Stationen

Donnerstag, 2. April 2020

Anfeindung




Ein recht aufschlussreiches Doppel- oder Parallelinterview ereignete sich und trug sich zu im Foyer des Bundestages Mitte März; ich gestatte mir, es zu referieren und ein wenig zu glossieren. Ein Phoenix-Reporter – also ein normaler öffentlich-rechtlicher Kanalarbeiter, nicht der Phönix unter den Reportern – befragte die Abgeordneten Roman Reusch (Schwefelpartei) und Helge Lindh (Schwundpartei) am Rande der Bundestagsdebatte zu "Rechtsterrorismus und Hasskriminalität".

Aufschlussreich war das Gespräch allein insofern, als hier ein Mensch mit jahrzehntelanger themenrelevanter Berufspraxis auf einen reinen Parteifunktionär traf. Reusch, 66, arbeitete bis zu seiner Wahl in den Bundestag als leitender Oberstaatsanwalt in Berlin und wurde, wie die Zeitgeistschrottsammelstelle bereits in der Kopfleiste seines Eintrags mitteilt, als "Hardliner" bezeichnet (er thematisierte als einer der ersten Juristen den exorbitant hohen Anteil von Migranten bei der Jugendgewalt). Lindh, 43, auch hier folge ich der Sammelstelle, studierte "Angewandte Kulturwissenschaften" und danach Soziologie, Germanistik und Geschichte; es folgte ein Studium der Neueren Deutschen Philologie, Germanistischen Sprachwissenschaft, Neueren und Neuesten Geschichte einschließlich Landesgeschichte und Soziologie – wir haben es entweder mit einem veritablen neueren und neuesten Polyhistor zu tun oder mit jemandem, der vieles, aber nichts richtig studiert hat (inwieweit das Germanistikstudium seine Sprachfähigkeit veredelte, wird in dem Interview recht deutlich). Nach dem Studium begann Lindh seine Parteikarriere, außerhalb des Politikbetriebs gearbeitet hat er nie. Soviel vorab.

