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Freitag, 6. März 2015

Wunder der Statistik

Letzten Sonntag war es in der Ukraine relativ ruhig, die Griechenland-Krise machte Pause und Sebastian Edathy bereitete sich auf den zweiten Verhandlungstag am Landgericht in Verden unweit von Bremen vor, wo die Polizei grade ein Islamisches Kulturzentrum durchsucht, aber nichts Verdächtiges gefunden hatte.
Das war dann auch die erste Meldung in den RTL-Nachrichten um 18.45 Uhr. Es folgte ein Bericht über Klagen von Lehrern, wonach an den Grundschulen „jedes fünfte Kind“ nicht für die Schule geeignet und therapiebedürftig sei.
Wer an diesem Tag die „Bild am Sonntag“ gelesen hatte, wusste bereits, worum es ging. Der Präsident des Bayerischen Lehrerverbandes hatte der BamS ein Interview gegeben, in dem er den Eltern vorwarf, ihre Kinder nicht zu erziehen, sondern zu verziehen. Sie würden „zu Hause alles bekommen und dürfen, ohne etwas dafür zu tun“. Jedes fünfte Kind sei „schwer“ oder gänzlich „unbeschulbar“.

Irgendetwas an dieser Meldung kam mir bekannt vor. Also googelte ich „Jedes fünfte Kind“ und wurde fündig. „Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut bedroht“, so das Fazit einer Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahre 2014.
„Jedes fünfte Kind in Deutschland ist zu dick“, klagte die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast bereits 2003.
„Jedes fünfte Kind zeigt psychische Auffälligkeiten“ meldete DIE WELT im Sommer 2013 und bezog sich dabei auf eine Untersuchung der Rostocker Universitätsklinik für Psychiatrie im Kindes- und Jugendalter.
„Jedes fünfte Kind lebt mit süchtigen Eltern“, so fasste die SZ Ende 2011 den Jahresbericht der Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht zusammen.
Und laut einem Bericht der Berliner „taz“ über „das letzte familiäre Tabu“, dürfte „jedes fünfte bis zehnte Neugeborene“ in Deutschland „ein Kuckuckskind“ sein.
Wie soll man sich diesen Gleichklang erklären? Ist die Gruppe der Kuckuckskinder identisch mit der Gruppe der übergewichtigen, von Armut bedrohten, psychisch auffälligen Kinder, deren Eltern ein Suchtproblem haben? Oder sind es fünf Teilgruppen, die zusammen 100% ergeben?
Die Antwort könnte Licht in das letzte Tabu der Statistik bringen.

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