Stationen

Donnerstag, 10. März 2016

Orbáns vollständige Rede vom 28. 2. 2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident Pál Schmitt und seine verehrte Gemahlin! Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident!

Ich wünsche allen Anwesenden, hier in Budapest, und allen Zuschauern vor den Bildschirmen im In- und Ausland einen schönen Sonntag! In dem Buch „Kleine ungarische Pornographie“ – den Jugendlichen sage ich: Esterházy –, können wir lesen, wie eine gute politische Rede sein soll. Die gute politische Rede, sagt dort Genosse Gerő – den Jugendlichen sage ich: '50-er Jahre –, muss von einem Plan handeln, der nicht teuer ist, für großes Aufsehen sorgt und auch dem Volk Freude bereitet.
Worauf der Schriftsteller Tibor Déry ihm antwortet, er möge an den einen Pfeiler der Donaubrücke Mihály Farkas und an den anderen sich selbst aufhängen lassen. Das kostet nicht viel. Es wird für großes Aufsehen sorgen und dem Volk eine Freude bereiten.

Heute sind die Dinge natürlich nicht mehr so einfach. Den Gordischen Knoten der Gestaltung einer guten politischen Rede kann man nicht mehr derart frappant-einfach durchtrennen. Heute reicht es wohl kaum mehr aus, zum Beispiel den Evergreen unter den Fragen, „Wie sollen wir die Kommunisten loswerden?”, aufzuwerfen. Schon allein aus dem Grunde reicht dies nicht aus, weil zwar 26 Jahre vergangen sind, seit die Staatspartei ihr Leck erhalten hatte, doch besteht bis heute kein Konsens darüber, ob wir sie losgeworden sind. Ja, heute scheint allein schon unsicher, was dieses „Loswerden“ bedeuten würde.

 Und es gibt auch hinsichtlich der These von Gáspár Miklós Tamás kein endgültiges Verdikt, ob, wie er es dem ungarischen Sprichwort folgend formulierte, aus dem Hund eine demokratische Wurst geworden sei. Ja wir sind auch in der Hinsicht unsicher, ob dies überhaupt noch sinnvolle Fragen sind? Und wenn sie auch sinnvoll sind, besitzen sie noch eine Bedeutung?

Denn, meine verehrten Damen und Herren, 2,6 Millionen unserer jungen Mitbürger kamen nach dem kommunistischen System auf die Welt, und wenn ich jene auch noch hierher zähle, die im Jahre 1990 höchsten 15 Jahre alt, das heißt noch Kinder waren, dann zeigt sich, dass von den heute in Ungarn lebenden 10 Millionen ungarischen Menschen 4,8 Millionen keine persönliche Erinnerung an den Kommunismus haben.

Oder denken wir nur daran, dass die selbst zerfleischende Frage des „sollen wir emigrieren” von dem Dilemma des „sollen wir im Ausland arbeiten” abgelöst worden ist. Statt den industriepolitischen Fragen des „Landes des Eisens und des Stahls“ pocht die digitale Revolution an unserer Tür.

Anstatt darüber nachdenken zu müssen, wie wir die staatliche Planwirtschaft überwinden können, beschäftigt uns, wie wir über die neoliberale Wirtschaftspolitik hinweg schreiten sollen. Und Kopfzerbrechen bereitet uns nicht mehr, wie wir aus dem COMECON austreten könnten, sondern wie wir unsere nationalen Interessen in der Europäischen Union verteidigen können. Die Zeit ist vergangen, viel Wasser ist die Donau hinab geflossen, wie das Sprichwort sagt. Hier stehen wir, ergraute einstige Teilnehmer am Systemwechsel, etwas bedröppelt.

Wir dürfen uns nicht wundern, wenn Spekulationen um eine Wachablösung oder einen Generationenwandel artikuliert werden. Ja, es gibt sogar eine Oppositionspartei, die gegenüber uns, denen, die den Systemwechsel vollzogen haben, eine Verjüngung fordert. Déjà vu, schöne alte Zeiten. Hierzu sagte bzw. zitierte Ferenc Takler, unser berühmter Winzer, es vielleicht auch auf sich selbst beziehend, nur soviel: „Bevor wir die Fahne der uns nachfolgenden Generation übergeben würden, halten wir sie noch ein bisschen.”

Heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss ich in erster Linie über die Zeit sprechen. Wir überblicken und bewerten das vergangene Jahr, blicken in die vor uns stehenden Monate voraus, deshalb müssen wir vor allen Dinge die Frage beantworten: Wo stehen wir? Wo ist Ungarn, ist das Ungarntum des Karpatenbeckens angekommen? Die Freiheit und die nationale Unabhängigkeit besitzen wir in einer Weise, wie es in den vergangenen hundert Jahren selten vorkam. Unter Willkür und Besatzung haben wir nicht zu leiden. Unsere politischen Führer wählen wir selbst. Das Grundgesetz bietet die Balance für unsere individuelle und gemeinsame Freiheit, legt deren Grenzen fest. Die vom Volk frei gewählten Vertreter beschließen unsere Gesetze. Die Freiheit der Meinung und der Rede ist gegeben, und sich zu vereinigen und zu versammeln ist nicht nur möglich, sondern vorteilhaft, ja auch erwünscht. Eine kompliziertere Frage ist die, wo sich Ungarn in der historischen Zeit befindet?

Wir, die wir die eine Hälfte unseres Lebens im Kommunismus und die andere Hälfte im freien Ungarn gelebt haben, ich zum Beispiel 26 Jahre hier, 26 Jahre dort, wir neigen zu einer Täuschung unserer Sinneswahrnehmungen. Manchmal werden wir dessen gewahr, dass wir unsere Tage auf eine Weise erleben, als lebten wir noch im 20. Jahrhundert, oder in irgendeiner Verlängerung dessen. Dabei sind wir über das erste Siebtel des 21. Jahrhunderts hinweg. Wenn wir uns das 21. Jahrhundert als eine Woche vorstellen, dann befinden wir uns bereits im Dienstag. Die Woche ist noch lang, aber sie hat bereits deutlich begonnen. Oder denken wir daran, dass seit der ersten freien Wahl, seit dem Ende des Kommunismus und der fremden Besatzung, seit 1990 bis heute eine längere Zeit verstrichen ist, als es der zeitliche Abstand zwischen den beiden Weltkriegen war? Haben Sie daran gedacht, dass der Zeitraum nach dem Systemwechsel bereits länger ist, als es der des Horthy-Systems war, und es bedarf nur noch 7 Jahre, und zeitlich überschreiten wir auch die Dauer des Kádár-Systems? Die hohe Zahl der Jahre, die wir hinter uns gelassen haben, fordert von uns, dass wir auch im Rahmen der Dimension der historischen Epochen etwas über die heutige Lage Ungarns sagen. Ich selbst bin einer der vier Abgeordneten, die seit 1990 am öffentlichen Leben Ungarns teilnehmen, das heißt ich arbeite seit mehr als 30 Jahren in der ungarischen und der internationalen Politik. Dies verleiht schon eine gewisse Augenhöhe und berechtigt mich vielleicht und reicht auch dazu aus, um von historischen Dimensionen sprechen zu können.

