„Was aussieht wie eine Ente, watschelt wie eine Ente und schnattert wie eine Ente, ist wohl eine Ente.“ Das ist so eine amerikanische Redensart.
Auf den verheerenden Brand des „Husarenhofes“ in Bautzen angewandt: Wenn plötzlich ein Gebäude, in das Asylbewerber einziehen sollen, in Flammen steht, dann ist davon auszugehen, dass dort Asylgegner das Feuer gelegt haben.
Bislang steht aber nur fest, dass es Brandstiftung war. Die Ermittler haben vor Ort, der damit tatsächlich zu einem Tatort wurde, Brandbeschleuniger gefunden.
Schon bevor das publik wurde, waren sich viele sicher: Das kann nur ein fremdenfeindlicher Anschlag gewesen sein. Da war der Brand gerade erst gelöscht. Die sonntägliche Presseschau via Internet kam einem als Bautzener vor wie der Gang nach Canossa. Grobe Schlagzeilen kennen nun mal keine feinen Unterschiede.
Es gibt ja Zeugen für die peinlichen Sprüche aus einer Gruppe von 20 bis 30 Schaulustigen. Drei betrunkene Jugendliche störten laut Polizeibericht die Löscharbeiten; zwei von ihnen übernachteten in der Ausnüchterungszelle. Dass manche Zeitung daraus „massiv behindert“ machte – geschenkt. So empfindlich darf man jetzt als Bautzener nicht sein.
Denn nicht nur Oberbürgermeister Alexander Ahrens war schockiert, dass so etwas in seiner Stadt möglich ist. „In den letzten Monaten wurde die Diskussion um die Unterbringung von Asylbewerbern fast ausnahmslos sachlich geführt. Was hier und heute geschehen ist, macht mich sehr wütend.“ Ähnlich wird es Landrat Michael Harig gegangen sein. Und es sei für ihn unfassbar, „dass es Menschen gibt, die den Brand bejubeln und die Feuerwehr behindern.“ Er wolle allerdings niemandem etwas unterstellen, bevor die Ermittlungsergebnisse vorliegen. Diese zu dem frühen Zeitpunkt normalerweise allen Politikern gebotene Zurückhaltung, egal, ob aus Stadt, Land oder Bund, war leider eher die Ausnahme. Deshalb forderte der Landtagsabgeordnete Marko Schiemann, der am Sonntag die Brandstätte besuchte: „Wir brauchen nun schnelle Klarheit darüber, wie es zu dem Feuer kam. Sollte sich herausstellen, dass hier Brandstifter am Werk waren, müssen die Täter schnellstens ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden.“
Dass es Brandstiftung war, ist inzwischen klar. Ermittler des sachsenweit zuständigen Operativen Abwehrzentrums der Polizei (OAZ) und Beamte vom Staatsschutz der Polizeidirektion Görlitz sind gemeinsam auf Tätersuche. Das OAZ ist bekanntlich dann zuständig, wenn es um Extremismus geht. Dessen Leiter Bernd Merbitz war selbst in Bautzen. Der Nachrichtenagentur dpa sagte er, es werde in alle Richtungen ermittelt. Unterstützung kommt laut SZ-Online vielleicht deshalb von der Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen (Ines). „Dahinter steckt eine Spezialeinheit, die sich um die ganz großen Nummern in der Organisierten Kriminalität, aber auch um Umwelt- und Wirtschaftsstraftaten kümmert. Neben Polizisten und Staatsanwälten gehören auch Fachkräfte aus anderen Bereichen mit zum Ermittler-Team von Ines.“
Es ist also davon auszugehen, dass es bald mehr Fakten als Vermutungen geben wird. Spekuliert wird bereits genug. Dem Augenschein nach hat ganz offensichtlich vor allem der Dachstuhl gebrannt. Und das in seiner ganzen Breite. Kann es da ein Angriff von außen gewesen sein? Also etwa eine oder mehrere nach oben geworfene Brandflaschen? Liegt nicht der Verdacht näher, dass im Obergeschoss an mehreren Stellen das Feuer gelegt wurde? Aber wie kamen die Brandstifter ins Haus? Hatten sie Schlüssel? Kannten sie sich drinnen aus? Wie viel Zeit hatten sie für das Legen des Feuers zur Verfügung? Inzwischen ist bekannt geworden, dass es in der künftigen Asylunterkunft einen Objektschutz gab, der leider nicht zur Stelle war. Man hätte die Wachleute vor dem Brand abgerufen, es sei zu teuer geworden. Auch so ein Gerücht.
Und so wächst von Tag zu Tag die Erwartung, mehr über den Tathergang zu erfahren. Dass aus den bekannten ermittlungstaktischen Gründen nicht alles an die Öffentlichkeit gelangen wird, ist verständlich. Aber ein erster Zwischenbericht wäre hilfreich. Vielleicht muss Bautzen mit dem Makel leben, dass in den Mauern der Stadt aus fremdenfeindlichen Motiven ein Feuer gelegt wurde. Zurzeit spricht nicht so viel dagegen. Andererseits: Die Untersuchungen laufen noch. Es bringt nichts, die Ergebnisse vorweg zu nehmen.
Erinnert sei hier an den angeblichen Angriff mit einer Handgranate auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen. Kein Politiker, der etwas auf sich hält, konnte damals der Versuchung widerstehen, das sofort und mit möglichst drastischen Worten als eine fremdenfeindliche Aktion zu verurteilen.
Keine zwei Wochen danach meldete die Polizei einen Ermittlungserfolg: Sie hatte vier Verdächtige festgenommen. „Gegen drei von ihnen im Alter von 23, 27 und 37 Jahren wurden Haftbefehle erlassen, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Ein fremdenfeindliches Motiv schließen Polizei und Staatsanwaltschaft aus.“ Dem Bericht der Stuttgarter Nachrichten zufolge könnte es um Konflikte zwischen Sicherheitsunternehmen gegangen sein. Davon, dass Politiker ihre Statements korrigiert haben, ist nichts bekannt.
In diesem Fall aus Baden-Württemberg war die hier eingangs erwähnte sprichwörtliche „Ente“ also tatsächlich mal keine. Hin und wieder trügt der erste Anschein. Man hätte genauer hinsehen müssen. Oder die Ermittlungen der Experten und deren Ergebnisse abwarten.
Doch zurück nach Bautzen: Inzwischen wurde mitgeteilt, dass ein von den Flammen gänzlich verschont gebliebener Gebäudeteil des „Husarenhofs“ wie vorgesehen vom Landratsamt als Unterkunft für rund 100 Asylbewerber genutzt werden kann. Der zuständige 1. Beigeordneten Udo Witschas nannte als Einzugstermin den 15. März. Hans-Heorg Pause
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