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Mittwoch, 16. Januar 2019

Resettlement

Vor drei Jahren hatte der „Spiegel“ selber noch gehackte E-Mails der AfD publiziert. Jetzt übt er verhalten Selbstkritik: „Als eine linke Plattform 2016 die privaten Daten von mehr als 2100 AfD-Mitgliedern verbreitete, verurteilte kaum ein prominenter Politiker eines anderen Lagers diesen massenhaften Bruch von Persönlichkeitsrechten.“ Ich kann mich auch nicht erinnern, dass dieser Skandal von den Medien mehr als nur beiläufig vermerkt wurde. Keine Rede von allgemeiner Empörung wie nach dem jüngsten Hackerangriff.

Habeck löschte unterdessen seine Social-Media-Konten. Er tat dies nicht nur, weil seine Daten gehackt wurden, sondern auch, weil er dort mehr Bürgermeinung abbekam, als ihm lieb war. Nachdem er in einem Video versprochen hatte, „alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird“ (nicht „bleibt“, sondern „wird“!), hallte es nämlich hässlich zurück.

Anders als in Österreich sind in Deutschland auch die Rechten in der Lage, digitale Hetzmeuten zu bilden. Die politisch überkorrekte ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann bekam das zu spüren. Erst zwitscherte sie „Nazis raus!“, und als sie auf die Frage, wen sie damit meine, patzig mit “Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt” reagierte, brach ein Fäkalsturm in Orkanstärke aus. Es nützte nichts mehr, dass sie ihren Tweet nur „ironisch“ gemeint haben wollte.

Aber wer sind eigentlich diese „Nazis“? Zweifellos gibt es sie in der Neonazi-Partei NPD, aber die kam bei den Bundestagswahlen auf nur 0,4 Prozent. Das „Nazi raus“ gilt der AfD, die im Osten gute Chancen hat, die SPD zu überholen. Diese Partei ist rechts und national, sie ist Putin-affin und mitverantwortlich für die Verrohung der politischen Kultur, aber nationalsozialistisch ist sie nicht. Solche Unterstellungen verharmlosen den Nationalsozialismus. Sie suggerieren aber auch, dass jedes Mittel gegen „rechts“ gerechtfertigt ist, auch physische Gewalt. Eine linke Sympathisantenszene schützt heute den Terror der Antifa wie einst den der RAF.

Als Signal an dieses Milieu genügt es, jemanden als „rechts“ abzustempeln. Und „rechts“ ist man bald. Es reicht, den klimapolitischen Konformismus in Frage zu stellen, die EU zu kritisieren, vor der Islamisierung zu warnen oder auch nur von „Umsiedlung“ statt politisch korrekt von „resettlement“ zu sprechen. Seit der Sozialismus aus der Mode ist, verschiebt sich Spektrum der politischen Denominationen. Linke nennen sich „Liberale“, was Mitte war, gilt heute als „konservativ“, und Konservative sind „voll rechts“, also „halb nazi“.

„Diffamierungen sind gerade durch den Verzicht auf Begründung definiert“, schrieb Peter Schneider einmal im „Spiegel“ (8. September 1994). „Deswegen ist ihnen mit noch so guten Gegengründen auch nicht zu begegnen. Es wäre falscher Stolz, ihre Wirkung zu leugnen. Selbstverständlich fühlen sich alle, die hier verletzt werden sollten, tatsächlich verletzt, und diese Kränkungen haben Folgen.“ Mit dieser Methode kann man Kritik abwürgen, und darauf kommt es an. Karl-Peter Schwarz

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