Der Klimawandel ist die große Erzählung des Westens unserer Tage.
Abweichende Erklärungen für Naturkatastrophen und Wetterextreme werden
nicht mehr akzeptiert. Die Folgen sind fatal – vor allem für die
Wirtschaft.
Ich bin 1986 in die Bundesrepublik gekommen. Bald darauf hat Michail
Gorbatschow den Kalten Krieg beendet und das autarke Sowjetsystem
geöffnet. Obwohl ich von Hause aus Naturwissenschaftlerin bin, zogen
mich die politischen und kulturellen Entwicklungen in Russland in ihren
Bann; der damals anschwellende Diskurs über die bevorstehende
Erderwärmung ließ mich zunächst kalt. Apokalyptische Ängste vor der
Gletscherschmelze und der Sintflut sowie die Bemühungen, das globale
Klima durch internationale Verträge zu „retten“, fand ich gleichwohl an
den Haaren herbeigezogen. Das fünfzigjährige Wettrüsten war vorbei, die
Gefahr eines atomaren Konflikts war gebannt, die sowjetischen Truppen
verließen das Gebiet der DDR und die osteuropäischen Staaten. Doch
anstatt mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken, wurden abermals Ängste
vor einem Weltuntergang heraufbeschworen.
Der Mechanismus der Angstproduktion in einer Demokratie und die
dahinterstehenden Interessen waren mir damals nicht geläufig. Heute
glaube ich, meine Naivität hatte unter anderem mit den positiven
Vorurteilen über den Westen zu tun, die bei vielen Osteuropäern in der
Opposition zum eigenen System und im Kontext einer langen
Kulturtradition des prowestlichen Denkens entstanden. Wenn der Westen
für jene, die hinter dem Eisernen Vorhang schmorten, als Vorbild und
Sehsuchtsort erschien, so sollten auch seine Institutionen vorbildlich
und seine Bürger quasi bessere Menschen sein; seine Politiker sollten
nicht lügen und die Medien objektiv berichten. Ich brauchte dann Jahre,
um meine tradierten Vorstellungen auf ein Normalmaß herunterzuschrauben.
Wenn ich heute zurückdenke, war für meine Ablehnung des von
Klimaängsten geprägten Weltbildes neben meinem naturwissenschaftlichen
Hintergrund – ich bin promovierte Biologin in Pflanzenphysiologie – eine
frühere Schlüsselerfahrung von Bedeutung. Mit 17 Jahren war ich eine
aktive Jungkomsomolzin und hielt den Sozialismus für das gerechteste
System der Welt. Dann jedoch lernte ich Menschen kennen, die zu den
„Andersdenkenden“ zählten. In meinem Bewusstsein fand so etwas wie ein
Paradigmenwechsel statt. Alles, woran ich bislang gedankenlos geglaubt
hatte, wurde entweiht und entwertet. Seitdem ist mir das Vertrauen in
Autoritäten, Ideologien, gute Absichten und moralische Argumente
abhandengekommen.
Möglichkeit des Paradigmenwechsels
Im Labor des Instituts für angewandte Geophysik in Moskau, das mein
erster Arbeitsplatz nach dem Uni-Abschluss 1973 wurde, waren Vertreter
unterschiedlichster Fachrichtungen versammelt, die sich mit
Satelliten-Forschung in den oberen Schichten der Atmosphäre, aber auch
mit dem Monitoring der Umweltverschmutzung und Normen für ökologische
Sicherheit beschäftigten: Geowissenschaftler, Biophysiker, Chemiker. Von
ihnen hörte ich zum ersten Mal von einer bevorstehenden
Klimakatastrophe. Allerdings handelte es sich dabei um die Erdabkühlung.
Im Institut konnte ich auch in „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of
Rome lesen, dass bis Ende des 20. Jahrhunderts nichterneuerbare
Ressourcen wie Kohle und Erdöl verbraucht sein würden und nie
wiederkämen.
Darüber sollte uns ein Geologe aus dem Öl- und Gasinstitut im Seminar
berichten. Doch stattdessen hörten wir: Vergesst die Prognosen des Club
of Rome. Erstens beruhen dessen Modelle auf der Extrapolation
gegenwärtiger Tendenzen wie das schon bei Malthus der
Fall war. Und wo ist jetzt euer Malthus? Zweitens, vergesst alles, was
ihr in den Schulbüchern gelesen habt. Die Kohlenwasserstoffe, die vom
Club of Rome zu Grabe getragen werden, haben sich nicht aus der Biomasse
der Lebewesen herausgebildet. Vielmehr befinden sie sich im Erdmantel
in einer Tiefe von 150–300 Kilometern und würden durch enormen Druck aus
dem Erdinneren nach oben gedrückt, wo sie sich unter dichten
Gesteinsformationen sammelten. Alle Anwesenden waren perplex. Die
etablierte biogenetische Theorie behauptet, dass fossile Brennstoffe aus
Pflanzen und Tieren – aus Fossilien also – entstanden seien; die abiogenetische Theorie,
die der Geologe präsentierte, behauptete dagegen, dass sie einen
umgekehrten Weg gingen: nicht von der Erdoberfläche in die Tiefe,
sondern aus der Tiefe nach oben. Daraus folgte: Sie können nicht
erschöpft werden, leergepumpte Lagerstätten füllten sich nach. Wie ich
heute weiß, wurde die abiogenetische Theorie in den 80er Jahren auch im
Westen von Astrophysiker Thomas Gold geprägt, der ausdrücklich auf die
frühere Forschung sowjetischer Geologen verwies.