Das Gespräch beginnt mit der Frage, ob beide persönlich von verbalen oder körperlichen Angriffen auf Mandatsträger betroffen seien, von denen derzeit viel die Rede sei. Als erster ist der Sozi an der Reihe. Er berichtet von Drohungen, Hassbriefen und Beschimpfungen ("Ausgeburt von Inzest"). Wie er darauf reagiere? Es sei für ihn ein "Ansporn, gegen Demokratiefeindlichkeit und Rassismus anzugehen", versetzt Lindh. Er ist also offenkundig der Ansicht, ihn zu beschimpfen sei rassistisch, woraus eine künstlichere Intelligenz als meine folgern würde, dass er von Schwarzen, Chinesen oder Indianern gezaust wird. Aber natürlich hat er nur brav seine verbalen Platzpatronen abgefeuert. (Dass er in der Aufzählung den Antisemitismus vergessen hat, kann der Eyle geschuldet sein oder eben doch mit einer von den Sozis neuerdings heftig umworbenen Klientel zusammenhängen, die das traditionelle SPD-Wählermilieu mählich ersetzen soll.)
Nun also Kamera auf Reusch. Wird er etwa auch angefeindet? "Selbstverständlich", lautet die Antwort. Bereits als Staatsanwalt sei er häufig bedroht worden, "und zwar von Leuten, die man ernst nehmen muss". Diesen feinen Unterschied übergehen wir mal rasch, damit unser sozialdemokratisches Sensibelchen keinen Anspornsverlust erleidet. Angefeindet und bisweilen auch bedroht zu werden, gehört heutzutage ja für jeden viertelwegs Exponierten zum Alltag, aber Hunde, die bellen, beißen bekanntlich selten bis nie. Sogar im Kleinen Eckladen gehen gelegentlich Hassbotschaften ein, sie werden gelesen, korrigiert, meistens befürwortet und schließlich sorgfältig gelöscht. (Wer sich ein Bild davon machen will, wie elanvoll unsereins bereits in Friedenszeiten, also vor der großen Flut, beschimpft wurde, kann hier einige vergnügliche Reaktionen aus der weiland schwulen Szene auf einen Focus-Kommentar lesen.) Das ist alles eher belanglos und im Honorar mitenthalten. Den Rubikon oder die rote Linie markiert der nichtverbale Angriff. Und da kann Reusch mit allen Gründen darauf hinweisen, dass sich die Mehrzahl aller handfesten Attacken gegen AfD-Politiker richtet. Oder wie Nikolaus Fest unlängst konstatierte: Es werden nicht die Häuser von linken Politikern angegriffen, nicht die Autos von Linken "abgefackelt", nicht Gastwirte bedroht, die Linke bei sich tagen lassen. Dergleichen Angriffe richten sich immer gegen AfD-Mitglieder oder -Sympathisanten.
Dazu sagt Lindh kein Wort. Er nimmt im gesamten Gespräch keinerlei Bezug darauf. Weil er es nicht wahrhaben will – oder weil er es im sogenannten Tiefsten seines Inneren irgendwie okay findet? Jedenfalls wird im Weltbild solcher Leute jeder Angriff auf einen AfDler mit einem "Selber schuld" etikettiert und abgetan. Für sie gibt es nur Rechtsextremisten, die verfolgt werden müssen und deren "politischer Arm" (so Lindhs Genosse Michael Roth, Bundestagsabgeordneter und Staatsminister für Europa) bis in die Parlamente reicht.
Der Interviewer mag ebenfalls nicht recht glauben, dass auch Reusch böse Post von den eigentlich Guten bekommt. Sei er wirklich bedroht? Oh ja, das LKA sei gerade vor kurzem wieder mit einer "Gefährdetenansprache" bei ihm vorstellig geworden. Solche Ansprachen richten sich, wie der Name andeutet, an Gefährdete.
Der Interviewer verlangt sodann nach einer Erklärung, woher die neue Aggressivität in der Gesellschaft rühre. Es naht der große Moment des sogen. Geisteswissenschaftlers: Das sei, führt der Sozialdemokrat aus, ein "Ergebnis aus ganz vielen Debatten: Islamdebatte, Debatte über Flüchtlinge", beispielsweise der "Verhetzung", die sein Parteigenosse Thilo Sarrazin im Lande angerichtet habe. Und alles werde verstärkt durch "die Plattformen", die im Netz den "Hass antreiben".
Halten wir hier einen Moment inne. Diese Leute – ich spreche in der Mehrzahl, weil die Lindhs ausschließlich im Plural existieren, einzeln sind sie nichts –, diese Leute meinen oder fingieren es zumindest, dass "Hass" und "Hetze" ihre Ursachen gewissermaßen in sich selbst haben, jedenfalls nicht in der Realität und schon gar nicht im Handeln der "Altparteien" (wie Claudi Roth sie liebevoll nannte, bevor ihr eigener Verein selber eine wurde), und dass man die schlimmen Rechtspopulisten nur aus den Foren und Parlamenten vertreiben müsse, damit der behagliche Burgfrieden der Bundesrepublik der 1990er Jahre zurückkehre.
"Das sind aber nur Medien, die das transportieren", wendet daraufhin der Interviewer weise ein, verfolgt den Gedanken aber nicht weiter, sondern will von Reusch wissen, wie er denn die Attacken außerhalb des Netzes erkläre, zum Beispiel die Angriffe auf Rettungskräfte.
Nach seiner beruflichen Kenntnis sei dafür eine Klientel verantwortlich, "die nicht in erster Linie Müller, Meier, Schulze heißt", versichert der Strafverfolger mit der empirisch fundierten Tollkühnheit eines Beamten, der seine Karriere hinter sich weiß. Das habe vor etwa 15 Jahren begonnen; Feuerwehrleute, Rettungskräfte und Polizeibeamte würden in bestimmten Gegenden als Repräsentanten des Staates betrachtet,und in ihnen werde quasi jener Staat angegriffen, den man ablehne.
Jetzt ist ja wohl höchste Zeit für den Wechsel vom allgemeinen zum persönlichen Rassismusvorwurf! Aber Lindh hat es entweder nicht geschnallt oder er tut so, jedenfalls erklärt er, Reuschs Gruppenbeschreibung sei "kryptisch", es ginge ihm wohl um "linke Kräfte, die staatsfeindlich sind", er aber, Lindh, lasse sich "nicht auf das Spiel ein, links mit rechts zu verrechnen, weil jede Form von Angriffen auf den Staat inakzeptabel ist". Will er deshalb über die Angriffe von links so wenig sprechen wie über die Attacken derjenigen, die noch nicht so lange hier leben? Na was denn sonst! Stracks verlässt er den wankenden Grund der empirischen Realität, um auf die Parlamentsreden der AfD als "Grund der Enthemmung" zu insistieren, wie ja auch der Seismograf am Erdbeben nicht ganz unbeteiligt und wahrscheinlich sogar mitschuldig ist. Erwähnte ich, dass der Bub "Angewandte Kulturwissenschaften" studierte, bevor er sich kühn der Soziologie zukehrte?

