Stationen

Donnerstag, 2. Februar 2017

Es vergeht einem Hören und Sehen

Man mache sich nichts vor: Fast jeder bedeutende Autor der vergangenen zweieinhalb Jahrtausende, von Platon bis Nietzsche, ja von Plotin bis Platen, von Homer bis Goethe, von Shakespeare bis Kleist, von Dante bis Dostojewski, auch Egon Friedell, Karl Kraus oder sogar Thomas Mann gälten, schrieben sie heute, als elitär, chauvinistisch, sexistisch und rassistisch sowieso, kurzum: als "rechts"; kaum ein Verlag würde es wagen, ihre Werke zu drucken; sie könnten nicht vor studentischem oder akademischem Publikum auftreten, ohne mit lautstarken Protesten wegen rechtzeitig ermittelter und verbreiteter schlimmer "Stellen" rechnen zu müssen, und würden bei Preisverleihungen schnöde übergangen. Und beiden Seiten geschähe sogar recht.

(Lieschen vom Asta, sozialwissenschaftlich und gruppendynamisch vom Entelechie-Vollzug befreit, wendet ein: "Aber sie würden doch heute ganz anders schreiben!" Nein, würden sie nicht. Wahrscheinlich nicht einmal Thomas Mann.)                                                        


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Frau Merkel ist für ihren Willkommensstaatstreich geehrt worden. Am Mittwoch erhielt die Kanzlerin dank ihrer "couragierten Flüchtlingspolitik" in Stuttgart am schönen Neckarstrome den Eugen-Bolz-Preis. Eugen Bolz war ein Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Er saß als Abgeordneter für die Zentrumspartei im Reichstag und war bis 1933 Staatspräsident Württembergs. Die Nationalsozialisten ließen ihn wegen seiner Verbindung zur Widerstandsgruppe um Carl Goerdeler am 23. Januar 1945 hinrichten.

Die FAZ meldet: "Bei der Preisverleihung ging es allerdings gar nicht mehr um die Herausforderungen der Flüchtlings- und Integrationspolitik. Fast alle Redner, die Bundeskanzlerin eingeschlossen, beschäftigten sich fast ausschließlich mit der Bedrohung des westlichen Demokratiemodells durch populistische Bewegungen."

Klar ging es nicht um die Flüchtlingspolitik, sogar in der Brust von Politikern sitzt oft noch in irgendeinem Winkel ein Schamrest, der sich gegen die Déformation professionnelle, die komplette Obszönität erheischt, sperrt. Dass an diesem Preis, allen edlen Willkommensbestrebungen zuwiderlaufend, Blut klebt, das Blut der Anschlags-Opfer ebenso wie das der ungezählten von sogenannten Flüchtlingen überfallenen, ermordeten, ins Krankenhaus geprügelten oder bloß vergewaltigten Einheimischen, ist auch unserer fidelen Kanzlerin und ihrer Claque klar. Deshalb zeigen sie lieber mit dem Finger auf andere. Grotesk ist allerdings, dass Merkel und die weiteren Redner ausgerechnet jene zur Bedrohung aufpopanzen wollen, die sich den Gefährdern der Sicherheit unsere Landes entgegenstellen. Die den Tausenden Opfern von eingewanderten Kriminellen eine politische Stimme geben. Die die Plünderung der Sozial- und Rentenkassen zur Alimentierung von Menschen anprangern, die nie etwas eingezahlt haben und dies mehrheitlich nie tun werden. Die eine Trennung von Asyl und Einwanderung fordern, und für Letztere vernünftige Regeln. Und die deshalb vom Establishment den permanenten Attacken der allzeit ungestraft agierenden roten SA ausgeliefert werden.

Merke(l): Wenn es brennt, ist Widerstand gegen die Feuerwehr erste Bürgerpflicht.


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Linksextreme haben am Montagabend das Privathaus des brandenburgischen AfD-Landtagsabgeordneten Thomas Jung belagert. Etwa 30 Personen riefen Parolen und klingelten Sturm. Der Landtagspolitiker war nicht anwesend; nur seine Familie, darunter zwei Kinder, befand sich im Haus. Da ihr Heim in der Vergangenheit schon mehrfach von den üblichen niemals verfolgten Unbekannten attackiert worden war – sie warfen Steine und Farbbeutel gegen das Haus und luden Bauschutt davor ab –, haben sich die Kleinen gewiss routiniert in den Luftschutzkeller zurückgezogen und dort mit der Mama Nazilieder gesungen. Die Privatadresse des Politikers kursiert auf diversen linksextremen Internetplattformen – still! Hören Sie das zufriedene Brummen unseres Justizministers? Ersetzt es nicht vollkommen das eigentlich angezeigte Geräusch eines Polizei-Helikopters?
 
