Wenn die Deutschen einmal als Kollektiv vor dem Jüngsten
Gericht stehen, wird man die Karnevalsfeiern und Büttenreden gegen sie
verwenden. Wer eine Veranstaltung wie den "Blauen Bock" oder "Mainz
bleibt Mainz" durchhält, muss in Kauf nehmen, als
personifiziertes Evolutionsdementi behandelt zu werden. Dies generell
vorausgeschickt.
Und als ein Apriori will ich überdies festhalten, dass
Menschen, die einer herrschenden Gesinnung folgen wie die Sardine ihrem
Schwarm, sich völlig normal verhalten; wer sich aber als Aufhetz- und
Anstiftersardine aus dem Schwarm hervortut, indem er die ohnehin
herrschende allgemeine Gesinnung besonders scharf einfordert und sich
gegen jene in Stellung bringt, die sich der Meute bislang noch nicht
angeschlossen haben, ist – völlig unbhängig von der politischen
Ausrichtung – ein keineswegs ungefährlicher Lump.
Man wies mich
auf gewisse Brandreden angelegentlich der Mainzer Fernsehfastnacht hin,
die vor ein paar Tagen zelebriert wurde, und ich sah mir Teile des
prekären Spektakels ganz ohne entomologische Neugier an. Natürlich ging
es wieder gegen Trump, der als Papp-Arschgesicht mit Blondhaar auf der
Bühne stand (dass aber auch keine dieser psalmodierenden
Schießbudenfiguren Lust verspürt, einmal wirklich zu provozieren). Ein
Redner versicherte: "Die AfD ist die Bremsspur in der Unterhose
Deutschlands" und fluchte, einmal in Sportpalaststimmung gekommen, über
die „braunen populistischen Kanalratten". Ein anderer drohte: "In dem
Europa, was wir uns wünschen, habt ihr keinen Platz. Packt Eure Koffer,
ihr Geschichtsfälscher, ihr Kleingartenfaschisten, und macht euch auf
die Reise." So ungefähr müssen Mainzer Büttenreden auch in den
Sündenjährchen 1933 ff. geklungen haben. "Die Mainzer Narren reden
Klartext" schrieb damals vermutlich der Völkische Beobachter und heute ganz sicher die Frankfurter Neue Presse.
"Der Saal dankt mit donnernden Ovationen dem Narren für die klaren
Worte", oh ja, das tut ein Saal, in welchem erhöhter Gesinnungsdruck
herrscht, ganz gern, wenn der Narr seine Freiheit so schnöde
missbraucht. Was man auch als Indiz dafür nehmen mag, dass es sogar mit
der Narrenfreiheit zu Ende ist, aber, ich wiederhole mich, ein Narr von
Geschmack will die Meute nicht johlen sehen, sondern erleben, wie dem
kollektiven Tier die Larven entgleiten und sich Fassungslosigkeit breit
macht...
Was nun die "braunen populistischen Kanalratten" angeht,
da könnte man glatt auf Volksverhetzung assoziieren, wenn Merkel das
Volk nicht gottlob eben abgeschafft hätte. Wer so redet, den gelüstet es
nach Pogromen, der will durchaus Blut sehen... MK am 27. 2. 2017
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