Seit dem Erscheinen seines letzten Buches Die große Verschwulung
im November 2015 ist es um den zum „Krawallautor“ mutierten
Katzenkrimimeister Akif Pirinçci eher still geworden. Still wie nach
einem Atombombenabwurf, denn unterdessen hat das Imperium mit aller
Wucht zurückgeschlagen und Pirinçcis schriftstellerische Existenz mehr
oder weniger vernichtet:
Random House kündigte seinen langjährigen Erfolgsautor und nahm
dessen Titel aus seinem Programm, während sich Buchhändler, Grossisten
und Amazon dem Boykott anschlossen; als Vorwand dienten ein paar
verfälschte Zitate aus einer in Dresden gehaltenen Radaurede.
Während sein Vorgänger Deutschland von Sinnen 2014 die Feuilletons in einen Hühnerstall verwandelt hatte, wurde Die große Verschwulung
weitgehend totgeschwiegen. Allenfalls war noch zu vernehmen, es handele
sich hierbei um ein „homophobes und menschenverachtendes“ Machwerk
(queer.de).
In Wahrheit hat das Buch, das sich die Geschlechter- und
Familienpolitik der BRD vorknöpft, so gut wie nichts mit Homosexualität
oder Homosexuellen zu tun, die nur am Rande vorkommen und den Autor auch
nicht sonderlich interessieren.
Natürlich mit Ausnahme von aggressiven Interessensgruppen, deren
Zielsetzung, nicht nur Mann und Frau „gleichzustellen“, sondern
überhaupt das „binäre“ Geschlechtermodell abzuschaffen und durch ein
fluktuierendes Spektrum an „Gender“-Identitäten zu ersetzen, längst kein
Randgruppenphänomen mehr ist. So widmet sich Pirinçci ausgiebig der
berüchtigten „Bildungsplanreform 2015“ für Baden-Württemberg, die
vorsah, detailierten Unterricht über „sexuelle Vielfalt“ in die
Lehrpläne einzuführen. Die einschlägige Agenda dient in diesem
Zusammenhang vor allem der Dekonstruktion der „Heterosexualität“ und der
„klassischen“ Familie.
Während Frauen in diesem Prozeß insofern „vermännlicht“ werden, als
ihnen die biologische und soziale Aufgabe der Mutterschaft madig gemacht
wird, so sind doch Jungen und Männer, wie die Männlichkeit überhaupt,
die eigentlichen Zielscheiben dieser Politik.
Mit „Verschwulung“ meint Pirinçci die „Verweiblichung“ des Mannes;
das Thema seines Buches läßt sich mit einem pirinçciesken Spruch von
Michael Klonovsky auf den Punkt bringen: „Wer sich allzu sehr
feminisiert, ob Mann oder Land, sollte sich nicht wundern, wenn er
schließlich auch gefickt wird.“ Man könnte an dieser Stelle auch einen
berühmten Satz von Carl Schmitt variieren: „Dadurch, daß Männer nicht
mehr die Kraft oder den Willen haben, sich in der Sphäre des Männlichen
zu halten, verschwindet das Männliche nicht aus der Welt. Es
verschwinden nur ein paar schwache Männer.“
Die 270 Seiten der Großen Verschwulung sind ein ausufernder,
sarkasmusgetränkter Versuch, diese jahrtausendealte Binsenweisheit
wieder ins Gedächtnis eines dekadent und realitätsfremd gewordenen
Landes zu hämmern. Damit wäre die Diskussion um das
„Gender-Mainstreaming“ um eine verschärfende Dimension erweitert.
Bislang lag die Kritik an dieser Ideologie und ihrer Umsetzung vor allem in den Händen konservativer Frauen wie Birgit Kelle, Barbara Rosenkranz oder Gabriele Kuby;
was aus der Ecke der „Männerrechtler“ à la Arne Hoffmann zu vernehmen
war, klang allzuoft nur wie eine Imitation feministischer Opferrhetorik.
Pirinçcis Polemik attackiert dagegen das Ungetüm aus einer dezidiert
männlichen Sicht und für ein wohl vor allem männliches Publikum.
Dabei
verabscheut der Autor jegliches „akademisch“ getarnte Gerede, wie es
gerade für die Literatur der Genderdoktrin typisch ist. Eher noch
scheint er sich an Vorbildern wie Charles Bukowski zu orientieren,
hinter dessen rüder Sprache und abgefuckter Pose sich eine
vergleichsweise unbeugsame und im Grunde romantische Seele verbarg.
Pirinçci liebt das Geheimnis, den funkenschlagenden Konflikt, den
Unterschied, die Anziehung und Abstoßung zwischen Mann und Frau; die
Vorstellung, die Geschlechter ihrer Polarität zu berauben, ist ihm ein
unsagbarer Horror. Zwischen den Zeilen werden auch Trauer, Schmerz und
Ekel spürbar.
Pirinçci schreibt über den Geschlechterkrieg als Veteran und
Kombattant, nicht als distanzierter Beobachter. Er will, daß ihn auch
der Mann auf der Straße und an der Bar verstehen, der junge Kerl, der
seine wichtigsten Schlachten vor sich hat, ebenso wie der geschiedene,
vom Staat geschröpfte Familienvater, der sich voller Narben in den
Ruhestand zurückzieht.
Seine Schlußfolgerungen werden für manchen Luftschloßlinken
provozierend simpel klingen: „Entweder wird eine Frau von ihrem Mann
versorgt oder von einem männlichen Steuerstaat, auch wenn auf dessen
erhabenen Balkonen als Reklame lauter Frauen sitzen, von denen nicht
wenige ebenfalls irgendwelche Geisteswissenschaften studiert haben.“ Und
den Geschlechtsgenossen schreibt er ins Stammbuch: „Ein Mann, der die
Fortpflanzungschancen, die Versorgung seiner Lieben und den damit
verbundenen Kampf einer Organisation namens Staat überantwortet, bei dem
es sich auch Versager, Heuchler, Perverse, Faule, Schmarotzer und
Geschwätzwissenschaftler gut gehen lassen, ist kein richtiger Mann.“
Jedenfalls steht für Pirinçci fest, daß sozialpolitische Experimente
fundamentale biologische Gegebenheiten nicht aus der Welt schaffen
können. Im als „Prophetie“ gekennzeichneten Schlußkapitel läßt er alle
Zügel schießen: mit grimmigen Humor schildert er den Untergang
Deutschlands und des deutschen Volkes „wie wir es kennen“ als grausames
Szenario, in dem, wie in der Geschichte üblich, die Frauen die Beute der
männlicheren Männer werden.
Akif Pirinçci: Die große Verschwulung. Wie aus Männern Frauen werden und aus Frauen keine Männer, Waltrop u. Leipzig: Manuscriptum 2015. 272 S., 17.80 € Martin Lichtmesz 1. 3. 2016
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