Die Regionalpresse meldete die Zusammenrottung mit gebotener Empathieferne, aber immerhin. Die überregionalen Medien würden sich des Themas wohl erst annehmen, wenn die Kinder, ihr seelisches und sonstiges Heil zu sichern, sich neue, buntere, tolerantere Eltern suchten.


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Der stern vergibt in seiner online-Ausgabe den informellen Couragepreis der Woche an einen "TV-Star" namens Christian Ulmen. Zitat: "Damit hatte der Rechtsanwalt Markus Roscher wohl nicht gerechnet: Er wollte einer Berufsanfängerin eine Chance geben und sie trotz einer eher durchschnittlichen Note in seiner Kanzlei anstellen. Doch dann sagte die Frau ab – und gab als Grund offenbar dessen AfD-Kandidatur an. Dass es tatsächlich Menschen mit Prinzipien gibt, denen nicht egal ist, mit wem sie zusammenarbeiten – darüber war Roscher so fassungslos, dass er den Vorgang auf Twitter schilderte. Wenn er sich davon Zustimmung versprochen hatte, so ging der Schuss wohl nach hinten los."

Weil nämlich unter anderen der erwähnte Herr Ulmen den Tweet verbreitete und mit den Worten kommentierte: "Respekt für eine junge Rechtsanwaltsanfängerin irgendwo in Paderborn! So geht Hoffnung." Und sich waghalsig auch an der weiteren Diskussion beteiligte, wobei er sich, so das Hamburger Magazin, "von Einschüchterungsversuchen des Anwalts nicht irritieren ließ". Obwohl der AfD-Mann auf Ulmens Bemerkung, die Frau werde "künftig sicher nicht mehr auf den Rechtsextremisten-Check" verzichten, "mit drohendem Unterton" (stern) geantwortet hatte: "... dünnes Eis!"

Auf einen wie Ulmen wäre 1933 Verlass gewesen. Auf den stern sowieso. Vielleicht teilen sie sich nächstes Jahr hälftig den Eugen-Bolz-Preis. Sofern Iris Berben oder Serdar Somuncu nicht einen vergessenen Nazi-Autor ausgraben und dessen Werk, unter dem zwischenzeitlichen Ausstoßen von AfD-Beschimpfungen, mutig dem deutschen Ewiggestrigenpublikum vortragen und ihnen die Auszeichnung vor der Nase wegschnappen.


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Die Süddeutsche mokiert sich über Düsterdeutsche, die beim inzwischen polizeilich überführten online-Händler "Migrantenschreck" Waffen gekauft haben, um sich allen Ernstes selber zu schützen (hier). Beziehungsweise, wie die Alpen-Prawda formuliert, "mit Waffen gegen Flüchtlinge" vorzugehen. Etwa wenn sich einer oder mehrere davon nachts in der Hosentasche, der Wohnungstür oder der Frau geirrt haben? Ach was! Passiert doch fast nie! Außerdem: "Migrantenschreck verschickt Waren, die in Ungarn noch legal sind – in Deutschland gehören sie zu den erlaubnispflichtigen Schusswaffen." Weil wir das bessere, demokratischere, zivilere Land sind, also weniger persönliche Freiheiten, weniger Selbstschutz und strengere Regeln für Nichtkriminelle benötigen. "Ohne eine Waffenbesitzkarte", so der Süddeutsche Beobachter, "sind Erwerb und Besitz strafbar. Das liegt auch an der Wucht, mit der die Projektile den Lauf verlassen." Der genüge nämlich, um Menschen tödlich zu verletzen. Illegale Einwanderer sind okay, illegale Waffen nicht. Für die nunmehr von der Polizei ebenfalls überführten Kunden bedeute das: je nach der Heftigkeit des Verteidigungswunsches Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. Das Sicherheitsbedürfnis der Einheimischen ist kein höheres Rechtsgut als der Schutz z. B. von Einbrechern vor Verletzungen oder tödlichen Arbeitsunfällen. "Der Erfolg von Migrantenschreck zeigt", kommentiert das Neue Süddeutschland, "wie leicht sich rechte Hetze" – Polizeiberichte? PKS? Gefängnisbelegungsstatistik? Verurteiltenstatistik? – "zu Geld machen lässt."

