Sonntag, 15. März 2015
Nous sommes Charles
Die Abbildungen auf den Sizilianischen Karren und die Puppenspiele der Pupi siciliani haben beide die Avventiüren Rolands und Karls des Großen im Kampf mit den Sarazenen zum Inhalt, die im Rolandslied als poetischem Widerhall der Reconquista durchphantasiert wurden (als 300 Jahre später ein Wir-Gefühl von Nöten war, um Jerusalem zurückzuerobern) und später im Rasenden Roland noch einmal ironisch zurückblickend in üppigen Bilder wuchern (erneut war ein Wir-Gefühl von Nöten, denn die Türken standen vor Wien).
In Wirklichkeit war es Karl Martell, der die Sarazenen in der Schlacht von Tours und Poitiers zurückschlug, und Karls des Großens Stippvisite später südlich der Pyrenäen war relativ unbedeutend.
Aber am realsten ist nun einmal das, was wir fühlen - egal ob es sich um Schönbergs Pierrot Lunair handelt oder um Märchen aus 1001 Nacht oder um Janitscharen vor Wien oder um Sarazenen nördlich der Pyrenäen. Und so wurde in den höfischen Dichtungen am Hofe Barbarossas und der d'Este aus Karls Stippvisite eine sarazenische Belagerung von Paris: sozusagen die Warnung "wehret den Anfängen" als faszinierende Schreckensphantasie. Reconquista statt Soumission.
Worauf es ankommt, wenn sogar das eigene Verfassungsgericht entscheidet, dass in deutschen Schulen die Kruzifixe von der Wand genommen werden, muslimische Lehrerinnen dagegen ihr Kopftuch aufbehalten dürfen, worauf es ankommt in Situationen wie dieser, ist einzig und allein das Wir-Gefühl und das Anknüpfen. Egal ob an Karl den Großen oder Karl Martell: nous sommes Charles.
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