Die ARD besitzt neuerdings ein so genanntes
„Framing Manual“ mit dem Titel „Unser gemeinsamer, freier Rundfunk
ARD“, im Auftrag des Senderverbundes verfasst von der Linguistin
Elisabeth Wehling. Wehling, Jahrgang 1981, forscht nach eigenen Angaben unter anderem zu „Sexismus im zeitgenössischen Film, und Rassismus“ („sexism in temporary movie culture, and racism“),
sie schreibt in Spiegel Online, Huffington Post und Konkret und saß in
der Jury des Deutschen Reporterpreises, vergeben von dem
„Reporterforum“, das ganz wesentlich dazu beitrug, Claas Relotius mit
Preisen zu versorgen.
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte Wehling vor kurzem Tump-Wähler zu Amerikanern, die sich in ihrer Hirnstruktur grundsätzlich von anderen unterscheiden:
„Der
wird Stimmen ernten von Menschen, die sowieso von ihrer Ideologie her
schon im Bereich des eher rechten politischen Spektrums sich bewegen,
das ist vollkommen klar, denn von denen wissen wir unter anderem auch,
dass sie eine größere Amygdala haben, also einen größeren Bereich im
Gehirn, der Angst und Stress und Aggression berechnet.“
Framing
bedeutet im semantisch-politischen Zusammenhang so viel wie: Begriffen
einen Bedeutungsrahmen geben – was ohnehin jeder tut, der redet und
schreibt. Es erzeugt eben fallweise unterschiedliche Bilder, ob jemand
beispielsweise von Migranten spricht, oder generell jeden, der die
Grenze überschreitet und um Asyl bittet, als Flüchtling bezeichnet. Ob
ein Berichterstatter von „Mob“ spricht oder von „Aktivisten“. Oder ob
jemand über die Gehirnstrukturen von Trump- beziehungsweise
Obama-Wählern spekuliert.
Außerdem existiert im Englischen noch eine andere Bedeutung von Framing – dazu später.
Im
Fall des Framing Manual geht es um die ARD selbst, um das Bild des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Etwa zehn Prozent der Haushalte zahlen
trotz Androhung erheblicher rechtlicher Folgen keinen GEZ-Beitrag, sehr
viel mehr sehen die monatliche Gebühr von 17,50 Euro kritisch und
unzeitgemäß. Die öffentlichen-rechtlichen Anstalten möchten allerdings
nicht nur dringend den Geldfluss erhalten, sondern spätestens ab 2021
sogar eine Erhöhung durchsetzen. Der von Wehling verfasste interne
Leitfaden rät im ersten Schritt, alle Kritiker des GEZ-Zahlungssystems
als Antidemokraten („demokratiefern“) zu markieren:
„Einige
Mitglieder unserer Gesellschaft halten sich nicht an unsere
generationenverbindende, demokratische Entscheidung zum gemeinsamen,
freien Rundfunk ARD. Sie stellen damit die Verbindlichkeit
demokratischer Entscheidungen infrage, sie verhalten sich
demokratiefern.“
Bemerkenswert ist, dass der Begriff des autonomen Bürgers in dem ARD-Manual nirgends auftaucht, sondern durch die Wendung „Mitglieder unserer Gesellschaft“
ersetzt wird – was sich in Geist und Inhalt an die DDR-Formulierung
„unsere Menschen“ anlehnt.
Im zweiten Schritt gibt die Broschüre
Hinweise, wie ARD-Mitarbeiter „ihren Mitbürgern“ die Wichtigkeit des
öffentlich-rechtlichen Funks schmackhaft und Kritiker („Gegner“) niedermachen sollen – nämlich in erster Linie mit Moral:
„Wenn
Sie Ihren Mitbürgern die Aufgaben und Ziele der ARD begreifbar machen
und sie gegen die orchestrierten Angriffe von Gegnern verteidigen
wollen, dann sollte Ihre Kommunikation nicht in Form reiner
Faktenargumente daher kommen, sondern immer auf moralische
Frames aufgebaut sein, die jenen Fakten, die Sie als wichtig erachten,
Dringlichkeit verleihen und sie aus Ihrer Sicht – nicht jener der Gegner
– interpretieren.“
Und weiter:
„Wer maximale
Framing-Effekte hervorrufen will, der muss in seiner Kommunikation also
auf moralische Kohärenz achten. […] Wenn eine Institution auf diese
Weise moralisch kohärent kommuniziert, so zeigen empirische Studien,
führt das zu Vertrauen bei den Mitbürgern. […] Das so geschaffene
Vertrauen und die so vermittelte Integrität führen zu einer generellen
und langfristigen Aufwertung der und Anbindung an die Institution in den
Köpfen der Menschen.“
Was dagegen – genau so wie der Begriff
Bürger – noch nicht einmal andeutungsweise auftaucht, ist eine
argumentative Auseinandersetzung mit der Kritik an ARD und ZDF.