Doch gibt es hier einen eigentümlichen Umstand, dem wir ins Auge blicken müssen. Wenn wir in der Politik oder im Leben unserer Nation die bürgerliche Epoche als Ziel bestimmen, müssen wir bedenken, dass solch ein Ziel kein Gegenstand im Raum ist, weshalb es keine berechenbaren Entfernungen gibt. Es ist schwierig, ja unmöglich die Frage zu beantworten, welchen Abschnitt wir dieses Weges bereits zurückgelegt haben. Wir können sagen, dass wir an der Mitte des dritten Regierungszyklus’ angekommen sind, jedoch nicht, was für einen Anteil diese 10 Jahre an der bürgerlichen Epoche ausmachen. Kolumbus wusste auch nicht, als er inmitten des Atlantischen Ozeans segelte, dass er sich damals gerade auf halber Strecke befand. Auch wir wissen es nicht, vielleicht lohnt es sich auch gar nicht, uns unsere Köpfe darüber zu zerbrechen, ob wir am Fünftel oder an der Hälfte unseres Weges angelangt sind. Ich erinnere mich daran, so war es auch in der Mitte der '80-er Jahre, in den letzten Jahren des kommunistischen Systems. Niemand wusste, wie lange die Agonie des Kádár-Systems andauern würde, wie lange es dauert, bis wir die Welt der Freiheit und Unabhängigkeit erreichen. Wir wussten nur, jetzt geht es. Jetzt geht es, jetzt hat es einen Sinn, mutig zu kämpfen, jetzt kann man handeln, der Rest liegt in der Hand des Herren der Geschichte. So wie es Bismarck, der Deutschland begründende Kanzler es lehrte, der Mensch wartet ab, bis er die Schritte des Herrn im Durcheinander der Geschehnisse hört, dann muss er aber dorthin springen und den Saum des göttlichen Gewandes ergreifen. Das ist alles, was wir tun können. Dies sehe ich auch heute. Jetzt kann man handeln, man kann schöpferisch sein, jetzt hat es einen Sinn, mutig zu sein, ausdauernd weiterzugehen, zielstrebig und selbstbewusst voranzugehen. Denn jetzt wird das, jetzt kann das aufgebaut werden, was wir für das bürgerliche Ungarn, die bürgerliche Einrichtung, die national-christliche Epoche, für Ungarn halten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn wir keine Angst davor haben, anderthalb Jahrhunderte zurückzublicken, zurück ganz bis zum Ausgleich, dann werden wir sehen können, dass beinahe 50 Jahre notwendig waren, damit wir unter die erfolgreichen europäischen Länder gelangen konnten. Innerhalb von 50 Jahren haben wir ein Wunder vollbracht. Aus Budapest – ich begrüße den Oberbürgermeister – haben wir eine Stadt gemacht, dass die Welt zum Staunen hierher kam. Die Industrie befand sich im Höhenflug, die Landwirtschaft erlebte ihre Blütezeit, in dem multinationalen Ungarn überschritt der Anteil des ungarischen Volkselements die 50 Prozent, trotz all unserer Probleme waren wir auch stark, gebildet und wohlhabend. Und wenn es dem Wiener Hof nicht schwindlig geworden wäre und nicht auch uns mit sich in den Krieg hineingerissen hätte, wer weiß, wozu wir hier in der Mitte von Europa fähig gewesen wären. Hier und jetzt ist nur soviel wichtig, dass es uns innerhalb von 50 Jahren gelungen war, unsere beste Form zu bringen. Wenn wir unsere heutige ungarische Welt hiermit vergleichen, dann sind wir dort noch nicht angekommen, denn bisher hatten wir nicht 50, sondern nur 26 Jahre zur Verfügung. Unsere heutige Situation könnten wir auch mit dem Maßband des Horthy-Systems bestimmen. Doch ist dies eine gefährliche Sumpflandschaft, ein feuchtes, morastiges und albtraumhaftes Moor, man vermeidet es besser. Soviel können wir aber feststellen, dass wir trotz Landesverlust, Verstümmelung und Weltwirtschaftskrise wieder auf die Beine gekommen sind, obwohl wir an der Taille zersägt worden waren, wuchsen neue Triebe, wir erreichten herausragende diplomatische, militärische und wirtschaftliche Erfolge. Unser pro Kopf gerechnetes Nationaleinkommen lag über dem von Spanien, Irland, Finnland und Portugal, von Polen, Jugoslawien und Rumänien ganz zu schweigen. Und obwohl der Krieg, der Weltkrieg diese Epoche unterbrach und unter sich begrub, können wir soviel aber feststellen, dass 21 Friedensjahre zu wenig waren, um jenes Talent und jene Leistung aufzubieten, zu der wir uns auf Grund der vorhergehenden Epoche in der Lage zu sein glauben konnten. In der Zeit des Kommunismus waren wir weder frei noch unabhängig, wir gingen wie die Zwerge umher, jene Leistung, die wir damals im Überleben, in Lebenskraft und im Lebensinstinkt zeigten, ist kein Maß für das heutige freie und unabhängige Ungarn. Das kommunistische System trägt nur mit einer weiteren Frage dazu bei, wo wir denn heute stehen. Dies ist das wichtigste, bitterernste Rätsel unseres Lebens. Wenn wir 45 Jahre lang in den Wald hineingehen, wie lange dauert es, um wieder aus ihm hinauszugelangen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Was unsere 26 Jahre nach 1990 angeht, so müssen wir mit der überraschenden Tatsache beginnen, dass wir zu Beginn der '90-er Jahre plötzlich noch viel stärker hinter der westlichen Hälfte Europas zurückblieben. Das heißt stärker als früher. Dabei war auch aus Ungarn eine Demokratie und Marktwirtschaft geworden. Eine ebenso niederschmetternde wirtschaftshistorische Tatsache ist, dass alle Länder der Region die sich aus dem Beitritt zur Union ergebenden wirtschaftlichen Möglichkeiten ergriffen hatten, die einzige negative Ausnahme war Ungarn. Es ist schwer, eine Erklärung dafür zu finden, wie wir, Ungarn, derart töricht sein konnten. Während die anderen aufstiegen, gab es bei uns Verschuldung, Kredite in Devisen, Haushaltsdefizit, galoppierende Inflation, Leistungsbilanzdefizit, steigende Arbeitslosigkeit. Schließlich den finanziellen Zusammenbruch, das Halsband und die Leine des IMF, Schuldknechtschaft. Wenn Sie erlauben, dann würde ich jetzt nicht erneut darauf eingehen, denn ich habe dies schon so oft getan, wie im Laufe von drei Jahren diese bürgerlich-christliche Regierung mit einer neuen Wirtschaftspolitik und einer neuen Nationalpolitik das Land aus dieser aussichtslosen und erschütterten Lage herausgeführt hat. An dieser Stelle möge genügen, dass wir innerhalb von drei Jahren den Haushalt konsolidiert, die Wirtschaft stabilisiert, den Staatsbankrott vermieden, die Inflation gebremst, die Arbeitslosigkeit gesenkt haben, und zwar auf beachtliche Weise, von 11,5% auf 6,2%. Wir haben den IMF nach Hause geschickt, haben seinen Kredit vor seiner Ablauffrist zurückgezahlt und dieses Jahr zahlen wir auch den letzten Heller an die Europäische Union zurück.

