Stationen

Dienstag, 7. Februar 2017

Konstanten und Variablen

Die konstanteste Konstante blendet Peter Frank geflissentlich aus: damals wie heute sind diejenigen, die uns einen Ring durch die Nase ziehen, haargenau derselbe vitale, unbefangene, intolerante, engstirnige, ethnozentrische, fanatische, brutale, muslimisch sozialisierte, meist arabische Menschenschlag, der schon Himmler, Hitler und Goebbels bei ihren kühnsten utopischen Träumen und geschichtsphilosophischen Phantasien beflügelte. In den 70-er Jahren in marxistisch-leninistischem Gewand, heute wieder im Kaftan.

Eins folgt aus dem anderen




Meine Damen und Herren, nach dem schrecklichen Jahr 2016, das uns nachdrücklich vor Augen geführt hat, dass der islamistische Terrorismus auch vor Deutschland nicht Halt macht, drängen sich Fragen auf: Welche Herausforderungen stellen sich aktuell im Kampf gegen den Terrorismus? Gibt es Erfahrungen aus dem Kampf gegen die RAF, die uns heute nützlich sind? Oder handelt es sich beim islamistisch motivierten Terrorismus um eine gänzlich unterschiedliche Form des Terrorismus?
Auffälligster Unterschied ist der Umstand, dass die RAF den Staat schwächen wollte, indem sie herausragende Repräsentanten des Systems angegriffen und getötet hat. Attentate gewalttätiger Islamisten richten sich demgegenüber gegen sogenannte „weiche Ziele“, gegen jeden von uns.

Islamistische Attentäter begehen Anschläge an Orten, an denen sich Menschen in großer Zahl aufhalten. Sie wollen und können dort mit verhältnismäßig geringem Aufwand Angst und Schrecken verbreiten. Waren in den siebziger Jahren überwiegend prominente Politiker und Wirtschaftsvertreter gefährdet, kann heute jedermann an jedem Ort Opfer eines terroristischen Anschlags werden. Neu ist auch die Vielzahl der Tatbegehungsmodalitäten. Während die RAF sich in den Anfängen auf Brandanschläge beschränkte und – insbesondere im Jahr 1977 – gezielt Geiselnahmen und Morde beging, bei der sie auch vor der Tötung von Polizeibeamten und Unbeteiligten nicht zurückschreckte, ist die Strategie insbesondere des IS komplexer.

Die Anschläge von Paris am 13. November 2015 und von Brüssel am 22. März 2016 haben gezeigt, dass der IS Attentäter gezielt nach Europa geschickt hat, die sich dann mit lokalen Gruppen zusammengefunden haben, um ihre Anschläge vorzubereiten und durchzuführen. Daneben hat der IS aber auch erkannt, dass die Durchführung von Attentaten umso erfolgreicher ist, je dezentraler sie geplant werden. Deshalb müssen wir uns – wie die Geschehnisse in einem Regionalzug in Würzburg, die Terrorfahrt von Nizza, der missglückte Sprengstoffanschlag in Ansbach im Sommer 2016 und auch am Berliner Breitscheidplatz zeigen – darauf einstellen, dass wir es zunehmend mit terroristischen Einzeltätern zu tun haben werden.

Ihre Tatwaffen sind nicht mehr Sprengladungen und großkalibrige Waffen, sondern LKWs, aber auch Messer und sonstige Alltagsgegenstände. Hinzu kommt, dass die Täter zwar durch den IS radikalisiert und auf ihre Taten vorbereitet werden. Am Tatort handeln sie jedoch als Einzelpersonen.

Dies unterscheidet die heutigen Terroristen von der RAF, die straff und hierarchisch organisiert Tatpläne schmiedete und die Tat nach einem genau festgelegten Plan durchführte. Heutige Täter und Tätergruppen sind mobiler, flexibler und durch moderne Techniken nahezu rund um die Uhr miteinander vernetzt.

Ebenso wie von Butz Peters im Vorwort seines Buches „Tödlicher Irrtum“ beschrieben, scheint es bei der RAF wie beim IS so zu sein, dass das Reservoir potenzieller Attentäter unbegrenzt erscheint. Die Zahl der nach Syrien und in andere Krisengebiete Ausreisenden steigt ebenso wie die Zahl der uns bekannten Gefährder kontinuierlich an. Anders als die Mitglieder der RAF, deren Ziel es war, bei der Begehung von Straftaten nicht festgenommen zu werden, kalkulieren die Täter von heute aber ihre Festnahme und gegebenenfalls ihre Tötung bei der Anschlagsbegehung ein. Dies erhöht ihre Gefährlichkeit, denn der eigene Tod ist Teil ihrer Gewaltideologie und wird nicht als Schwächung der Gruppe wahrgenommen.
Heute wie damals stehen wir vor dem Problem, dass wir für eine effektive Verfolgung schwerster Straftaten neben ausreichenden personellen und sachlichen Mitteln auch die notwendigen rechtlichen Möglichkeiten benötigen. Die Ereignisse des Jahres 1977 offenbarten in den Augen vieler, dass der Staat auf die damalige Bedrohung nicht vorbereitet war. Seitdem wurden vielfältige Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozessordnung aufgenommen.

