Stationen

Freitag, 10. Februar 2017

Retrospektive - #aufschrei


Fast alle Denkmäler, die sie sich am Ende setzten, waren negativ. Meist hatten sie mit irgendeiner Schuld zu tun. Keines dieser Male brachte etwas Schönes zum Ausdruck oder war ästhetisch anspechend. Galt es einer historischen Persönlichkeit, erschien diese möglichst gewöhnlich und klein. Es waren Symbole einer grenzenlosen Sühnewollust und morbiden Verschwindensbereitschaft.


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Am meisten langweilte ihn die ständige Abwechslung.


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"Sehr geehrter Herr Klonovsky,
'Es gibt durchaus gute Gründe, Monarchist zu sein.' Das sehe ich (inzwischen) genauso. Nach dem Sparkassendirektor Köhler, dem Frauen- und Islamversteher Wulff und dem Pfaffen Gauck samt Konkubine im Bellevue muss jeder halbwegs für politische Ästhetik empfängliche Mensch seine monarchistischen Neigungen entdecken. Nun steht uns ein im Hinterzimmer ausgekungelter Bürovorsteher ins Haus.
Vielleicht könnte man auch Erdogan fragen, ob er das Amt des deutschen Bundespräsidenten nicht einfach mit übernehmen will. Reizvoll fände ich auch einen Bundespräsidenten Erdogan in Kombination mit einem Bundeskanzler Schulz. Ich könnte mir gut eine Pressekonferenz mit den beiden vorstellen, wie sie auf goldenen Thronen sitzen und sich von livrierten Lakaien Obstsäfte kredenzen lassen. Fragen der Journalisten wären natürlich nicht zugelassen. Nachher fahren sie sechzehnspännig davon!!
Die Aussicht auf einen ehemaligen Büroleiter als Präsident und einen abgehalfterten Frühstücksdirektor als Kanzler – wer sollte da nicht Monarchist werden!"


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Wegen des Brandanschlags auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen hat das Landgericht Potsdam einen NPD-Politiker zu acht Jahren Haft verurteilt. Einen weiteren Angeklagten verknackte die Staatsschutzkammer als Mittäter zu sieben Jahren Gefängnis. Bei dem Anschlag war im August 2015 eine Sporthalle komplett niedergebrannt. Verletzt wurde niemand, der Sachschaden wird auf 3,5 Millionen Euro geschätzt. Der Vorsitzende Richter sagte in seiner Urteilsbegründung, die Täter hätten eindeutig aus fremdenfeindlichen und rechtsextremen Motiven gehandelt. "Der Anschlag sollte ein Zeichen an die Flüchtlinge sein: Ihr seid hier nicht willkommen, hier ist kein Platz für euch und ihr seid hier nicht sicher", sagte er. Dies sei "eine tiefe Missachtung unserer Rechtsordnung".

Damit sollte als amtlich beglaubigt gelten, was deutsche Politiker in der jüngeren Vergangenheit vielfach forderten: dass Delikt nicht gleich Delikt ist, sondern ein Brandanschlag aus fremdenfeindlichen Motiven schlimmer ist, als derselbe Brand es wäre, wenn er aus schieren materiellen Motiven (Versicherungsbetrug, Missgunst etc.) oder aus noch schiererer pyromanischer Lust gestiftet würde. Interessant wäre die Urteilsbegründung, wenn ein Linksextremist aus fremdenfreundlichen Motiven etwas abfackelte, einen geplanten Abschiebeknast etwa oder eine Station der Grenzpolizei. Oder den Pkw einer schlimmen Politikerin.
Die Höhe der Strafe frappiert desweiteren, weil ja niemand zu Schaden kam, wo doch deutsche Juristen bei Straftaten mit zum Teil erheblichen Personenschäden – Kollateraltote bei illegalen Autorennen, Gruppenvergewaltigungen mit nahezu Todesfolge, schwerste Körperverletzung – gemeinhin weit niedrigere Strafen verhängen und die Schlingel oftmals sogar nur auf Bewährung verurteilen.
Dass die Anwesenheit vieler sogenannter Flüchtlinge, von denen eine hohe Zahl keinen Flüchtlingsstatus besitzt, noch je erlangen wird, mit der Missachtung unserer Rechtsordnung durch Kanzlerin und Regierung zu tun hat, und zwar nicht nur meiner Ansicht nach, sondern auch nach Meinung renommierter Staatsrechtler (etwa hier oder hier), rechtfertigt zwar keine Brandstiftung, sollte aber in eine ausgewogene Urteilsfindung einfließen, zudem es sich bei der verhandelten Straftat ja um "Gewalt gegen Sachen" und nicht gegen Menschen handelte. Der Eindruck einer Gesinnungsjustiz – nicht wegen der Verurteilung, sondern wegen der unverhältnismäßigen Höhe des Strafmaßes – ist schwerlich von der Hand zu weisen. Da wollte oder sollte wohl jemand "ein Zeichen setzen". Ein Zeichen, auf welches gegenüber anderen Tätergruppen weidlich verzichtet wird.