Summa summarum haben wir im Jahre 2014 mit dem Wachstum unserer Wirtschaft von 3,7% die Phase der Stabilisierung abgeschlossen und einen neuen Abschnitt eröffnet. Wir haben einen fliegenden Start hingelegt und haben mit dem Aufschließen der Wirtschaft begonnen. Insgesamt sind wir dort angelangt, dass wir die Chance zu einem erneuten Aufschließen von historischer Bedeutung zurückerlangt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Glauben Sie nicht, glauben Sie es nicht, dass das erfolgreiche wirtschaftliche Aufschließen eine einfache, leichte und häufige Sache sei. Ganz im Gegenteil: Es ist selten wie ein weißer Rabe. In den vergangenen 50 Jahren gelang es weniger als 10 Ländern, unter die entwickeltesten zu gelangen. Weniger als 10 Ländern in den vergangenen 50 Jahren. Wie immer es sich auch gestalten wird, soviel können wir jetzt schon sagen, es ist uns gelungen, für uns eine Bahn zu öffnen.

Wir haben die Einkommenssteuer innerhalb von 5 Jahren von 35% auf 15% gesenkt, haben im Laufe von 5 Jahren 1.300 Milliarden Forint bei den Familien gelassen. Wir haben die Nebenkosten um 25% gemindert und im Laufe von 5 Jahren ist der niedrigste Lohn in Ungarn auf sein Anderthalbfaches angestiegen. Dies haben wir gemeinsam erreicht, der Staat und der Markt, die Regierung und der Geschäftssektor, die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, die ungarischen Mikro-, Klein- und mittleren Firmen sowie die ungarischen Tochtergesellschaften der globalen Firmengruppen. Wir haben dies gemeinsam erreicht und gemeinsam können wir hierauf stolz sein. Die ungarischen Reformen funktionieren. Und dieser Kampf und diese Zusammenarbeit werden in den folgenden Jahren, ja in den kommenden 20 Jahren notwendig sein. Arbeit, Investition, Vertrauen, Unterstützung, und dann kann Ungarn eine nach oben führende Bahn beschreiten.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist jede klassenkämpferische Politik beschränkt und töricht. Vergeblich treten sie in neuer Verkleidung aus dem Kommunistischen Manifest, dem Kapital von Marx oder aus den Bänken irgendeiner modischen linken Universität hervor, wir müssen sie auf das Entschiedenste zurückdrängen, und man muss sie mit der gemeinsamen Kraft der Anhänger des gesunden Menschenverstandes selbst noch von der Umgebung des Regierungssteuers fernhalten. Statt infantiler Träumereien, klassenkämpferischer Romantik, dem Aufeinanderhetzen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, der Kleinunternehmen und Großfirmen ist die Vereinigung, das Zusammenwirken, die Abstimmung der Interessen notwendig. Und hierzu wird eine große, stabile Volkspartei, und eine Regierungsarbeit nötig sein, die wie eine Volkspartei den Interessen der Menschen dient.

Wo stehen wir nun? Vieles ist schon geschehen, und vieles muss noch geschehen. Ein großer Teil der Umformung des Wirtschafts-, Verwaltungs-, Bildungs-, Gesundheits-, des kulturellen sowie des Landgutsystems ist geschehen. Wir haben die Renten und die Rentner verteidigt, die Familien über unsere Kräfte hinausgehend unterstützt. Wir haben die öffentliche Ordnung wiederhergestellt, haben der Polizei ihre Selbstachtung wiedergegeben, haben auch unser System der Terrorabwehr und des Katastrophenschutzes aufgebaut. Wir haben unsere Schulen und unsere Krankenhäuser gerettet. Die Kommunen, die als Träger der Schulen und der Krankenhäuser fungierten, waren 2010 bankrott geworden. Dies ist eine einfache wirtschaftliche Tatsache, man muss kein Atomwissenschaftler sein, um dies einzusehen. Wenn der Träger bankrott ist, dann sind es auch die von ihm getragenen Institutionen. Und dies ist auch dann wahr, wenn hierfür weder die Lehrer noch die Ärzte verantwortlich waren. Die Regierung hat eine Schuldenlast von 1.264 Milliarden Forint von den Schultern der inzwischen in die Knie gegangenen Kommunen abgenommen. Jene, die heute angesichts der Schulden der KLIK in der Höhe von einigen Milliarden von einem Weltende faseln, müssen sich keine Sorgen machen. Wenn wir es mit dem IMF haben aufnehmen können, wenn wir das Problem der Schulden der Kommunen von mehr als 1.200 Milliarden Forint haben bewältigen können, dann wird uns auch eine KLIK nicht überwältigen. Wir sicherten für die medizinische Grundversorgung im Vergleich zu 2010 um 40% mehr Geld. Wir haben die Wartelisten um die Hälfte gekürzt. Wir haben mehr als 500 Milliarden Forint für die Entwicklung unserer Krankenhäuser aufgewendet. So etwas werden wir im Laufe unserer Geschichte wohl kaum finden. In der überwiegenden Mehrheit der Krankenhäuser auf dem Lande erwarten die Kranken Zustände des 21. Jahrhunderts. Doch in Budapest gibt es Probleme, die Errichtung eines neuen, großen hauptstädtischen Krankenhauses ist notwendig.

Insgesamt kann ich sagen, dass wir für die Arbeit der Lehrer und der im Gesundheitswesen Beschäftigten danken und diese anerkennen. Sie haben Recht, auch wenn die Lohnerhöhungen kontinuierlich und bedeutend sind, sie sind nicht ausreichend. Es mag nur ein magerer Trost sein, dass es heute in Ungarn beinahe im Falle eines jeden Berufes so aussieht. Das, was Ungarn heute mit gutem Gewissen und nüchternem Verstand auf sich nehmen kann, ist, dass in jedem Jahr ein jeder einen Schritt nach Vorne machen kann. Die Länge der Schritte, das heißt das Maß und den Takt der Lohnerhöhungen zwängt die jeweilige Leistung der Wirtschaft zwischen Schranken. Auch ich ziehe es vor, wenn Klartext gesprochen wird. Ich unterstütze nur eine solche Lohnerhöhung im staatlichen wie auch im privaten Sektor gleichermaßen, aber ich dränge auf jene nachdrücklich, die durch die Wirtschaft gedeckt ist und hinter der die wachsende Leistung der ungarischen Wirtschaft steht.

