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Samstag, 20. Juli 2019

Resümee

Nicht Revolutionäre, sondern konservative Offiziere wagten den Staatsstreich, der den Weltkrieg beendet und die Ehre der deutschen Nation gerettet hätte.

Vor 75 Jahren, am 20. Juli 1944, scheiterte im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ beim ostpreußischen Rastenburg ein Mordanschlag auf Adolf Hitler. Wäre es Oberst Claus Graf von Stauffenberg gelungen, ihn zu töten, hätten Millionen Menschen den Krieg überlebt. Die deutsche Kapitulation und die Wiederherstellung des Rechtsstaates hätten Europa vor den Schrecken der letzten Kriegsmonate bewahrt. Stattdessen kamen zwischen dem 20. Juli 1944 und dem 8. Mai 1945 ebenso viele Menschen zu Tode wie insgesamt in den fünf Kriegsjahren zuvor.
„Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer, dummer Offiziere“, sagte Hitler kurz nach Mitternacht in einer Rede, die über alle Rundfunkstationen verbreitet wurde, „hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen.“ In Wirklichkeit stand hinter dem Putschversuch keineswegs nur eine „kleine Clique“, sondern ein weitverzweigtes Netz von Verschwörern aus den Reihen der militärischen und zivilen Eliten Deutschlands, die ihrem Gewissen folgten. Nach dem 20. Juli wurden mehr als 600 von ihnen verhaftet, 200 wurden hingerichtet, der letzte noch am 23. April 1945. Immer wieder sah sich Hitler die Filmaufnahmen des Todeskampfes der Männer an, die langsam mit Klaviersaiten erdrosselt wurden.
Hitler glaubte, die „Vorsehung“ hätte ihn gerettet, doch es war - so sein Biograf Ian Kershaw - einfach nur „Glück, ein teuflisches Glück.“ Während des Krieges gab es 38 Versuche, ihn zu töten. Abgesehen vom Anschlag Georg Elsers im Bürgerbräukeller wurden alle von Wehrmachtsoffizieren unternommen. Sie scheiterten an Hitlers Gespür für Gefahr sowie an Zufällen jeglicher Art.
Oberst Claus Graf von Stauffenberg - 37 Jahre alt, katholisch, Vater von fünf Kindern - trug sich seit dem Russlandfeldzug mit Umsturzplänen. Die Massenmorde der SS und der Sicherheitspolizei hatten ihn davon überzeugt, dass es keine andere Lösung gebe. Er fühlte sich nicht mehr an den soldatischen Treueid gebunden, sagte einer seiner Freunde, weil Hitler den Eid tausendmal gebrochen hatte. Die Sommeroffensive der Roten Armee und die Landung der Alliierten in der Normandie zwang die Verschwörer zu raschem Handeln.
Im Juli 1944 war Stauffenberg schon dreimal mit Sprengsätzen in der Aktentasche im Führerhauptquartier erschienen. Am Vormittag des 20. Juli hatte er zwei Haftminen dabei, schaffte es unter Zeitdruck aber nur bei einer, den Zeitzünder zu aktivieren - er hatte im Krieg ein Auge, die rechte Hand und zwei Finger der linken verloren. Die Explosion zerstörte den Tisch, über den sich Hitler gebeugt hatte. Er blieb nahezu unverletzt, weil die Druckwelle unter dem Holzfußboden der Baracke entwich.
„Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugungen das Leben hinzugeben“, sagte Stauffenbergs Mitverschwörer Henning von Tresckow. Nach dem Krieg haben die Deutschen den Verschwörern den Heldenmut nicht verziehen, der sich so sehr von ihrem eigenen Mitläufertum unterschied. Ihren Witwen wurden jahrelang die Renten vorenthalten. Nicht besser erging es ihnen in Österreich. Heinrich Kodrés Antrag auf Opferfürsorge wurde wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft abgelehnt. Robert Bernardis und Carl Szokoll wurden erst in den 1980er Jahren geehrt.
Während den Widerstandskämpfern zunächst von rechts die Legitimität ihres Handelns abgesprochen wurde, wurden sie seit den 1960er Jahren zunehmend von links kritisiert. Der Stauffenberg-Biograf Ulrich Schlie erklärt das damit, dass uns heute ihre „Lebenswelt, geistigen Prägungen, Ethos, Unbedingtheit, Patriotismus, auch die Gedankenwelt“ unendlich weit entfernt erscheinen. Einer „kritischen Geschichtswissenschaft“ gelten die Offiziere des Juli 1944 als Reaktionäre. Wer heute ihre Weltanschauung teilte, würde als rechtsextrem abgestempelt werden.   Karl-Peter Schwarz

