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Freitag, 21. August 2020

Der unbekannte Weiße - Amadeu Antonios anonymer Schicksalsgenosse

 

 
teilt die Welt mit. 

"Der aus Eritrea stammende Tatverdächtige ist nach einem vorläufigen psychiatrischen Gutachten wegen einer psychischen Erkrankung schuldunfähig", schreibt das Blatt. Dennoch tut es ihm leid. Merkwürdig, nicht wahr? Er sieht seine Schuld ein, ist aber nicht schuldfähig.

Chaim Noll stellte im August des vergangenen Jahres einen Vergleich an zwischen Amadeu Antonio, jenem Gastarbeiter aus Angola, der 1990 von einer Gruppe junger Deutscher im brandenburgischen Eberswalde totgeschlagen wurde, und dem namenlosen Jungen, den der ICE im Frankfurter Gleisbett zerfetzte. Noll schrieb damals:

"Der Name Amadeu Antonio wurde dadurch nicht nur für dubiose Zwecke ausgenutzt, sondern auch – dies der positive Aspekt – vor dem Vergessen bewahrt. Und so die Untat, die zum Tod des jungen Afrikaners führte. Sie ist ins kollektive Gedächtnis Deutschlands eingegangen: Amadeu Antonio hat einen Wikipedia-Eintrag, anlässlich seines Todestages gibt es Zeitungsartikel und Rundfunksendungen, in Schulbüchern und zeithistorischen Werken wird sein Fall erwähnt, ein gutes Dutzend hauptamtlicher Mitarbeiter der Amadeu Antonio Stiftung lebt von ihm, von der Erinnerung an ihn. Das alles bewirkt sein Name. Ein Name kann zum Symbol werden. Was aber geschieht, wenn das Opfer anonym bleibt?

Der Name des 'achtjährigen Jungen', den ein anderer Afrikaner am 29. Juli 2019 auf Gleis sieben des Frankfurter Hauptbahnhofs vor einen einfahrenden Zug gestoßen, also vorsätzlich ermordet hat, wird nicht bekannt gegeben. Die deutschen Behörden – und mit ihnen die staatstreuen Medien – verschweigen die Identität des Opfers. Dafür mag es plausible Gründe geben: Rücksicht auf die Familie, vor allem auf die Mutter, die selbst knapp mit dem Leben davon kam und der man begreiflicherweise öffentliche Aufmerksamkeit ersparen möchte. Dieses Argument ist so schwerwiegend, dass kein einigermaßen rücksichtsvoller Mensch die Maßnahme kritisieren wird. Sie hat indessen einen verborgenen Aspekt. Eine heimliche Nebenwirkung, von der ich annehme, dass die Verantwortlichen sehr wohl um sie wissen.

Die Anonymisierung des Opfers ist die Garantie dafür, dass es vergessen wird. Und damit das Verbrechen, das zu seinem Tod führte."
 

Widerwärtiger als die Mitleidlosigkeit ist die Bekundung selektiven Mitleids.

"Ist dieses vollkommen unschuldige Kind, das von einem wie auch immer motivierten erwachsenen Mann auf grausame Weise ermordet wurde, kein Symbol?", fuhr Noll fort. "Kein Gedenken wert? Keine erinnernden Zeitungsartikel? Keine Stiftung in seinem Namen? Warum nicht? Weil es, aller Vermutung nach, ein weißes Kind war, ein genuin europäisches, ein deutsches? Ich bekenne, dass ich damit nur schwer leben kann. Irgendetwas an Information müssen wir den Behörden noch abtrotzen, seine Initialen, ein paar Details über sein kurzes Leben, ein – und sei es gepixeltes – Bild, damit dieses sinnlos geopferte Kind nicht im Nebel der Namenlosigkeit verschwindet und in wenigen Wochen vergessen ist."

 
Wenden wir uns nun wieder jener politmedialen Bande zu, die genau das will, das Verschwinden und Vergessenwerden dieses armen Jungen, weil er ein falsches Opfer eines – durchaus repräsentativen – falschen Täters war. Der kurze und wie widerwillig geschriebene Artikel schließt:
 
 
Der Fall löste eine Debatte über die Sicherheit an Bahnsteigen aus – geht es noch niederträchtiger? Das bezieht sich keineswegs nur auf die Welt; es schreiben sowieso alle dasselbe, deutsche Journalisten sind berechenbar wie der Mondzyklus:
 
 
 
Und die Pressstrolche verbreiten nicht mal ein Märchen, es gab danach tatsächlich eine "Debatte" – also orchestrierte Wortmeldungen identischen Inhalts von Grün bis Union – über die Sicherheit an Bahnhöfen, wobei als eigentliche Gefahr die (übrigens von weißen Männern erfundene) Eisenbahn identifiziert wurde. Ist doch logisch. Gäbe es keine Messer, käme es nicht zu Messerattacken. Gäbe es keine Frauen, könnte sie niemand vergewaltigen. Und so weiter.




Olaf Scholz gedenkt der Opfer des Amokläufers von Hanau. 
 
Gabriele Rathjen, die Mutter des Täters, fehlt. Hat sie zu wenige Angehörige, die SPD wählen könnten?
 
Noch mal: widerwärtiger als die Mitleidlosigkeit ist die Bekundung selektiven Mitleids.

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