Mit einigen der desorientierten Waffenbesteller haben die Rechercheure sogar persönlich gesprochen. Keiner davon ist jemals niedergeschlagen oder vergewaltigt worden (dann dürften er oder sie solche Waffen übrigens auch nicht besitzen). Statt nachts in den öffentlichen Verkehrsmitteln Berührungsängste abzubauen, treiben sich diese Labilen und Verhetzten auf Internetseiten herum, die von der Masi noch nicht gesperrt werden konnten. "Wer Geschichten über 'kriminelle Asylforderer' liest, kauft auch Schusswaffen, um sich vor der vermeintlichen Bedrohung zu schützen", erklärt der Süddeutsche Willkommensbote seiner hoffentlich unbewaffneten Leserschaft die Motivlage dieser Spinner. Im Sortiment des endlich gesperrten online-Versandhändlers befand sich überdies noch ein sogenannter "Antifaschreck"-Revolver. Wenn jemand eine Waffe gegen die Antifa erwirbt, gibt er ja offiziell zu, ein Faschist zu sein, und verdient keine Nachsicht. Außerdem: Mit Gummigeschossen gegen Steinewerfer, das darf ja nicht mal die Polizei!

Bleibt am Ende nur die etwas grillenhafte Frage: Warum haben die ehrenamtlichen Staaatsschützer der Prantl-Prawda nicht auch mal im Milieu der knuffigen Araberclans in Berlin, Gelsenkirchen oder Bremen nach deren illegalen Waffen recherchiert, die gemeinhin stählerne Projektile mit noch etwas mehr Wucht verschießen, als den Gummipatronen der Migrantenschreckschusspistolen verliehen wird? Etwa weil ihnen in diesem Fall nicht einmal eine komplette Firmenlieferung von "Migrantenschreck" mit Journalistenrabatt die Hälschen gerettet hätte?


      
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Späte Genugtuung widerfuhr nun auch der wegen ihres einstigen Chefs jahrzehntelang ausgegrenzten Brunhilde Pomsel, ehedem Sekretärin von Joseph Goebbels. Pomsel sei am Freitag mit 106 Jahren in ihrem Münchner Altenheim gestorben, bestätigte der österreichische Regisseur Christian Krönes, der über sie den Dokumentarfilm "Ein deutsches Leben" gedreht hat. Die alte Dame starb nicht nur pünktlich am Holocaust-Gedenktag, sondern war bis zuletzt "eine scharfe politische Beobachterin" (Krönes). Angesichts des weltweit aufkommenden Rechtspopulismus und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten habe sie ihre Lebenserinnerungen als "Warnung an die heutigen und künftigen Generationen" bezeichnet. Wie schon ihr Dienstherr im Februar 1941 feststellte: "Jenseits des Großen Teiches pflegt man deutschen Ansichten gegenüber, sie mögen noch so bescheiden vorgebracht werden, empfindlich, ja überempfindlich zu sein, wogegen man sich zum Ausgleich dafür das Recht herausnimmt, alles in Deutschland, Personen, Zustände, Vorgänge und Meinungen a priori abzulehnen und nach Bedarf und Laune mit wechselnder Tonstärke anzupöbeln. Es gehört schon ein Riesenmaß an Geduld und Langmut dazu demgegenüber unentwegt zu schweigen." Aber "wie sollte auch ein Präsident der USA, der in seiner Person und in seinem Namen das kapitalistische System in Reinkultur präsentiert, ein Regime lieben, in dem wenigstens der ernsthafte Versuch gemacht wird, die durch die plutokratische Wirtschaftsordnung angerichteten Schäden wiedergutzumachen und zu beseitigen!" (derselbe im Mai 1941).


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Wenn Beethoven heute einer Jury seine eigenen Klaviersonaten vorspielte, man würde ihn schon nach wenigen Takten bitten, diese entsetzlich subjektive, rhythmisch falsche und historisch uninformierte Interpretation abzubrechen und sich besser einen anderen Job zu suchen, vielleicht als Szenenbegleiter an der Berliner Volksbühne.  MK am 2. 2. 2017

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