rechtspopulistisch.
Im Gegenteil, seine Politik steht für einen neuen Stil, der endlich
die Vielzahl von Einwanderern stärker berücksichtigt, die keine Lobby
haben, und es auch nicht für nötig erachten sich durch inflationäre und
stereotype Vorwürfe gegen die Mehrheitsbevölkerung hervortun zu müssen.
Kurz bietet konkrete, wohl durchdachte Alternativen zu einer Politik,
die in mehreren ineinandergreifenden Bereichen des gesellschaftlichen
Zusammenlebens zu durch und durch inakzeptablen Missständen geführt hat.
Das ist dringend auch notwendig und eine große Chance für ganz Europa!
Julian Tumasewitsch Baranyan hat Linguistik und
Politologie in Gießen studiert und bereise als selbstständiger
Handelsvertreter inbesondere die frankophone Welt.
Nachweise:
Endergebnis in Österreich: ÖVP gewinnt mit 31,5 Prozent
Wahlprogramm Kurz 2017, 3. Teil: Ordnung und Sicherheit
Kurz macht IS-Opfer zu Österreich-Botschafterin
Minister Kurz: Orientalisch-orthodoxe Gemeinden wichtige Partner
Ostern im Zeichen des Terrors
Völkermord-Erklärung: Türkische Verbände kritisieren Nationalrat
Özoğuz kritisiert geplante Armenien-Resolution
Der absurde Herr Steinmeier
Das neue Islamgesetz in Österreich
Erdogan’s Kritik am Islamgesetz ist unberechtigt
Warum Sebastian Kurz kein Islamhasser ist
Verhüllungsverbot tritt in Kraft – endlich!
Warnung an Millionär - Burkaverbot: Regierung toleriert keine Einmischung
Rachid Nekkaz refait parler de lui
Frauen und Christen fliehen aus den Unterkünften
Hamburg: Übergriffe auf jesidische und christliche Asylbewerber
Christliche Flüchtlinge in Deutschland - Mangelnder Schutz religiöser Minderheiten in Deutschland
Laut „Spiegel“-Bericht Al-Nusra-Kämpfer sollen als Flüchtlinge in Deutschland leben
Report: Hezbollah militants entered Germany among refugees
Hundreds of ISIS fighters have made it into Europe disguised as refugees, say officials,
Comment les terroristes des attentats de Paris et de Bruxelles se sont infiltrés en Europe,
Ein bisschen Frieden: Horst Seehofer und das Ende der Obergrenze
Ruhig, galant - und auf der Partnersuche
Selecting Syrian refugees for resettlement was ‚challenging,' Canadian diplomat says
Dieser Beitrag erschien zuerst auf fisch+ fleisch.
Die österreichische Wahl hat gleich in
mehrfacher Hinsicht ein Ergebnis von sensationeller und positiver europäischer Bedeutung erbracht.
Sie hat drei historische Aspekte: Zwei Parteien, die sich in allen
Fragen rechts der Mitte plaziert haben, erringen 58 Prozent. Eine
konservative „Schwesterpartei“ der CDU triumphiert, die sich mehrfach
gegen Angela Merkel gestellt hat. Und eine europaweit als
„rechtspopulistisch“ eingeordnete Partei wird von allen mit Ausnahme der
völlig dezimierten Grünen als regierungsfähig eingestuft und hat beste
Aussichten, Teil der nächsten Regierung zu sein – wenn sie nur wirklich
will.
Was für ein Unterschied zur Behandlung von Geert Wilders, Marie Le
Pen oder auch der AfD. Dieser Unterschied hängt zweifellos auch damit
zusammen, daß sich die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) in den
vergangenen Jahren anders, nämlich gemäßigt positioniert hat. Nur
dadurch schaffte sie die europaweit unter den „Rechtspopulisten“ Spitze
bedeutenden 26 Prozent – wobei sie 1999 schon einmal 27 Prozent
erzielte, die dann aber als Folge einer Regierungsbeteiligung steil
zurückgingen.
Tatsache ist: Die FPÖ gibt sich heute betont staatsmännisch,
verzichtet seit langem auf alle Aussagen in Richtung EU-Austritt,
schließt jeden aus, der antisemitische oder neonazistische Töne äußert
und hat schon seit längerem alles deutschnationale Gedankengut
abgestoßen und schwingt ständig demonstrativ rot-weiß-rote Fahnen.
FPÖ hat sich zum möglichen Regierungspartner entwickelt
Sie hat schon zweimal der SPÖ zum Bundeskanzler verholfen und dabei
einmal auch selbst die Minister gestellt – worauf dann aber 30 Jahre
Bann und Stigmatisierung durch die SPÖ gefolgt sind, was erst vor
wenigen Monaten irgendwie verwaschen wieder beendet worden ist.
