Es ist doch großartig, zu erleben, wie eifrig, um nicht zu sagen
tänzerisch flott sich die Polit-Rhetorik den wechselnden Gegebenheiten
anzuschmiegen vermag. Die auf einen künftigen Ministerjob hoffende
Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt zum Beispiel. Vor nicht allzu langer
Zeit hatte sie noch die „Geflüchteten“ und alle, die über die Grenze
strömten, an ihr Herz gedrückt mit dem Jubel „Uns werden Menschen
geschenkt“. Sie schien außer sich, ein bißchen so wie eine
Kita-Leiterin, die sich über ihre paar Rangen mal wieder aufregen mußte
und froh über neue Kundschaft ist: „Unser Land wird sich ändern, und
zwar drastisch.“
Doch nun hat sich alles anders gedreht, gefühlsmäßig in die
Gegenrichtung. Das Land, dessen Namen man in der grünen Kita nur zum
Fluchen in den Mund nahm, hatte sich tatsächlich drastisch geändert mit
all den geschenkten Menschen, und viele Wähler, so zeigte sich, mochten
ihr Land doch eher so wie es vorher war, besonders die in Sachsen, und
wählten deshalb die heimatverbundene AfD.
Da erschrak die im Geiste schon mitregierende Kita-Pädagogin und rief
aus: „Wir lieben dieses Land, das ist unsere Heimat.“ Unsere Heimat?
Die Grünen? Eine imponierende Drehung! Alles ist recht, um sich in die
Mitte des Parketts zu walzern. Natürlich geht so ein Schwung nicht ohne
Tritte gegen die Rivalen auf der Tanzfläche ab, weshalb nun
Göring-Eckardt dieses Land, diese Heimat ganz besonders deshalb liebt,
um sie gegen die „rechten Spalter“ zu verteidigen. Sie bringt also eine
Art linken Heimatschutz gegen den rechten in Stellung. „Wir dürfen die
Heimat nicht den Rechten überlassen.“
Eiertanz um unser Land
Ach, was ist das nur für ein Eiertanz um unser Land und seine
Deutschen! Es ist ein Volk, das für die gegenwärtige Kanzlerin schon
fast abschiednehmend und untergangssüchtig nur noch aus denjenigen
besteht, „die schon länger hier leben“, man könnte auch sagen lebten,
denn es löst sich ja hoffentlich bald in irgendeiner Weltbürgersuppe
auf, und da es sich zunehmend weigerte, ein „freundliches Gesicht zu
machen“, war es, das hatte sie ja schon vor zwei Jahren angedroht,
ohnehin nicht mehr ihr Volk.
Nun gibt es ja die verschiedenen Denkschulen, was unser Land und die
Heimat angeht. Eine geht davon aus, daß es durch die zwölf dunklen Jahre
auf ewig verstrahlt ist und die Identität von Verbrechern hat. Die
andere, vertreten etwa durch die sogenannte Integrationsbeauftragte
Aydan Özoğuz, meint, daß es über die Sprache hinaus überhaupt keine
feststellbare deutsche Identität gäbe, noch nicht einmal eine
schuldhafte. Ein paar Worte Deutsch reichen zur Identitätsbildung, fast
so einfach wie der Übertritt zum Islam. Ansonsten: blank wie ein frisch
gewischter Kantinentisch.
Beides gleichzeitig geht allerdings nicht. Ich würde vorschlagen, daß
sich die linke Kita mal einigt, während wir übrigen Staatsbürger und
Heimatfreunde folgendes wahrnehmen: nämlich, daß zu den eigentümlichsten
Bewegungen der Globalisierung die immer mächtigeren lokalen
Unterströmungen gehören. Da genügt ein Blick nach Katalonien in diesen
Tagen. Je dichter die Welt zusammenrückt, desto weiter fällt sie
auseinander. Je internationaler die Welt, desto nationaler das Gefühl.
Deutsche Abgründe
Auf unserem Weg in die totale Weltbürger-Angleichung gibt es
plötzlich lauter Strudel, Impulse des Sträubens und der
Selbstvergewisserung. Und das Zauberwort heißt „Heimat“ oder „Nation“.
Hier aber tun sich für uns Deutsche Abgründe auf.
Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt führte einst aus,
„die spezifische und über weite Strecken düstere Historie Deutschlands“
erlaube es schwerlich, „als zu Rettendes die Nation, das Nationale zu
beschwören“.
Wohlgemerkt, so etwas sagte eine Verfassungsrichterin, die überdies
historisch so schwach auf der Brust ist, daß sie „die über weite
Strecken düstere Historie“, etwa das „Reich“, nur mit dem „Dritten
Reich“ identifizieren kann. Dabei ist das „Heilige Römische Reich
deutscher Nation“ tausend Jahre älter als die NS-Barbarei. Es hat große
Kaiser und Künstler und Schurken gesehen, Zeiten der Blüte, Zeiten des
Niedergangs, es hat im Dom zu Speyer genauso Gestalt gefunden wie in
Gutenbergs Bibel und Mozarts Requiem. Haben die Rheinburgen nichts mit
unserer Reichsgeschichte zu tun? Woran denkt die Dame, wenn sie die
Stifterfiguren am Naumburger Dom betrachtet? An Hitler?
„Ein Volk ohne Wurzeln ist ein krankes Volk“
Soeben hat sogar der sonst wegen seines Universalismus auch bei
Linken so beliebte Papst Franziskus betont, daß es ohne Heimatgefühl
nicht gehe: „Ein Volk ohne Wurzeln ist ein krankes Volk. Ohne Wurzeln
kann man nicht leben.“ Die so urban-ironischen Weltbewohner im Westen
haben sich mit all ihren neurotischen Erdungsschwierigkeiten jedoch
zunächst mal auf Ostkloppe verständigt.
Da fragt im jüngsten Stern ein Redakteur den Philosophen
Richard David Precht so: „Der Dualismus zwischen Gut und Böse ist ein
uraltes philosophisches Thema. Ist die Sache womöglich erschreckend
einfach? Hat das ziellos wabernde Böse auch in unserer Gesellschaft in
der AfD einen Ort gefunden, wo es sich niedergelassen hat? Wo niedere
Instinkte gebündelt und ausgelebt werden dürfen, wo man ungestraft
hetzen, hassen und die Geschichte umschreiben darf?“ Und was antwortet
unser Philosoph? „Da ist ein bißchen was dran.“
Ich würde einfach jetzt mal fragen: Kann es sein, daß die Sache noch
viel einfacher ist? Hat das ziellos wabernde Blöde einen Ort gefunden,
nämlich so ein nußgroßes vorurteilsvolles Illustrierten-Deppenhirn eines
verwöhnten Hamburger Kugelschreiberträgers, der sich mit solchen
Abschüssen anerkennendes Schulterklopfen in der Gesinnungskaserne
erwirbt? Worauf ich als Philosoph antworten würde: Aber das ist doch gar
keine Frage! Die einzig spannende Frage wäre, wann sich dieser Jüngling
und mit ihm die Restmeute neu mit dem Wind dreht. Matthias Matussek
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.