Der 20. Juli und der Holocaust

So unsympathisch die "kritische Geschichtswissenschaft" auch sein mag, um die Schlussfolgerung, dass Deutschland zu einer Militärdiktatur geworden wäre, wenn das Attentat gelungen wäre, kommen wir wohl nicht herum.
Und so irrsinnig der Kommunismus auch ist, Hut ab vor Elser. Der größte Held unter den Hitlerattentätern war er, denn er agierte völlig allein in totaler Einsamkeit, mit ungeheurem Aufwand und organisatorischer wie körperlicher Anstrengung.

Wenn die Verschwörer des 20. Juli keine Militärdiktatur errichtet hätten und sofort freie Wahlen eingeführt hätten, wären die Nazis vermutlich sofort wieder ans Ruder gekommen.
Nur 5 Jahre später brachte die Demokratie die Nazis dann nicht mehr an die Macht. Pinochet arbeitete in seinen letzten Regierungsjahren immerhin gezielt auf die parlamentarische Demokratie hin. „Zuerst müssen wir den Krieg gewinnen. Aber dann, wenn wir nach Hause kommen, werden wir mit der braunen Pest aufräumen.“ sagte Stauffenberg anfangs, und er stand mit dieser Ansicht im Heer nicht allein. Vielleicht hätte man im Fall des erfolgreichen Staatsstreiches ja nach Jahren einen ähnlichen Übergang zur Demokratie versucht wie Pinochet. Vielleicht hätte man aber auch die Hohenzollern zurückgeholt, denn viele Widerständler des 20. Juli waren nicht nur Soldaten, sondern Adlige. Nicht wenige waren auch Verwaltungsbeamte und Alte Herren der verbotenen Corps. Und diese hatten Sympathien für das Zweite Reich und die schwarz-weiß-rote Trikolore, zumal viele von ihnen Spätgeborene, Söhne alter Väter waren, denen durch ihre Sozialisierung noch die historische Erfahrung des 19. Jhs in die Wiege gelegt worden war. Wahrscheinlich wäre Deutschland heute eine Monarchie wie England, mit einem Hohenzoller statt Steinmeier und schwarz-weiß-roter Fahne.

Einen Nachmittag des 20. Juli habe ich einmal bei Onkel Cor am Starnberger See verbracht. Der kündigte Vati, Mutti und mir an, er werde am Abend eine Dokumentation über den 20. Juli ansehen und sagte angeekelt zu Vati - was der schweigend zur Kenntnis nahm - die Nazis hätten Stauffenberg und seine Verbündeten mit Klaviersaiten aufgehängt. Vati zuckte immerhin zusammen bei dem Gedanken. Es war das einzige Mal, dass jemand in der Nähe meines Vaters gewagt hatte, etwas Negatives über Hitler zu sagen. Es war auch das einzige Mal, dass jemand ihm gegenüber etwas Kluges sagte. Ich war gewohnt, je aufrichtiger man sich in meiner Familie äußerte, desto schrulliger. Schade, dass Cor uns nicht öfter besucht hat. Seine aufrichtige Art war immer Balsam für meine Seele.
Erst Jahrzehnte später - als Vati schon gestorben war - ließ Mutti mich wissen, dass Cor entfernt mit Henning von Tresckow verwandt war.

Aber wir wollen uns am 20. Juli nicht nur an Hitler erinnern. Es war auch der Geburtstag von Petrarca, dem Bergsteiger, der als erster von einer Besteigung erzählt hat, der damals schon, noch bevor die Renaissance Gestalt annahm, als ihr Wegbereiter den Begriff "Mittelalter" prägte und dessen Dunkel beklagte und der in einem Gutachten das Privilegium Maius als Fälschung entlarvte. Der 20. Juli ist auch der Todestag von Marconi, ohne den wir nicht einmal Radio hören könnten, geschweige denn fernsehen oder im Internet surfen.

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