Für mich gehörte dieser Vortrag zu den seltenen Aha-Erlebnissen, die
mich in meiner Jugend beeinflussten. Man sollte die Möglichkeit des
Paradigmenwechsels, aber auch der Kontingenz immer mitdenken. Der Zufall
kann vermeintliche Sicherheiten zunichtemachen. Man will sich vor der
Erderwärmung schützen, und plötzlich explodiert ein Supervulkan vom
Schlage Tambora
– und 1,5 Grad Abkühlung mit entsprechenden Folgen machen die hehren
Klimaziele zum Treppenwitz der Geschichte. Ändert sich die
Sonnenfleckenaktivität, wie am Ende des 18. Jahrhunderts, fällt der
Schnee im Juli, die Wirtschaft bricht ein – und die „Klimaziele“ werden
übererfüllt.
Wissen ist Ohnmacht
Die Obsession für den Klimawandel ist eine überwiegend westliche
Marotte. Nirgendwo sonst geriet er dermaßen zur Ideologie. Außer in
einigen Entwicklungsländern, weil die internationale Klimapolitik die
„Umverteilung des Weltvermögens“ verspricht. Die Funktion der Ideologien
ist laut Niklas Luhmann,
„das Handeln zu orientieren oder zu rechtfertigen“. Um nicht als bloßer
(Irr)Glaube erscheinen zu müssen, soll sie sich mit Hilfe der
wissenschaftlichen Expertise eine Legitimation verschaffen. Um ihren
ausschließlichen Geltungsanspruch zu untermauern, so Luhmann,
privilegiere „Ideologie eine bestimmte Kausalwirkung von Ursachen und
Folgen“ und neutralisiere „alternative Erklärungsversuche“. Im
Klimadiskurs findet genau das statt: Klimakritische Positionen werden
durch Diskreditierung ihrer Vertreter als „Klimaleugner“ neutralisiert.
Klima-Apokalyptiker dürfen die einzig wahre Meinung ungehindert
verbreiten.
Luhmanns Erklärung verdeutlicht, warum es wenig bringt, mit
wissenschaftlichen Argumenten gegen die Erderwärmung und den
„Klimaschutz“ anzukämpfen. Doch ausgerechnet Schlüsselbegriffe der
Klima-Ideologie führen ihren nichtwissenschaftlichen Charakter vor
Augen. So steht der „Klimawandel“ zugleich für einen Kampf gegen den
Kapitalismus, denn er ist Folge der Wachstumsökonomie, sowie der
Ausbeutung von Natur und Ressourcen der Entwicklungsländer. Vor diesem
Hintergrund fällt der eigentliche Klimawandel, der die gesamte
Entwicklung der menschlichen Zivilisation begleitet und gestaltet hatte,
nicht ins Gewicht.
Laut vorherrschender Lehre findet der Klimawandel infolge einer
steigenden Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2 ) statt.
Aus ideologischer Sicht ist CO2 , dessen Anteil in der Luft eine
verschwindende Größe von zirka 400 Moleküle pro Million Moleküle
trockener Luft ausmacht, viel mehr als eine chemische Verbindung. Das
Problem nur: Auch Methan trägt zum Treibhauseffekt bei und sogar stärker
als CO2 . Doch warum schreit man dann nach Dekarbonisierung und nicht
nach Entmethanisierung? Weil sich Methan nicht so gut mit der Industrie
als Teufelszeug des Kapitalismus verbinden lässt. Es entsteht nicht beim
Verbrennen fossiler Brennstoffe, die ein Feindbild antikapitalistischer
und antiimperialistischer Linker sind, und kommt auch nicht aus den
Auspuffanlagen der Autos. Keine der „erneuerbaren“ Energien, die Atom-
und Kohlekraftwerke ersetzen sollen, hätte die Konzentration von Methan –
und damit dessen Anteil am Treibhauseffekt – mindern können. Für die
antikapitalistische Klima-Ideologie eignet sich Kohlenstoff am besten
und ist als Gegenstand internationaler Verträge unverzichtbar.