In Wuppertal etwa verübten drei juvenile Palästinenser mit dieselbefüllten Brandflaschen einen Anschlag auf die dortige Synagoge. Das Wuppertaler Amtsgericht verurteilte sie im Februar 2015 wegen versuchter schwerer Brandstiftung auf Bewährung. Strafmildernd wertete das Gericht, dass sich außer dem Anschlag "keinerlei Anhaltspunkte für eine antisemitische Einstellung" der Zündler ergeben hätten. Waren die Schöffen blau? Oder wollte auch hier jemand ein Zeichen setzen? Wieviele Dezibel hätte der #aufschrei erzeugt, der unfehlbar erschallt wäre, hätten deutsche Jugendliche Brandsätze gegen eine Moschee geworfen, und ein Gericht hätte ihnen bescheinigt, außer dem Anschlag auf das Gotteshaus sei bei den Tätern keine islamfeindliche Einstellung erkennbar? (In diesem Falle würde sogar einer unserer couragierten Satiriker das Thema aufgreifen.)

Welche legitimen Mittel stehen nun Bürgern dieses Landes zu Gebote, wenn sie gegen die Masseneinwanderungspolitik der Regierung oder gegen die Unterbringung von Einwanderern in ihrer Straße/ihrer Nachbarschaft/der Schule ihrer Kinder protestieren wollen? "Gewalt gegen Sachen" als Form zivilen Ungehorsams schiede selbstredend auch dann aus, wenn man als Täter bloß strafverfolgt würde wie ein Linksextremist, der Autos abfackelt oder eine Polizeiwache angreift. Wie steht es um das Demonstrationsrecht? Der Bürger muss in Kauf nehmen, von Politikern, also von Menschen, die er mit seinen Steuern finanziert, als "Pack" und "Schande für Deutschland" beschimpft zu werden (geschenkt). Schwerer wiegt, dass ihn auf der Straße der indirekt staatlich alimentierte und direkt durchaus gehätschelte antifaschistische Bevölkerungzorn träfe, mit dem schwarzen Block als Ramme inmitten, wobei auch hier nicht mit einer unnachsichtigen Strafverfolgung derer zu rechnen wäre, die Steine nach ihm würfen oder ihm vereinzelte, aber oft wohl nur dritte Zähne ausschlügen. Also besser daheim am PC protestieren. Allerdings muss unser empörter Bürger genau aufpassen, dass er sich nicht gehen lässt und in Hate Speech verfällt, etwa mehr Abschiebungen und harte Grenzkontrollen fordert (eine Sperre sowie Sanktionen seines Arbeitgebers, seiner Facebook-Freunde, seines Golfklubs, seiner Gewerkschaft drohen!) oder Fake News verbreitet, etwa über kriminelle Flüchtlinge (Strafverfolgung wegen gruppengbezogener Menschenfeindlichkeit droht zusätzlich!). Also besser schweigen.

Unser besorgter Bürger könnte die einzige Partei wählen, die sich in seinem Sinne äußert. Natürlich müsste er auch darüber schweigen, Sie wissen schon, Arbeitgeber, Nachbarn, Freunde, Kollegen, Mitschüler der Kinder und so. Allerdings steht dieser Partei die geschlossene Nationale Front der anderen, etablierten Parteien gegenüber, zusammen mit allen Kirchen, Gewerkschaften, Medien, Verbänden und Räten, das heißt, sie wird, egal welches Ergebnis sie erzielt, ihre Politik nicht durchsetzen können. Und wenn alles nach Plan läuft, findet diese Partei schon bald landesweit keine einzige Halle mehr, wo sie tagen kann, finden die Delegierten eines Parteitags dieser Partei kein einziges Hotel mehr, das ihnen Übernachtungen anbietet, verfügt die Antifa bald über die Adressen sämtlicher Mitglieder und Sympathisanten dieser Partei. Und, wer weiß, man wird ja wohl träumen dürfen, fangen bald die ersten mutigen Ärzte an, Mitgliedern dieser Partei aus Gründen der Menschenrechte die Behandlung zu verweigern.

Tja, besorgter Bürger, was nun? Der Rassismus hat die Seiten gewechselt...

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Weil diese Notate zuweilen gern missverstanden und fehlzitiert werden: Ich träume keineswegs von einem biodeutschen Paradies, im Gegenteil, mich widern viele meiner Landsleute an, auch unter den besorgten Bürgern, zu schweigen von den Mario-Barth- und Dieter-Nuhr-Guckern, von braunen, grünen und roten Zeloten, von feigen Professoren und noch feigeren Generälen, von TV-Troglodyten und Genderisten, von Sohlengängerinnen und all den pfiffig-verheuchelten, zu jedem Verrat bereiten biodeutschen Backpfeifengesichtern in Büros und Redaktionsstübchen, es wäre öde unter ihnen allein.

Wovon ich freilich träume, das ist ein Leben unter Zivilisierten. 


                                                                             ***

"Bist ja selber ein Zelot geworden", höre ich Freund *** flüstern. Sehe ich anders. Nur ein Moralist, freilich nicht im Sinne unserer Zeit, sondern des 18. Jahrhunderts.


                                                                             ***


"Man benötigt zwei Eigenschaften, um ein zufriedenes Leben zu führen: ein schlechtes Herz und einen guten Magen." Fontenelle   MK am 10. 1. 2017


Siehe auch Rivarol und das 16. Jahrhundert.

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