Und damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir bei der wichtigsten Frage der folgenden Jahre angelangt. Das gegenwärtige Maß des Wirtschaftswachstums ist nicht ausreichend und auch seine Beständigkeit ist nicht gesichert. Dies ist aus dem Grunde so, weil die ungarische Wirtschaft noch immer nicht in ausreichendem Maße wettbewerbsfähig ist. So ist zum Beispiel die ungarische Landwirtschaft, auf die wir so stolz sind und deren Leistung in den vergangenen Jahren historische Rekorde aufstellte, auch heute lediglich dazu in der Lage, aus einem Hektar Ackerland nur 48% des Ertrags zu erwirtschaften, zu dem die Europäische Union in der Lage ist. Und ich könnte solche Beispiele reichlich auch aus der Industrie anführen. Hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit muss noch vieles geschehen: Steuersenkung, Abbau der Bürokratie, lebensnahere Berufsausbildung, schnellere Rechtssprechung, Digitalisierung, bessere Organisation, neue technologische Stufen, eine höhere betriebliche und Geschäftskultur. Es wird noch genügend Arbeit auch im restlichen Zeitraum der Legislaturperiode geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident!

Wenn wir in der Politik die Frage gestellt bekommen, wo wir sind, dann denkt ein jeder automatisch an die Zeit und nicht an den Raum. Dies scheint natürlich, denn kein Land kann seine Siebensachen zusammenpacken und sich einfach auf den Weg machen. Notwendigerweise ist es an seinem Ort, es ist dort, wo es ist, und wird auch dort bleiben. Jedoch ist die Politik, besonders die internationale Politik, eine komplizierte und listige Angelegenheit. Es kommt vor, dass Länder etwas verschoben werden, sagen wir um 200 Kilometer, wie die Polen. Obwohl dies für das Europa der Friedenszeit nicht charakteristisch ist. Und wir kennen natürlich auch den Witz, der schon einen Bart hat, nachdem Ungarn das einzige Land auf der Welt ist, das an sich selbst grenzt, und das sogar rundherum. Doch kann in der Weltpolitik ein Land seinen Ort auch so verändern, dass in der Zwischenzeit sich seine Grenzen überhaupt nicht bewegen. Wir sind zum Beispiel von der sowjetischen Armee besetzt worden, und innerhalb eines Augenblicks waren wir vom Westen in den Osten gekommen. Später sind sie hinausmarschiert und wir fanden uns erneut im Westen wieder. Die Frage ist also nicht unberechtigt: Wo ist Ungarn heute im weltpolitischen Raum? Anscheinend vergehen vergebens Jahrhunderte, es gibt Dinge, die beständig sind. Wir sehen Fixsterne, an denen wir die Lage unseres eigenen Schiffes ausrichten können. Im Westen ist die Welt der das Deutsche sprechenden Völker der Boden der eisernen Kanzler. Im Osten die Reiche der slawischen Soldatenvölker, die hundertfach größer sind als wir. Im Süden die gewaltigen Menschenmassen des Halbmondes, das Summen des nie versiegenden Wespennestes. Auch heute sind dies unsere drei Punkte zur Ausrichtung: Berlin, Moskau, Istambul, genauer Ankara. Wir neigen dazu, zu vergessen, dass Bosnien von unserer südlichen Grenze aus nur 70 Kilometer entfernt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Ungarn können nur dann unabhängig sein, können nur dann in Freiheit leben, können nur dann die Bahn beschreiten, die ihnen ihr Talent und Fleiß vorzeichnet, wenn keine einzige Großmacht ihr Feind ist, genauer: Wenn alle drei gleichzeitig an der Unabhängigkeit und der wirtschaftlichen Entwicklung Ungarns interessiert sind. Dies bedeutet nicht, dass wir immer in allem mit ihnen übereinstimmen müssen. Oder dass wir gleichzeitig mit allen dreien ein Bündnis eingehen müssten. Dies können nur kindliche Gemüter annehmen. Dies pflegen nur jene Politiker zu denken, die sich ständig abspalten wollen, sich unter die Achselhöhle eines größeren, wärmeren Körpers zurückziehen möchten, doch von ihnen können wir wohl kaum eine dem Interesse der Nation dienende Innen- und Außenpolitik erwarten. Selbstverständlich gibt es Zeiten, und es gab solche Zeiten in unserer Region, als kriegerische Winde wehten, und sich die Politik auf die Frage „wer ist mit wem“ reduziert. Wenn solche raue Jahreszeiten anbrachen, hatten wir immer das Nachsehen. Wir sind an ihnen krank geworden, und es kam auch schon vor, dass wir die letzte Ölung erhalten sollten. Dies sind kranke Zeiten, voller Fieberträume. Man träumt in solchen Zeiten von Hyänen, von Geiern, die ihre Runden über dem Land drehen, Ausgesiedelten, Flüchtenden, von Hunderttausenden in Todeslager Verschleppten. Deshalb ist es das eherne Gesetz der ungarischen Außenpolitik, dass wir, Ungarn, am Frieden interessiert sind. Es mag sarkastisch und ironisch klingen, doch ist es wahr: Unser Platz ist im Friedenslager. Der gleichen Logik entspringt auch, dass wir uns weder in antideutsche, noch antirussische und auch nicht in antitürkische internationale Aktionen hineinzerren lassen dürfen. Es ist nicht von ungarischem Interesse, sich jenen internationalen Aktionen anzuschließen, die respektlos, beleidigend sind und das Nationalgefühl des einen oder des anderen Landes verletzen. Mal wegen seiner traurigen Rolle im Zweiten Weltkrieg, ein anderes Mal weil es nicht das Vorbild der westlichen Demokratien befolgt, und ein weiteres Mal, weil es statt des ihm verweigerten Beitritts zur Europäischen Union nach einer regionalen Führungsrolle in einem Raum mit muslimischer Zivilisation strebt, mit all deren politischen Konsequenzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Vergangenheit Deutschlands kann man nicht ändern. Moskau könnte, selbst wenn es das wollte, nicht die Freiheit in den Mittelpunkt seiner Politik stellen, denn in seinem Kopf und in seiner Geschichte überragt alles andere die Notwendigkeit des Zusammenhaltens der riesigen Gebiete. Und dennoch, warum wollen wir die Türkei mit unserem sensiblen politischen Zollstock messen, anstatt anzuerkennen, dass es trotz seines islamischen Fundaments gewaltige Energien zu seiner Verwestlichung mobilisiert? Nein, meine lieben Freunde. Die selbstherrliche, großspurige, auf eine moralische Überlegenheit aufbauende Politik, die so verlockend und in der westlichen Hälfte des Kontinents häufig so beliebt ist – und manchmal auch jenseits des großen Teichs – ist nicht unsere Politik, ist nicht unser Weg und ist auch nicht in unserem Interesse. Frieden, Zusammenarbeit, Handel, gegenseitige Investitionen, eine regionale Balance unseres Interesses, Einsetzen für unsere Interessen – dies sind die Grundpfeiler der ungarischen nationalen Außenpolitik. Und ich weiß, dies ist schwieriger und komplizierter, als sich unsichtbar am weichen, warmen und haarigen Rücken eines Wirtstieres zu verstecken, doch ist es sicherlich unserer tausendeinhundertjährigen Geschichte im Karpatenbecken würdiger.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Und jetzt möchte ich begründen, warum ich all dies erzählt habe. Kurz gesagt aus dem Grunde, weil jetzt all dies gefährdet ist. Gefährdet ist die mit Schweiß erarbeitete finanzielle Stabilität. Gefährdet ist unser gerade erst begonnenes wirtschaftliches Aufschließen. Gefährdet ist unsere sorgfältig aufgebaute nationale Außenpolitik. Gefährdet ist die wiederhergestellte öffentliche Ordnung und die terrorfreie öffentliche Sicherheit. Und gefährdet ist auch unsere sich langsam selbst wieder findende Nationalkultur. Ja, nicht nur das ist gefährdet, was bereits existiert, sondern auch das, was noch entstehen kann. Die Perspektive. Die Möglichkeit der viel versprechenden Zukunft. Auch die sich bereits gerade entfaltende und erweiternde Möglichkeit für unsere Kinder zu einem europäischen Leben.