Zur Deutungshoheit der Klimawandel-Begriffe gehört auch der Begriff
des „Klimaleugners“, der mit der Verbindung zum Holocaust geframed,
heute als Lobbyist dunkler Mächte an den Pranger gestellt wird. Die
Funktion dieser Wortbildung ist, jede Kritik an dem „menschengemachten
Klimawandel“ zu delegitimieren, sie als bezahlte Interessenvertretung
der Energiekonzerne oder schlicht als rechte Verschwörung zu entwerten.
Die Folgen der „Klimarettung“
Als die bevorstehende Klimakatastrophe vor dreißig Jahren ausgerufen
wurde und die Klima-Ideologie ihre Konturen anzunehmen begann, waren
westliche Industriestaaten so gut wie die einzigen globalen Emittenten
von Kohlendioxid, allen voran die USA. Nun hat sich die Situation ins
Gegenteil verkehrt. Die stärksten Emittenten sind heute Schwellenländer
wie China und Indien, die Bilanz der USA bessert sich zusehends, und die
ganze EU mit 7 Prozent und insbesondere Deutschland mit 2 Prozent von
CO2 fallen kaum noch ins Gewicht. Ungeachtet dieser dramatischen
Verschiebungen tut unsere Politik so, als ob der Westen immer noch der
Hauptsünder sei.
Im Jahre 2011 hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen, der von niemandem gewählt wurde, ein Gutachten mit dem Namen „Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation“
vorgelegt. Darin wird die Richtung, in die es gehen sollte, vorgegeben:
weg von der kapitalistischen, hin zur postmateriellen Gesellschaft, in
der Werte wie Selbstentfaltung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit das
höchste Gut seien. Die Utopie der Weltrettung wurde somit unter dem
Begriff der Prämisse der „großen Transformation“ zum Ziel des
politischen Handelns und zur Staatsräson der Republik.
Weniger als ein Jahrzehnt danach sieht der globale Wertewandel jedoch
ganz anders aus. Die „große Transformation“ entpuppt sich als ähnlicher
Fehlschlag wie einst der „große Sprung“ des chinesischen Diktators Mao.
Wenn dasjenige Land, das 2 Prozent der weltweiten CO2 -Emissionen
freisetzt, dessen Einsparungen von China in einer Woche zunichtegemacht
werden können, den teuersten Strom hat und Schlüsselindustrien für
entbehrlich erklärt, stimmt etwas mit der Wissensgesellschaft nicht.
Längst fängt die Rettung der Welt in Form des „Klimaschutzes“ an, die
Wirtschaft des Landes zu zerstören, ohne dass die Emissionen
zurückgehen. Zugleich erleben wir die Vernichtung der Ökosysteme der
Luft durch Windräder, die Vögel und Insekten abschlachten, die Abholzung
und Entwertung ganzer Landstriche. Klimaschutz ist kein Umweltschutz,
sondern das Gegenteil davon.
Klimawandel ist ein hochideologischer, subversiver Begriff, der eine
Utopie der „Klimarettung“ zum Ziel des politischen Handelns und zum
moralischen Gebot erhoben hat. Nach den Milliarden-Investitionen und
garantierten Subventionen für wirtschaftlich nicht konkurrenzfähige
Erneuerbare Energien bedient sie handfeste Interessen zahlreicher
Profiteure aus der Politik, Zivilgesellschaft und dem mit ihnen
verbundenen öko-industriellen Komplex. Klimaschutz ist ein
Milliardengeschäft und eine Umverteilungsmaschine von unten nach oben,
von den reuigen Europäern an die Eliten der Entwicklungsländer.
In dem Roman „Atlas shruggt“ (1957) der amerikanischen Bestsellerautorin Ayn Rand,
der auf Deutsch „Der Streik“ heißt, verschwinden Unternehmer und
Erfinder auf geheimnisvolle Weise, nachdem die sozialistische Regierung
die Vergesellschaftung der Industrie beschließt. Die Wirtschaft bricht
daraufhin zusammen, die Arbeitslosigkeit schießt in die Höhe.
Eigentlich sollten in Deutschland die Unternehmer gegen die absurden
und ruinösen politischen Vorgaben streiken, anstatt sich Subventionen
abzuholen. Doch für Unternehmen und Gehirne ist es heute viel einfacher,
mit den Füßen abzustimmen, während der „globale Wertewandel“ auf sich
warten lässt.
Ideologie lässt sich nicht wissenschaftlich widerlegen. Sie kann aber
eine Gesellschaft, die sich von ihr leiten lässt, ruinieren. [Sonja Margolina]
Der Text erschien bereits im Rotary Magazin.
Siehe auch Thorwalds Internetseiten
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