Tim Lauth: Herzlich Willkommen zu einer neuen
Ausgabe des WochenWahnsinns! Mein Name ist Tim Lauth, und ich gehe
wieder auf Zeitgeisterjagd mit dem Mann, der das gleichnamige
Hardcoverbuch und E-Book geschrieben hat: Matthias Heitmann. Sag mal
Matthias, glaubst Du eigentlich wirklich daran, dass wir in Zukunft von
einer Jamaika-Koalition regiert werden.
Matthias Heitmann: Ja, ich befürchte es. Denn
schließlich betonen ja alle immerzu, dass Demokraten im Notfall
miteinander koalieren können sollten. Meine Frage ist aber: Warum soll
das eigentlich so sein? Warum müssen Demokraten automatisch
zusammenarbeiten können?
Lauth: Naja, vielleicht, weil sie eine gemeinsame Basis haben und so Schlimmeres verhindern können?
Heitmann: Aber ganz ehrlich: Meine Übereinstimmung
mit den Bündnisgrünen ist so minimal, dass daraus keine Zusammenarbeit
werden kann. Bedeutet das also dann, dass ich kein Demokrat bin?! Ich
halte diese Logik für völlig daneben. Unsere Gesellschaft leidet doch
gerade darunter, dass Politiker seit Jahren alle mehr oder minder einer
Meinung waren. Große Koalitionen, jeder regiert irgendwo mit jedem, alle
Ecken und Kanten werden abgeschliffen. Und jetzt bricht dieser Konsens
endlich mal auf, und das einzige was denen einfällt ist, dass jetzt auch
noch die letzten Unterschiede weggebügelt werden und alle miteinander
regieren sollen! Das nennt man dann: Schlimmeres verhindern? Nein, das
ist das Schlimmere!
Lauth: Ja, aber was stellst Du Dir vor, dass regiert werden kann?
Heitmann: Ich bin wirklich kein Sozialdemokrat, aber
die Entscheidung, in die Opposition zu gehen, halte ich für klug. Und
diese Pseudo-Logik, in der Not müsse man Parteiinteressen hinter dem
Interesse der Nation zurückstellen und gemeinsam regieren, die teile ich
nicht. Zum einen sind wir nicht in der Not, sondern in einer
Demokratie, und Demokratie lebt nicht vom Konsens, sondern vom
Widerspruch und von inhaltlichen Unterschieden. Und zum anderen schadet
man der Demokratie und der Nation, wenn man diese Unterschiede wegwischt
und sich selbst verleugnet. Und gegen diese konsensorientierte
Hosenscheißer-Demokratie sollten wir alle in die Opposition gehen!
Lauth: Aber nochmal für alle: Wie soll denn regiert werden in Berlin? Wie soll das funktionieren?
Heitmann: Ich nehme mir die Freiheit, mir nicht den
Kopf von Angela Merkel zu zerbrechen. Wirkliche Veränderungen sind weder
mit dem alten Personal noch mit den alten Parteien zu bewerkstelligen.
Welche Konstellation in Berlin auch gefunden wird: Sie wird nicht meine
sein, und sie wird nichts an der Notwendigkeit ändern, Demokratie von
unten neu zu erfinden und selbst zu denken. Damit sollten wir nicht auf
Berlin warten. Oder wie man es in Bayern sagen würde: Was i wuil? Ja
mei, ka Koalition!
Lauth: Ja, das ist definitiv einmal ein
optimistischer Ausblick. Und wahrscheinlich fehlt uns auch genau dieser
Optimismus heute. Ich bin jedenfalls auf gute weitere Gründe für
Optimismus und auf die nächste Folge des WochenWahnsinn mit Matthias
Heitmann. Bis dahin: Machen Sie’s gut – und besser!
Hinweis:
Anfang Oktober feierte das Bühnenprojekt „Zeitgeisterstunde“ von
Matthias Heitmann und Tim Lauth eine stimmungsvolle Premiere im
Frankfurter Kabarett „Die Schmiere“. Das Stück lieferte „ein
Fitnessprogramm für den Verstand und einen „Würg-Shop“ für den zynischen
Mainstream, denn es brachte, was man heute kaum noch gewohnt ist: gute
Gründe für Optimismus. Die nächste Zeitgeisterstunde steigt am Freitag,
den 3. November. Weitere Infos und Karten hier.
Alte Ausgaben des „WochenWahnsinn“ im Archiv hier.
Zum Podcast geht’s hier entlang.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.