Der Name der Gefahr lautet: Völkerwanderung. Ich bin davon überzeugt, dass es auch in 100 Jahren einen europäischen und einen ungarischen Geschichtsunterricht geben wird. Ich gehe kein großes Risiko ein, wenn ich sage, 2015 wird eine Jahreszahl in den europäischen Geschichtsbüchern sein, die die zukünftigen Schüler sich werden einprägen müssen. Und zwar als den Beginn eines neuen Zeitalters. Das Jahr 2015 hat jene Zeit beendet, in der wir die Geschütztheit und die Sicherheit Europas für bare Münze nehmen konnten, weil wir in dem Glauben sein konnten, dies hänge nur von Europa ab. Wir haben bereits vor einem Jahr – zum gleichen Anlass – darauf aufmerksam gemacht, dass eine neuzeitliche Völkerwanderung begonnen hat. Wir sind auf das Heftigste kritisiert worden, unsere Freunde, Verbündete und Rivalen haben uns gleichermaßen verspottet und uns Beleidigungen an den Kopf geworfen. Doch ist es in Wirklichkeit so bestellt, dass die neue Völkerwanderung eine historische Tatsache ist. Niemand, der über einen gesunden Verstand verfügt, leugnet dies heute noch. Warum gerade wir? Genauer gesagt: Warum haben dies als erste gerade die Mitteleuropäer erkannt? Dies mag zahlreiche Ursachen haben, vielleicht sogar mehrere auf einmal. Vielleicht die Stürme und Erschütterungswellen der Geschichte. Vielleicht die schweißtreibenden Auseinandersetzungen nach dem Systemwechsel. Vielleicht die Erfahrung, dass man auf der Hut sein muss, weil immer etwas passieren kann, so wie es auch so oft geschehen ist, das unsere Pläne unerwartet und irreparabel ruiniert. Wir, Mitteleuropäer, wenn wir auch voranschreiten, so tun wir dies nicht, ohne von Zeit zu Zeit unsere Ohren an die Gleise zu halten, ob nicht irgendein verdächtiges Brummen zu hören ist, aus dem wir die Gefahr, die Klangfetzen des außerhalb des Fahrplanes sich nähernden Zuges des Übels heraushören können. Im Westen waren die vergangenen 50-60 Jahre anders, ganz anders. Erfolgreicher Aufschwung, planbare Zukunft, gut ausgetretene Pfade, stabile Schienenpaare, zuverlässige Fahrpläne. Für uns erscheint dies manchmal schon als eine Traumwelt. Eine solche, in der sich Ideologie, Wunschtraum und wirkliches Leben miteinander vermischen. Eine wohlhabende, sichere, freundliche Welt, in der die Eindeutigkeit sich auflöst, in der die Grenzen verschwinden. Die Grenzen zwischen Nation und Nation, Kultur und Kultur, Mann und Frau, Gut und Böse, dem Heiligen und dem Profanen, Freiheit und Verantwortung, gutem Willen und Handeln verwischen sich. Das, was ist, und das, was sein sollte, fließt ineinander über. Als wäre der Sinn für die Wirklichkeit stumpf geworden und abhanden gekommen. Unser Sinn für die Wirklichkeit ist hingegen scharf und kalt, wie der nüchterne Verstand oder der Wind in der Fastenzeit. Wir haben gelernt, dass die Wirklichkeit das ist, was auch dann nicht verschwindet, wenn ich nicht mehr daran glaube. Deshalb gehen wir immer von der Wirklichkeit aus und aus diesem Grunde verwechseln wir sie nicht mit unseren Wunschträumen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das zweite und dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts werden die Jahrzehnte der Völkerwanderung sein. Ein Zeitalter ist angebrochen, auf das wir nicht vorbereitet waren. Wir hatten geglaubt, derartiges könne nur in der fernen Vergangenheit oder in den Geschichtsbüchern vorkommen. Dabei können viel mehr Menschen als jemals zuvor, eine die Zahl der Gesamtbevölkerung des einen oder des anderen europäischen Landes übersteigende Masse sich in den folgenden Jahren Richtung Europa auf den Weg machen. Es ist an der Zeit, der Wirklichkeit ins Auge zu blicken! Es ist an der Zeit, das voneinander zu trennen, was ist, und das, was wir gerne hätten, wenn es wäre. Es ist an der Zeit, die Illusionen, die noch so erhabenen Theorien, die Ideologien und die einer Fata Morgana gleichenden Träume loszulassen.