Ein Beispiel ist die Möglichkeit der Überwachung von Telekommunikation. Die Telekommunikationsüberwachung stellte bei der Verfolgung schwerer und schwerster Straftaten lange Zeit einen Eckpfeiler erfolgreicher Ermittlungsarbeit dar. Doch wir müssen uns bewusst sein, dass moderne Terroristen auch moderne Kommunikationsmöglichkeiten nutzen. Die technische Entwicklung hat zwischenzeitlich dazu geführt, dass der für die Strafverfolgungsbehörden auswertbare Anteil an geführter Kommunikation rapide gesunken ist und weiter rasant abnimmt. Aktuell kommunizieren nur noch in weniger als 15 Prozent die Beschuldigten vollkommen unverschlüsselt. Nur diese Kommunikation ist für die Strafverfolgungsbehörden auswertbar. Dass damit ein massiver Verlust an Beweismitteln durch die Telekommunikationsüberwachung verbunden ist, liegt auf der Hand.

Angesichts dessen habe ich gemeinsam mit den Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälten der Länder im November 2016 einen Appell an die politischen Entscheidungsträger gerichtet, eine Anpassung unserer rechtlichen Befugnisse an die modernen Standards der Telekommunikation vorzunehmen. Dabei geht es uns nicht um eine – so hätte es die RAF ausgedrückt – Totalüberwachung. Uns geht es vielmehr darum, die Strafverfolgungsbehörden in die Lage zu versetzen, bei schweren Straftaten die Telekommunikation von Beschuldigten wieder effektiv überwachen zu können.

Um Ihnen die Notwendigkeit effektiver Ermittlungen im Bereich des islamistischen Terrorismus zu verdeutlichen, einige Zahlen zu den in meiner Behörde geführten Verfahren: Im Jahre 2016 wurden in der Abteilung Terrorismus rund 240 Ermittlungsverfahren neu eingeleitet. Davon sind etwa 200 Verfahren, also 85 Prozent, solche mit islamistischem Hintergrund. Zum Vergleich: In den Jahren 2014 waren 60 Prozent, im Jahr 2017 knapp 70 Prozent der Neueingänge solche mit islamistischem Hintergrund. Anfang September 2016 haben wir allein im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien und im Irak 135 Verfahren gegen 190 Beschuldigte geführt. Mehr als 90 Verfahren haben wir zudem an die Staatsanwaltschaften in den Bundesländern abgegeben. Erneut zum Vergleich: Anfang 2014 waren es 5 Verfahren, Anfang 2015 knapp 50 Verfahren gegen rund 80 Beschuldigte. Sie sehen also, dass wir es in den letzten Jahren mit einer erheblichen und konstanten Steigerung der Verfahrens- und Beschuldigtenzahlen zu tun haben.
Eines haben die Täter von damals und heute gemeinsam. So wie die RAF-Mitglieder zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes Banküberfälle begingen und sich illegal Waffen beschafften, so begehen auch die Terroristen von heute nicht nur spektakuläre Anschlagstaten, sondern auch Taten der Allgemeinkriminalität. Sei es, dass sie ihren Lebensunterhalt durch Diebstahls- oder Betrugstaten finanzieren, Drogen konsumieren oder gegen ausländerrechtliche Vorschriften verstoßen. Dieses Verhalten gibt uns – ebenso wie bei den Tätern der RAF – die Möglichkeit, ihrer schon vor der Begehung von Attentaten habhaft zu werden. Dies setzt allerdings den Willen voraus, auch allgemein-kriminelles Handeln effektiv zu verfolgen.
Konsequente Strafverfolgung darf nicht erst nach der Begehung schwerer Straftaten einsetzen. Vielmehr bedarf es deliktsunabhängig einer effektiven Strafverfolgung. Damals wie heute müssen wir unsere Sicherheit und unsere Freiheit verteidigen. Wie 1977 muss der Staat auch 2017 seine Bürgerinnen und Bürger schützen. Die Antwort auf Terrorismus kann jedoch nur eine Strafverfolgung mit rechtsstaatlichen Mitteln sein. Gäben wir diese auf, hätte der Terrorismus gesiegt. Die Bundesanwaltschaft wird – wie bei der Strafverfolgung gegen Mitglieder der RAF – auch bei der Verfolgung des islamistischen Terrorismus diese, und nur diese Mittel anwenden. Auch wenn dies zur Folge hat, dass Taten der RAF bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind.
Dies ist ein Auszug einer Rede vom 25. Januar 2017, die Generalbundesanwalt Peter Frank auf den Publizisten und Rechtsanwalt Butz Peters hielt. Peters hatte Anfang des Jahres sein Buch „1977“ veröffentlicht, in dem er die Geschichte des Deutschen Herbstes detailliert nachzeichnet. Für Cicero untersuchte er in einem Artikel die Rolle der RAF-Anwälte Otto Schily und Hans-Christian Ströbele. Die Februarausgabe des Cicero können Sie hier bestellen.

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