Bundesinnenminister Thomas de Maizière räumt, wie ein
Qualitätsjournalist schreiben würde, ein, dass die Bundesregierung sich
in der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 "von Stimmungen leiten lassen"
habe – so der Minister gegenüber der Bild-Zeitung –, statt
"nüchterner" zu handeln. "Deutschland hätte Bilder von Wasserwerfern
gegen Flüchtlinge nicht ausgehalten", beteuert de Maizière, der nicht
den "Bluthund" (Gustav Noske) geben wollte. Die Regierung hätte rigide
Maßnahmen unter dem Druck der Volksmilde schnell wieder zurücknehmen
müssen, vermutet der Minister, was wiederum eine "Sogwirkung" erzeugt
haben würde.
Merkwürdigerweise gab es ja genau das, eine Sogwirkung, ohne
rigide Maßnahmen, verursacht durch Bahnhofsklatscher,
Kanzlerinnen-Selfies, übergeschnappte Leitartikler und andere
symbolische Schenkelöffnungen, aber es würde auch eine Sogwirkung
gegeben haben, hätte die Regierung der Flut wehren wollen; "Sog, überall
Sog!" (so Hans Sachs im Sog-Monolog, Meistersinger, Dritter Aufzug).
Damit bestätigt de Maizière die Kernaussage aus Robin
Alexanders Buch "Die Getriebenen": Die Merkeltruppe habe aus Gründen
vermuteter Stimmungen im Lande und aus Angst vor "schlimmen Bildern" auf
Grenzsicherung und Schutz der ihr via Amtseid anvertrauten Bevölkerung
verzichtet und das im Nachhinein als ein Gebot höherer Odnung, als
Edelmut, Afrikarettung, Fachpersonalrekrutierung und notwenige
Gesellschaftsverbuntung verkauft.
Bemerkenswert ist an de
Maizières Aussage, dass er den Deutschen eine Mitschuld daran gibt, wenn
in ihren Straßen, Parks und öffentlichen Verkehrsmitteln nunmehr die Darwin awards
eröffnet sind, von denen ein fröhlicher Opportunist im Range eines
Ministers naturgemäß nichts mitbekommt. Lag jener Engländer, der
Deutschland einen "Hippie-Staat" nannte, am Ende gar nicht so verkehrt?
Vermutete
Stimmungen in der Bevölkerung, das ist nun freilich ein sonderbares
Kriterium für politisches Handeln, zumal solche Stimmungen ja sonst kaum
ins Gewicht fallen. Tatsächlich hat die Regierung primär auf Stimmungen in der Öffentlichkeit
reagiert, also in jenem Teil der Bevölkerung, der medial tatsächlich
repräsentiert wird, dem "Überbau", jener bunten, oftmals
staatsalimentierten Gaukler-Welt aus Medien, Parteiapparaten,
Stiftungen, Verlagen, Kulturinstitutionen, Kirchen, Universitäten,
Gewerkschaften etc. pp., dem all jene "Wir sind mehr"- oder "Wir sind
viele"-Krakeeler entstammen, denen heute die Luft dünn wird und bei
denen die Angst wächst vor dem seinerseits wachsenden Erfolg der
Rechtspopulisten, weil die ihnen die Subventionen streichen werden,
sobald sie irgendwo regieren.
Die Regierung handelte im selben
witternden Modus wie beim Atomausstieg. Dass die Stimmung eines durch
und durch parasitären Milieus, dessen Anteil an der gesellschaftlichen
Wertschöpfung ungefähr dem Merkelschen Anteil an der Veredelung der
deutschen Sprache entspricht, dass dieses Milieu die bislang
katastrophalsten Entscheidungen einer Bundesregierung herbeizwingen
konnte, illustriert sehr plakativ, dass die Agenten der kulturellen
Hegemonie und Invasoren des vorpolitischen Raumes von Gramsci bis
Dutschke die richtige Strategie wählten. In medial gelenkten
Gesellschaften herrscht derjenige, der über die Stimmung im öffentlichen
Raum gebietet und die Regierenden zum Apportieren zwingen kann. Dass
sie dabei am eigenen Ast sägen, ist Linken eigentümlich.
Dank der
neuen Medien und dem Aufstieg der Populisten neigt sich diese Herrschaft
europaweit ihrem Ende zu. Das erklärt die Wut und den Eifer, mit dem
die Sachwalter des Status quo die neuen Konkurrenten bekämpfen
und eine Verbotsdrohung nach der anderen präsentieren, ob nun das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz, die Erklärung der einzigen
Oppositionspartei zum Verfassungsschutz-"Prüffall" – wo Landesverrat
Staatsräson ist, wird Rechtstreue zum Verfassungsbruch –, die immer
neuen Denunziationsaufrufe, die immer neuen Anläufe, das Internet zu
kontrollieren und Algorithmen zu entwickeln, die falsche Gesinnungen
aufspüren und automatisch beseitigen sollen. Oder eben das
"Framing"-Papier der ARD, über das Don Alphonso trefflich schreibt:
"Ich
verstehe, warum die Zwangsgebühren-ARD ihr Framingmachwerk nicht in der
Öffentlichkeit sehen will. Es enthält mannigfaltige Hinweise, was diese
Leute hier auf gar keinen Fall über sich lesen wollen. Im Kern ist es
ein Leitfaden zum Trollen. Natürlich ist das Ding voller empörender
Einlassungen, wie sich da eine Pfründenkaste den Bauch pinseln lässt.
Aber ganz ehrlich, wer so etwas nötig hat, hat Angst. Die Angst tropft
da aus allen Zeilen. Angst allein vor den Bezahlern, keine Angst vor der
Politik."
PS: Selbstverständlich ist es vor allem der Sog und weniger der Druck, der die sog. Flüchtlingsströme nach Europa lenkt; der Druck würde sich in die unmittelbaren Nachbarländer verteilen. MK
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