Die Wirklichkeit ist, dass in zahlreichen europäischen Ländern in der Tiefe schon seit langem mit behäbiger Beharrlichkeit die Welt der Parallelgesellschaften ausgebaut wird. Die Wirklichkeit ist, dass diese, gemäß der Ordnung der Natur, unsere Welt und mit ihr zusammen auch uns, unsere Kinder und unsere Enkel zurückdrängt. Die Wirklichkeit ist, dass die hier Ankommenden nicht im Geringsten die Absicht haben, unsere Lebensweise zu übernehmen, da sie ihre eigene als wertvoller, stärker und lebensfähiger ansehen als unsere. Warum sollten sie diese auch aufgeben? Die Wirklichkeit ist, dass man mit ihnen nicht die in den westeuropäischen Fabriken fehlenden Arbeitskräfte ersetzen kann. Die Tatsachen zeigen, dass die Arbeitslosigkeit unter den nicht in Europa Geborenen über Generationen hinweg, auf eine die Generationen übergreifende Weise viel höher, ja um ein Mehrfaches höher liegt. Die Wirklichkeit ist, dass die europäischen Nationen nicht einmal jene Massen zu integrieren in der Lage gewesen sind, die Schritt für Schritt, im Laufe von Jahrzehnten aus Asien und Afrika gekommen waren. Wie könnte dies nun so schnell und im Falle einer derart großen Masse funktionieren? Die Wirklichkeit ist, dass wir die unleugbar vorhandenen Bevölkerungsprobleme des an Einwohnern abnehmenden und immer älter werdenden Europa mit Hilfe der muslimischen Welt nicht werden lösen können, ohne unsere Lebensweise, unsere Sicherheit und unsere Identität zu verlieren. Die Wirklichkeit ist, dass wenn wir nicht bald entschlossen handeln, dann wird die Spannung zwischen dem alternden Europa und der jungen muslimischen Welt, zwischen dem säkularen, ungläubigen Europa und der immer engagierteren muslimischen Welt, zwischen dem selbst die Arbeitskraft seiner eigenen ausgebildeten Jugendlichen nicht beschäftigen könnenden Europa und der ungenügend ausgebildeten muslimischen Welt nicht mehr beherrschbar sein. Nicht in einem entfernten, deshalb für uns ungefährlichen Gebiet, sondern hier im Herzen Europas.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist für die europäisch Elite noch nicht zu spät, um die Worte von General De Gaulle zu verstehen: „Die Politik muss auf der Wirklichkeit aufbauen. In der Politik ist es gerade die Kunst, dass wir im Interesse eines Ideals nur durch die Realitäten handeln können.” Und die Realitäten sind historischer, kultureller, demographischer und geographischer Natur. Vielleicht ist es nicht zu spät, um zu verstehen, dass die Realitäten nicht die Schranken der Freiheit sind. Dabei, was wir jetzt lernen, geht es darum, dass es gegenüber der Wirklichkeit keine Freiheit geben kann, sondern höchstens ein politisches Delirium und einen politischen Kokainrausch. Wir bauen unsere Welt vergeblich aus dem Wunsch nach den edelsten Idealen auf, denn wenn sie nicht auf dem Boden der Realitäten steht, dann kann sie nur ein Wunschtraum bleiben. Entgegen der Wirklichkeit gibt es weder ein individuelles noch ein gemeinschaftliches Glück, sondern nur Fiaskos, Enttäuschung, Verbitterung, schließlich Zynismus und Selbstzerstörung. Vielleicht irren aus diesem Grunde so viele liberale Politiker auf Brüssels Straßen umher, die ein besseres Schicksal verdient haben, über eine erhabene Geistigkeit verfügen und unglücklich sind. Ganz gleich ob es uns gefällt oder nicht, die Völkerwanderungen sind niemals friedlicher Natur. Wenn große Massen eine neue Heimat suchen, dann führt dies unvermeidlich zu Konflikten, denn sie wollen solche Orte besetzen, an denen andere Menschen bereits leben, sich eingerichtet haben und die ihr Heim, ihre Kultur und ihre Lebensweise beschützen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Geschichte hat unsere Tür aufgestoßen, hat die Grenzen Europas, die europäische Kultur und die Sicherheit der Bürger Europas unter Belagerung genommen. Obwohl die Notsituation nicht das differenzierte Denken begünstigt und noch weniger die subtilen Gefühle, müssen wir wohl kaum auf die Migranten böse sein. Die Mehrheit von ihnen ist selbst ein Opfer. Ein Opfer der zusammenbrechenden Regierungen ihrer Heimatländer, Opfer der schlechten internationalen Entscheidungen, Opfer der Menschenschlepper. Sie tun das, von dem sie annehmen, es stünde in ihrem eigenen Interesse. Das Problem ist, dass wir, Europäer, nicht das tun, was in unserem Interesse steht. Um das zu beschreiben, was in Brüssel geschieht, gibt es kein besseres Wort, als „absurd“. Es ist so, als ob der Kapitän des vor einer Kollision stehenden Schiffes nicht den Zusammenstoß vermeiden wollte, sondern damit beschäftigt wäre, festzulegen, welche Rettungsboote die Nichtraucherboote sein sollen. Als ob wir, anstatt das Leck dicht zu machen, darüber diskutieren würden, wie viel Wasser in welche Kabine fließen solle.

Meine lieben Freunde!

Die Völkerwanderung kann man sehr wohl aufhalten. Europa ist eine Gemeinschaft von einer halben Milliarde Menschen, von 500 Millionen Menschen. Wir sind mehr als die Russen und die Amerikaner zusammengenommen. Die Lage Europas, sein technologischer, strategischer und wirtschaftlicher Entwicklungsgrad ermöglicht es ihm, sich zu verteidigen. Es ist schon schlimm genug, dass Brüssel nicht in der Lage ist, den Schutz Europas zu organisieren, doch noch viel schlimmer als dies ist, dass Brüssel hierzu selbst die Absicht fehlt. In Budapest, Warschau, Prag und Pressburg fällt es uns schon schwer zu verstehen, wie wir dorthin gelangen konnten, dass es überhaupt eine Option werden konnte, dass der, der von einem anderen Kontinent und aus einer anderen Kultur hierher kommen möchte, ohne Kontrolle hereingelassen werden kann. Wie konnte in unserer Zivilisation der natürliche und elementare Instinkt abgebaut werden, uns, unsere Familie, unser Heim, unseren eigenen Boden zu verteidigen?

Dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es was zu verteidigen! Europa ist das Zusammenleben der christlichen, freien und unabhängigen Nationen: Gemeinsame Wurzeln, gemeinsame Werte, gemeinsame Geschichte, geographisches und geopolitisches Aufeinanderangewiesensein; die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Freiheit und Verantwortung, fairer Wettbewerb und Solidarität, Stolz und Demut, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit; dies sind wir. Dies ist Europa! Europa ist Hellas und nicht Persien, Rom und nicht Karthago, Christentum und nicht das Kalifat. Wenn wir dies sagen, dann gibt es darin keinerlei Rangordnung, sondern nur einen Unterschied. Zu sagen, dass es eine selbständige europäische Zivilisation gibt, bedeutet noch nicht, dass sie besser oder schlechter sei. Es bedeutet nur soviel, dass wir dies sind, und ihr seid jenes.

Vor einigen Jahren schienen diese Gedanken für uns alle offensichtlich zu sein. Vor einigen Jahren schien es hierin zwischen uns einen Konsens zu geben. Vor einigen Jahren schien Ordnung zu sein: Eine auch uns gefallende Ordnung in den Köpfen und den Herzen der führenden europäischen Politiker. Nacheinander erklärten sie, der Multikulturalismus sei tot. Vor einigen Jahren konnten wir noch glauben, sie hätten eingesehen, dass ihre Länder nicht in der Lage sind, die in Massen ankommenden Einwanderer in die Rahmenbedingungen ihres eigenen Lebens einzufügen. Doch 2015 hat sich alles verändert: Das frühere Einvernehmen zerfiel in seine Bestandteile. Mit der Geschwindigkeit der Gravitation sind wir in jenes geistige Chaos zurückgestürzt, aus dem wir uns hatten befreien wollen. Ohne jede Vorwarnung erwachten wir eines Morgens mit den Klängen der „Willkommenskultur”. Wir hören von den führenden europäischen Politikern, dass wir helfen müssen. Von den höchsten Posten regt man uns an, solidarisch zu sein und zu helfen.