Reusch entgegnet in seiner kontruktivismusallergischen Einfalt, dass es zum Geschäft gehöre, "den  politischen Gegner so schwarz wie möglich anzumalen" (Blackfacing!), weshalb er nachdrücklich empfehle, "sich unsere Reden anzuhören"; dann könne jeder selber entscheiden, ob es sich wirklich um Hetze handele. Im Übrigen sei das ein "alter stalinistischer Kampfbegriff", der im Artikel 6, Absatz 2 der DDR-Verfassung von 1949 niedergelegt wurde (als "Boykotthetze"). Reusch räumt ein, dass sein Verein durchaus "mit Leuten zu kämpfen" habe, "denen es gelungen ist, in der AfD unterzukommen", obwohl sie mit ihren Ansichten dort nicht hingehörten; man sei dabei, diese Leute rauszuschmeißen, aber "das dauert eben, weil es rechtsstaatlich zugeht".

Gerade ereilte der Parteiausschluss den Abgeordneten W. Gedeon, Stuttgart, aber Lindh und Genossen werden wohl erst dann Ruhe geben, wenn auch das letzte Mitglied aus der AfD ausgeschlossen worden ist.

Dem Phoenix-Journalisten fällt nun naturgemäß die Hetze der letzten Wochen ein; er erinnert daran, dass die rechte Opposition wahlweise als "Gesindel" (Merz), "giftiger Abschaum" (Wanderwitz) oder "Krebsgeschwür" (Brok) verunglimpft wurde... – ich scherze.
Was ihm tatsächlich einfällt, ist Alice Weidels Rede von "Kopftuchmädchen, alimentierten Messermännern und sonstigen Taugenichtsen". Damit sei ja wohl auch die Parteispitze des verbalen Hooliganismus überführt.
"Ein von Steuergeldern alimentierter Messermann ist aus meiner Sicht tatsächlich ein Taugenichts", versetzt Reusch ungerührt. Aber werde damit nicht die gesamte Gruppe der Einwanderer diskriminiert?, hält der Frager dagegen. Nein, lautet die Antwort, aber "man kann gar nicht so sorgfältig formulieren, dass einem das Wort nicht im Mund umgedreht werden" könne, wenn man es eben nur unbedingt wolle.
Unser Sozi war lange nicht an der Reihe, kommt aber jetzt endlich wieder dran. Das sei ja wohl "der Gipfel des Zynismus und der Verhöhnung", meint der augenscheinlich geübte Gipfel-Identifizierer. Sowohl in solchen Reden als auch in ihrem Antrag zur Grenzsicherung plaziere die AfD nämlich "bewusst bestimmte Topoi, die Bilder erzeugen, und diese Bilder sind blank rassistisch". Na endlich! Nicht nur vom Propheten Mohammed sollst du dir kein Bild machen, auch vom Messermann nicht! Wer diesen Rassismus nicht erkenne, so unser sozialdemokratischer Diederich Heßling, "der ist nicht mit der Fähigkeit der Auffassungsgabe gesegnet". So wie er selber obendrein noch mit der Fähigkeit der Gabe der eleganten Formulierung! Ein paar geniale Auffassungen später widerspricht Lindh seinem Kontrahenten nicht nur überhaupt, sondern "aus voller Überzeugung und Souveränität". Unser vielfach Studierter hat ersichtlich kaum Schwierigkeiten, sich sogar jenseits der Rassismus-Leuchtstreifen durch das semantische Minenfeld der Sprache zu bewegen.