Etwa an
der Einseitigkeit, die sich an der Einladungspolitik der vier wichtigen
Talkshows messen lässt. Im vergangenen Jahr rangierte Robert Habeck,
Chef der mit der kleinsten Fraktion im Bundestag vertretenen Partei, mit
13 Einladungen ganz oben im Ranking. Politiker der größten
Oppositionsfraktion, der AfD, brachten es auf drei Auftritte.
Oder an
der als Einzelinterview getarnten distanzlosen Stichwortdarreichung für
Angela Merkel oder Annegret Kramp-Karrenbauer. Wer in Kritikern generell
demokratieferne Gegner sieht, der kommt folgerichtig nicht auf die
Idee, irgendetwas an ihren Ansichten könnte diskussionswürdig sein.
Stattdessen
empfiehlt Wehling der ARD ein diskussionslenkendes wording:
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, so das Manual, sollen „Gemeinwohlmedien“
genannt werden, die gegenüber privaten Medien („kapitalistischen
Heuschrecken“) wahre Unabhängigkeit genießen. Als Motto der
Gemeinwohl-Sender empfiehlt das Manual die Behauptung: „Wir sind deins“.
In einem Interview mit dem Branchendienst MEEDIA erklärte ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab, unter wessen Verantwortung die Idee zu dem „Framing Manual“ entstand:
„MEEDIA: Aber wer hat das Manual konkret in Auftrag gegeben?
Pfab: Wir haben während des Vorsitzes des MDR unter Intendantin Karola Wille angefangen, uns damit zu befassen.“
Karola Wille amtierte von Januar 2016 bis Dezember 2017 turnusgemäß als
ARD-Intendantin. Bei der ARD-Frau, erst Juristische Direktorin des
Mitteldeutschen Rundfunks und seit 2011 Intendantin des Senders, handelt
es sich um eine sehr interessante Führungskraft. Als sie 1991 als
Justitiarin zum gerade gegründeten MDR kam, lag schon eine Karriere als
SED-Genossin und Juristin hinter ihr. Sie promovierte 1984 an der
Universität Jena zum Thema „Der Rechtsverkehr in Strafsachen zwischen
der DDR und anderen sozialistischen Staaten unter besonderer
Berücksichtigung der Übernahme der Strafverfolgung“. In ihrer
Doktorarbeit kam übrigens auch der Begriff Rahmen vor:
„Die Vorzüge des Sozialismus sind auch im internationalen Rahmen umfassend zur Geltung zu bringen.“
Von Jena wechselte sie an die Universität Leipzig, wo sie Medienrecht
lehrte. Dort schrieb sie unter anderem zusammen mit einem
Staatssicherheitsoffizier im besonderen Einsatz eine Zusammenfassung der
„Internationalen Konferenz zu aktuellen Fragen des Revanchismus in der
BRD“, in der es unter anderem hieß: „Im politischen und
ideologischen Arsenal der aggressivsten und reaktionärsten Kräfte des
Monopolkapitals nimmt der Revanchismus einen gewichtigen Platz ein.“
Nach dem Zusammenbruch der SED-Herrschaft wechselte sie kurz in die
Leipziger Stadtverwaltung und von dort in den frisch gegründeten
Mitteldeutschen Rundfunk. Für ihre Rolle in der DDR benutzte sie die
gleiche Formel wie die meisten ehemaligen Funktionäre, die sich darauf
beriefen, nur ein kleiner Teil eines Apparats gewesen zu sein. In einem Interview mit der ZEIT sagte Wille 2012:
„Natürlich
tut mir im Nachgang vieles leid, das in der DDR passiert ist. Ich
persönlich muss mich aber auch fragen: Hast du etwas konkret zu
verantworten, hast du als Juristin einem Menschen persönlich geschadet?
Und da kann ich nur sagen: Nein, das habe ich nicht.“
Auch
im Fall des „Framing Manuals“ kann Wille natürlich darauf verweisen,
nicht die Autorin gewesen zu sein. Und ARD-Generalsekretärin Pfab
betont, kein ARD-Mitarbeiter müsse sich nach dem Neusprech-Leitfaden
richten, er sei selbstverständlich nur eine Anregung.
Obwohl das
Manual aus der Gegenwart stammt, steht es für die gleiche binäre
Weltsicht wie die Schriften Willes aus der Zeit vor 1990: Hier das durch
Moral gerechtfertigte Denksystem, dort der antagonistische Gegner,
dessen Argumente per se nichts taugen können.
Bisher will die ARD das „Framing Manual“ nicht veröffentlichen, obwohl es von Gebührengeldern bezahlt wurde. So weit reicht „Wir sind deins“ eben nicht. Wendt
To frame bedeutet im Englischen übrigens so viel wie hereinlegen. Einen Trickbetrüger nennt man Framing artist.
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