Im Gebäude der Fernspähkompanie 200, in der ich bis zum Dienstgrad
eines Leutnants diente, war auf den Kalkputz ein großes Wandbild
aufgetragen. Es zeigte einen Fallschirmjäger, darunter stand in großen
Lettern: Klagt nicht, kämpft! Dieses Bild ist längst übertüncht, die
Kaserne eine Wohnanlage, und oberhalb der kleinen Garnisonsstadt werden
längst keine Späher mehr aus der Transall oder der CH53 über dem
lächerlich kleinen Sprunggelände abgesetzt.
Klagt nicht, kämpft! Viele haben sich das tätowieren lassen, oft
ergänzt um die knappe Kompanie-Beschreibung („oculus exercitus“ – Auge
des Heeres) und das Motto („semper vigilis“ – stets wachsam) unseres
kleinen Haufens. Aber natürlich haben wir dieses “Kämpfen ohne zu
klagen“ nie scharf unter Beweis stellen müssen, sondern bloß auf Übungen
– ernsthaften Übungen zwar, aber der wirkliche Ernst ist doch noch
etwas ganz anderes, ist eben nichts im letzten doch nur Vorgestelltes,
Angenommenes.
Und selbst Bosnien war dann kein Ernstfall, Sarajewo nicht und auch
nicht Trnovo, Kiseljak oder Dobro Polje, diese ganz zerschossenen,
winterlichen Örtchen, um die herum nach Minen und Gräbern gesucht wurde
und in deren apokalyptische Tage man auf diese Weise einen Blick werfen
konnte: erschlagen, erschießen, verschwindenlassen, aushungern,
zerstören – Bürgerkrieg auf engstem Raum, Gucklöcher für uns, klagt
nicht, dokumentiert!, und abends ein Schnaps mehr, wenns heftig war.
– – – – –
Ich habe einer Frage, die ich nun stellen möchte und muß, diese paar
Sätze über das Klagen vorangestellt, weil mir der Wandspruch von damals
übers Wochenende im Kopf herumging. Wir haben nämlich in den vergangenen
Tagen im Verlag darüber diskutiert, ob wir für dieses eine Mal die Tür
öffnen wollen, um eine Klage über jene strukturelle
Repression anzustimmen, von der niemand ahnt, der nur von außen schaut.
Wir haben uns dafür entschieden.
Wer ein bißchen aufmerksamer liest und las, weiß längst, daß wir
nicht deshalb keine Veranstaltungsräume mehr finden in Berlin und in
anderen größeren Städten, weil uns die Wirte nicht vermieten wollten:
Sie ziehen ihre Zusagen zurück, weil ihnen die Verwüstung ihres Lokals
oder wenigstens eine Denunziationswelle droht, und natürlich finden das
die ganzen Zeilenhuren und Sekundärpublizisten, die ihre Existenz
unserer Originalität verdanken, gar nicht bedenkenswert, sondern schon
in Ordnung so. Ist ja ein freies Land, kann ja jeder Wirt selbst
entscheiden, wem er ein Plätzchen gewährt.
Diesmal schneidet es aber tiefer ein: –
Ergänzung 1. März, 8.00 Uhr: Und nun, nach nicht einmal 24 Stunden, ist
das Problem gelöst, dank einer Leserschaft, die ihresgleichen sucht!
Meinen herzlichen Dank an alle und Bitte um Verständnis, daß ich die
guten Hinweise im Kommentarbereich für uns nutze, aber nicht
veröffentliche. –
Damit: Klagestübchen wieder zu. Ich bin mir übrigens mittlerweile
sicher, daß wir auf dem Präsentierteller sitzen, aber anders geht es nun
eben nicht mehr. Anders sich zu verhalten: Das wäre Waldgang, das wäre
beschwichtigungskonservativ, und – bitte – wir reden doch schon
längst aus und im Sinne der bürgerlichen Mitte, wenn wir die Frage
stellen, ob sich in diesem Land eine Regierung einfach so über Gesetze,
Recht und Ordnung hinwegsetzen darf oder ob gerade das zu verhindern den
Vätern des Grundgesetzes einen eigenen Artikel (20) wert war. Götz Kubitschek am 29. 2. 2016
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