Bis zum letzten Satz tangiert den Sozi der Unterschied zwischen Worten und Taten nicht, er redet von Strafen für "Drohungen", also für Internet-Einträge oder Hassmails, weil er genau weiß, dass Strafen für Taten plötzlich die eigenen Bodentruppen der Neofa ins Spiel brächten. Gut spätsozialdemokratisch ist auch seine Entgegnung auf eine vom Interviewer zitierte Kritik des Deutschen Anwaltsvereins, der neue Gesetzesentwurf der Regierung zur Verfolgung von Hasskriminalität laufe auf 150.000 zusätzliche Verfahren im Jahr hinaus, dafür bräuchte man erheblich mehr Personal: "Es kann ja nicht sein, den Grund, dass wir nicht genug Personal haben, dafür zu nehmen, es nicht zu tun" (also das Gesetz nicht durchzudrücken). "Wir können ja nicht sagen, weil wir Personalmangel in den Ländern haben, bekämpfen wir nicht den Rechtsextremismus." Das ist linke Weltsicht pur: Ob die Voraussetzungen existieren, interessiert nicht, die Ideologie muss durchgesetzt werden. Und es geht selbstredend ausschließlich gegen rechts. Angriffe auf die AfD sind letztlich legitim.

Drei Scholien dazu.
Erstens: "Rassist" ist eine weit üblere, weil ehrabschneidende, stigmatisierende und letztlich zur sozialen Ächtung führende Beleidigung als, sagen wir, "Drecksfotze" (wie Frau Künast beleidigt wurde). Hier ein Beispiel dafür: Ein AfD-MdB, Lehrer, erzählt, was er an der Schule erlebt hat, und wird von Grünen dafür als "Rassist" geschmäht. Womit, nebenbei, das Hauptmotiv für die Verwendung des Schreckwortes erklärt wäre: Es geht darum, unerwünschte Realitäten zu bekämpfen. (Dass tatsächlicher Rassismus empörend ist, war unter Zivilisierten immer ausgemachte Sache.)

Zweitens: Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität hat 84 Verfahren wegen sympathisierender Äußerungen für die Amoktat von Hanau eingeleitet. Die meisten Verfahren werden wegen Billigung einer Straftat geführt. Nur von der Tat und dem Täter selber liest und hört man nichts mehr. Gibt es denn kein endgültiges Ermittlungsergebnis? War der Täter am Ende so irre, dass eine Entschuldigung bei der AfD fällig würde?

Drittens: Die große Stunde der Lindhs wird kommen, lange nach der Coronakrise, wenn der Euroraum implodiert ist, die deutsche Industrie am Boden liegt, die Energieversorgung im Modus Russisches Roulette läuft, die Arbeitslosigkeit bei 20 Prozent liegt und kaum mehr Mittel vorhanden sind, um die Flüchtlinge ruhig zu halten, dann wird das feine begriffliche und logistische Instrumentarium der Neueren und Neuesten Soziologen, Genderisten und Quotenfrauen gefragt sein, "und ich freu mich drauf!" (KGE)   MK

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