Meine lieben Freunde!

Das ist doch selbstverständlich. Auch wir tragen anstelle unseres Herzens keinen Stein mit uns herum. Aber auch anstelle unseres Gehirns keinen Stein. Wir erinnern uns an das wichtigste Gesetz der Hilfeleistung: Wenn wir hier helfen, dann kommen sie hierher, wenn wir dort helfen, dann bleiben sie dort. Anstatt dies einzusehen, begann man von Brüssel aus die in dem ärmeren und unglücklicheren Teil der Welt lebenden Menschen zu ermuntern, sie sollten nach Europa kommen und ihr eigenes Leben gegen etwas anderes eintauschen. Die halbe Welt, aber zumindest halb Europa zerbricht sich abendlich am Küchentisch den Kopf darüber, was passiert sein mag, was dahinter steckt. Langsam wird jede europäische Familie über eine eigene Erklärung verfügen. Auch ich will hierin nicht nachstehen. Ich habe den Eindruck, dass in Brüssel und einigen europäischen Hauptstädten sich die politische und geistige Elite als Weltbürger definiert, im Gegensatz zu der national gesinnten Mehrheit der Menschen. Ich habe den Eindruck, die führenden Politiker sind sich dessen auch bewusst. Und da es keine Chance gibt, dass sie sich ihrem Volk verständlich machen könnten, versuchen sie erst gar nicht, mit den Menschen zu sprechen. Wie man das bei uns gesagt hatte: Sie wissen es, sie wagen es und sie tun es. Und dies bedeutet, dass das tatsächliche Problem sich nicht außerhalb Europas findet, sondern innerhalb Europas. An erster Stelle wird die Zukunft Europas nicht durch jene gefährdet, die hierher kommen möchten, sondern durch jene politischen, Wirtschafts- und geistigen Führer, die Europa entgegen den europäischen Menschen umzuformen versuchen. Auf diese Weise kam die bizarrste Koalition zwischen den Menschenschleppern, den zivilen Rechtsschutzaktivisten und den europäischen Spitzenpolitikern mit dem Zweck zustande, um planmäßig viele Millionen Migranten hierher zu transportieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Bis auf den heutigen Tag lassen wir ohne Kontrolle und ohne Auswahl Hunderttausende von Menschen aus Staaten herein, mit denen wir uns im Kriegszustand befinden, und auf deren Territorium auch Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an militärischen Aktionen teilnehmen. Wir hatten nicht einmal den Hauch einer Chance, die Gefährlichen herauszufiltern. Auch heute haben wir keine Ahnung darüber, wer ein Terrorist, wer ein Krimineller, wer ein Wirtschaftseinwanderer ist und wer tatsächlich um sein Leben rennt. Es fällt schwer hierfür ein anderes Wort zu finden als „Irrsinn“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe uns zusehende ungarische Bürger!

„Der Frühlingswind lässt das Wasser ansteigen“, so heißt es in dem ungarischen Volkslied, doch anscheinend lässt er auch die Flut der Einwanderer anschwellen. Uns stehen ermüdende, nervenaufreibende Wochen und Monate bevor. An unserer Südgrenze nimmt der Druck immer weiter zu. Die Brüsseler Unfähigkeit verursacht ein immer größeres Chaos. Die Länder des Balkan sind in eine Kneifzange geraten: Vom Süden her schieben die Griechen, vom Norden lockt der deutsche Sirenengesang die viele Tausende umfassende Massen. Wir müssen uns auf alle Eventualitäten vorbereiten: Wir geben den Balkanländern Menschen, Grenzwächter, technische Instrumente, Maschinen, weil sie in Wirklichkeit die Grenzen Europas beschützen, und so lange sie durchhalten, verteidigen auch wir unsere Grenzen leichter. Wir wissen dies seit Hunyadi im 15. Jahrhundert. Wir vertrauen auf unseren Erfolg, doch ist dies allein zu wenig, wir müssen auch unsere eigenen Verteidigungslinien verstärken. Der Schutz frisst das Geld geradezu nur so auf: Er hat bisher etwa 85 Milliarden Forint gekostet, und wir können uns nur auf uns selbst, unseren Sparstrumpf verlassen. Ich habe neue militärische Einheiten an die Grenze geschickt, habe den Bereitschaftsdienst in den Komitaten Csongrád und Bács anordnen lassen, habe den Verteidigungs- und den Innenminister angewiesen, sie sollen den Aufbau der Schutzlinien an der ungarisch-rumänischen Grenze vorbereiten. Die Polizisten und die Soldaten haben bisher hervorragend gearbeitet, Dank gebührt ihnen hierfür! Sie haben sich auch jetzt dazu verpflichtet, alles zu tun, wozu sie in der Lage sind, und was menschenmöglich ist. Dies könnte jetzt aber zu wenig sein. Das Land erwartet ein Ergebnis, eine auf stabile Weise geschützte Grenzlinie. Unsere leitenden Beamten bei Militär, Polizei und Terrorabwehr müssen diese Aufgabe lösen. Wenn es notwendig werden sollte, werden wir uns von Slowenien bis zur Ukraine entlang der gesamten Grenze schützen. Wir werden es Brüssel, den Menschenschleppern und auch den Migranten beibringen, dass Ungarn ein souveränes Land ist: Sein Territorium kann man nur auf die Weise betreten, wenn unsere Gesetze eingehalten werden und man unseren Ordnungskräften gehorcht. Die Verteidigung unserer Südgrenze wird nicht ausreichen, wir müssen auch auf einem anderen Kampfschauplatz bestehen. Zum Glück ist dies nicht das Schlachtfeld der Soldaten, sondern das der Diplomaten.

Meine lieben Freunde!

Wir müssen Brüssel aufhalten. Sie haben sich in den Kopf gesetzt, die nach Europa hereintransportierten Einwanderer unter uns zu verteilen. Verpflichtend, mit der Kraft des Gesetzes. Dies nennt man verpflichtende Ansiedlungsquote. Solch eine unglückliche, ungerechte, unlogische und rechtswidrige Entscheidung hat man in Hinblick auf 120.000 Migranten bereits getroffen, entgegen dem Beschluss des Rates der Europäischen Ministerpräsidenten. Die durch die Ministerpräsidenten vertretene nationale Souveränität negierend, austricksend und umgehend haben sie ein Gesetz durch das Europäische Parlament annehmen lassen. Diesen Beschluss stellen wir infrage und kämpfen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union dafür, damit er für nichtig erklärt wird. Der Appetit kommt beim Essen, anscheinend nicht nur in Ungarn, sondern auch in Brüssel. Deshalb wollen sie jetzt auch ein für jeden Einwanderer und jedes Mitgliedsland verpflichtendes, ständiges und kontinuierliches Verteilungssystem ausbauen.