Von der Volkspartei wird die FPÖ schon seit Jahrzehnten nicht mehr
als unberührbarer Paria, sondern als möglicher Regierungspartner
angesehen (was auch sieben Jahre zur Koalition geführt hat).
Die Freiheitlichen haben mit ihrem 30jährigen Aufstieg und der
nunmehr zehnjährigen personellen Stabilität vermitteln können, daß da
kein neuer Hitler oder sonst etwas Furchtbares droht, sondern „nur“ eine
neue Konkurrenz zu Schwarz und Rot. In dieser Positionierung finden
sich viele Elemente, von denen andere „rechtspopulistische“ Parteien
lernen könnten. Denn gleichzeitig ist die FPÖ sehr konsequent in ihrer
Kritik an Islamisierung, Massenmigration und Fehlentwicklungen der EU.
Routiniert und charismatisch
Das alles ändert aber nichts daran, daß der große Wahlsieger in
Österreich nicht die FPÖ ist, sondern Sebastian Kurz. Er hat seine
runderneuerte ÖVP vom zweiten (und bei Umfragen dritten) Platz triumphal
an die Spitze geführt. Sie ist mit 32 Prozent und einem Zugewinn von
sieben Punkten die große Siegerin der Wahl.
Zwei Faktoren waren entscheidend: die Persönlichkeit Kurz und seine
Aussagen beim Thema Einwanderung. Der Mann hat trotz seiner 31 Jahre
Routine und charismatische Ausstrahlung. Er wirkt persönlich
höflich-bescheiden und doch absolut standfest-selbstsicher. Er hat sich
in einem unglaublichen Coup die ÖVP zu einem derzeit willenlos gefügigen
Werkzeug gemacht und ist dadurch weit stärker als alle seine Vorgänger.
Mit seiner Konzentration auf „Stopp der illegalen Migration und Stopp
dem politischen Islam“ hat sich Kurz ins Herz der zentralen Sorge der
Österreicher plaziert. Er hat sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern
nicht gescheut, vielfach deckungsgleich mit den Freiheitlichen zu
werden. Und er hat nicht nur geredet, sondern auch gehandelt, was immer
überzeugend ist. Er war vor allem der Hauptregisseur der Sperre der
Balkanroute, indem er die Unterstützung Mazedoniens bei der Abriegelung
der griechischen Grenze organisiert hat.
Kurz-Triumph stärkt Merkels Gegner
Es gibt freilich jemanden in der gemeinsamen EU-Fraktion, der mit
diesem Triumph trotz Parteifreundschaft gar keine Freude hat. Der sitzt
in Berlin und heißt Angela Merkel. Kurz ist der deutschen
Bundeskanzlerin mehrfach offen entgegengetreten. Das war in der ÖVP bis
dahin total verpönt. Merkel-Kritik hat noch vor kurzem sogar zum
Fraktionsausschluß geführt.
Kurz gab ihr jedoch Kontra: bei der von Merkel (auf Wunsch
Griechenlands) abgelehnten Balkansperre, bei seiner ständigen Kritik an
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sowie bei seinem Verlangen, die
Mittelmeerroute zu schließen und den dortigen „NGO-Wahnsinn“ zu beenden.
Mit seiner Ablehnung von EU-Zentralismus und Überregulierung sowie mit
seinen offenen Sympathieäußerungen für Viktor Orban hat sich Kurz
ebenfalls gegen Merkel gestellt.
Der Kurz-Triumph ist mit absoluter Sicherheit nun Treibsatz für alle
jene in der CDU, die Merkel ins Altenteil schicken wollen, die eine
Regeneration der Union nur in einer konsequenten Anti-Migrationspolitik
möglich sehen. Merkel-Kritiker Jens Spahn ist sogar zur ÖVP-Jubelfeier
nach Wien gereist. Dementsprechende Begeisterung löst Kurz bei der
ganzen CSU aus.
Der Stein, der da in Wien ins Wasser geworfen worden ist, wird
sicherlich europaweit hohe Wellen schlagen – zumindest wenn es wirklich
zu der vielfach favorisierten schwarz-blauen Koalition an der Donau
kommt. Und mit Sicherheit wird es dann dennoch nicht mehr zu einer
Wiederholung der hysterischen Reaktionen des Jahres 2000 kommen, als es
zum ersten Mal in Wien (übrigens anfangs sehr erfolgreich) geheißen hat:
Schwarz-Blau.
Andreas Unterberger
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