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Montag, 25. Februar 2019

Böckenförde ist gestorben

Böckenförde verkörperte eine am Staat orientierte Verfassungslehre, in der die Verfassung nicht zu einer Verhaltenslehre für das Individuum überhöht wird. Einer zivilreligiösen Lesart des Grundgesetzes (wie sie leider auch auf der Rechten anzutreffen ist) entging er, weil er Rechtsbestimmungen in den historischen Zusammenhang einzuordnen verstand. Böckenförde bestand stets auf der Trennung zwischen Staat und Gesellschaft und kann als Personifikation der Schmitt-Schule in der alten Bundesrepublik (i.e. als die BRD noch jung war) betrachtet werden. Inzwischen sind wir in konfliktreichere Zeiten eingetreten.







Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“
Ernst-Wolfgang Böckenförde: Staat, Gesellschaft, Freiheit. 1976, S. 60.

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