Meine lieben Freunde!

Deutlich erkennbar besteht die Union aus zwei Lagern: Einerseits den Unionisten und andererseits den Souveränisten. Die Unionisten wollen die Vereinigten Staaten von Europa und die verpflichtende Ansiedlungsquote, die Souveränisten wünschen das Europa der freien Nationen und wollen nichts von irgendeiner Quote hören. Auf diese Weise wurde die Essenz und das Symbol unserer Zeit die verpflichtende Ansiedlungsquote. Sie ist auch an sich wichtig, doch vereint sie in sich all das, wovor wir Angst haben, was wir nicht wollen und was das Bündnis der europäischen Völker aufspalten könnte. Wir dürfen es nicht zulassen, dass sich Brüssel über die Gesetze erhebt. Wir dürfen es nicht zulassen, dass es die Konsequenzen seiner unvernünftigen Politik auf jene ausbreite, die jedes Abkommen und jedes Gesetz eingehalten haben, so wie wir das getan haben. Wir dürfen es nicht zulassen, dass sie uns oder wen auch immer dazu zwingen, die bitteren Früchte ihrer verfehlten Politik zu importieren. Wir wollen und wir werden keine Kriminalität, keinen Terrorismus, keine Homophobie und keinen Antisemitismus nach Ungarn importieren. In Ungarn wird es keine Stadtviertel geben, in denen das Gesetz nicht gilt, es wird keine Unruhen, keine Einwandereraufstände, keine angezündeten Flüchtlingslager geben und es werden keine Banden auf unsere Ehefrauen und Töchter Jagd machen. In Ungarn werden wir schon die Versuche im Keim ersticken und konsequent Vergeltung üben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir werden unser Recht nicht aufgeben, selber zu entscheiden, mit wem wir zusammenleben möchten und mit wem nicht. Deshalb müssen jene, die mit der Idee der Quote in Europa hausieren gehen, zurückgeschlagen werden und aus diesem Grunde werden wir sie zurückschlagen. „Ohne Risiko gibt es kein Wagnis” – so lautet der Pester Kalauer, und wir müssen tatsächlich all unseren Mut zusammennehmen. Wir müssen ihn zusammennehmen, denn zum größeren Ruhm der europäischen Demokratie müssen wir der Zensur, der Erpressung und Drohungen ins Auge blicken. Das Buch des ungarischen Justizministers wird in den belgischen Buchhandlungen eingesammelt, die Presse einiger Mitgliedsstaaten verbreitet offensichtlich Lügen. Der Ton gegenüber Ungarn ist schroff, grob und aggressiv. Hinzu kommt noch, dass man uns auch noch mit finanzieller Vergeltung droht, indem sie sagen, sie unterstützen uns, und wir sind undankbar. Sie denken auf die Weise, wie der naive Priester, den man darum bat, bei der Behebung der Besitzunterschiede mitzuhelfen. „In Ordnung”, sagte er, „wir teilen uns dann die Arbeit. Ihr überredet die Reichen, damit sie Spenden geben, und ich überrede die Armen, dass sie die Spenden annehmen.” So stellen sie es sich vor, die Wirklichkeit ist aber, dass wir einander nichts, keinen einzigen Heller schulden. Ungarn hatte nach 45 Jahren Kommunismus in einem entkräfteten, ausgebluteten, wettbewerbsunfähigen Zustand und an Kapitalknappheit leidend seine Tore für die westlichen Firmen geöffnet. Hiervon profitierten alle: So viel Geld, wie es die Europäische Union hierher gesandt hat, haben die westlichen Firmen auch von hier hinausgenommen. Wir sind quitt, es gibt nichts, dass wir einander vorwerfen könnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Und schließlich, wie sollen wir das Brüsseler Manöver der Ansiedlungsquote aufhalten? Ich schlage vor, dass wir uns auf die Urquelle der europäischen Demokratie, auf den Willen des Volkes stützen. Wenn es wahr sein sollte, dass die Menschen die heutige schlafwandlerische Einwanderungspolitik Brüssels nicht wollen, ja sogar gegen diese sind, dann sollten wir ihrer Stimme und ihrer Meinung einen Platz einräumen. Schließlich ruht die Europäische Union auf den Pfeilern der Demokratie. Dies bedeutet, dass wir nicht über die Köpfe der Menschen hinweg, gegen den Willen der Menschen Entscheidungen treffen dürfen, die ihr Leben auf schwerwiegende Weise verändert. Deshalb werden wir in Ungarn die Volksabstimmung durchführen. Es geht dabei nicht um die bereits entschiedene und durch Ungarn vor dem Gericht angegriffene Quote, diese ist die Vergangenheit. Bei der Volksabstimmung geht es um die Zukunft: Wir rufen die Bürger Ungarns gegen die verpflichtende Ansiedlungsquote des neuen europäischen Einwanderungssystems ins Feld, die im März auf der Tagesordnung stehen wird. Wir sind davon überzeugt, dass Brüssel nicht einmal in seinem gegenwärtigen Zustand seine eigenen Ideale übergehen kann. Es kann sich nicht gegen das europäische Volk wenden. Die Europäische Union darf nicht eine Art „Sowjetunion Reloaded“ sein. Wir, Ungarn, werden Europa entgegen all seiner Schwäche, seiner Abnahme und seines Schwankens nicht verleugnen und werden es auch in seinem durch Platzangst ausgelösten Schwindel nicht allein lassen. Wir sind Bürger jenes historischen und spirituellen Europa wie Karl der Große, Leonardo, Beethoven, König Ladislaus der Heilige, Imre Madách oder Béla Bartók. Unser Europa ist auf christliche Fundamente aufgebaut, und wir sind stolz darauf, dass es die Entfaltung der Freiheit des Geistes und des Menschen verwirklicht hat. In Europa denken viele Menschen viel Verschiedenes. Es gibt Menschen, die an das Ideal von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit glauben, und es gibt auch solche, die an die Dreiheit von Gott, Heimat, Familie sowie an das künftige Reich von Glaube, Liebe, Hoffnung. Doch keiner von uns kann wollen, ganz gleich zu welcher Richtung wir auch gehören, dass unser Europa vor einer andere Moralvorstellungen und andere Sitten kämpferisch fordernden, künstlich in unsere Richtung gelenkten, wasserfallartigen Menschenflut in die Knie gehen soll. Wir glauben nicht, dass Europa sich zu diesem Schicksal verdammt, wir glauben nicht, dass es wählen wird, unserer tausendjährigen Werte aufzugeben. Wir glauben es nicht, sondern wir wissen und sagen es, dass Ungarn auf diesem Weg keinen einzigen Schritt gehen wird, Herr Präsident!

Vorwärts Europa, vorwärts Ungarn!   Miniszterelnok

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.