Bislang galt der Tod von George Perry Floyd in den meisten Medien als geklärt. Die Geschehnisse am Abend des 25. Mai 2020 in der US-Metropole Minneapolis schienen eindeutig zu sein. Bilder einer Sicherheitskamera, die um die Welt gingen, zeigen den Polizisten Derek Chauvin, wie er Floyd auf rabiate Art und Weise festnimmt und daraufhin mehr als acht Minuten auf seinem Nacken kniet. Der 46jährige beklagt sich mehrmals mit den Worten „Ich kann nicht atmen“, die später zum Schlachtruf der „Black Lives Matter“-Bewegung wurden. Als der Krankenwagen eintrifft, ist Floyd bereits tot. Ein Aufschrei geht durch die USA – und später durch die ganze Welt.
Das „Davor“ jedoch wurde in vielen Berichten stets ausgeblendet. Die am Montag von der britischen Daily Mail veröffentlichten Videos der Polizei-Bodycams, die zwei der anwesenden Beamten am Körper trugen, zeigen nun erstmals genauer, was bei der Festnahme vor sich ging. Eines ist klar: So eindeutig wie bislang dargestellt, ist der Fall mit Sicherheit nicht.
Es ist kurz vor 20:00 Uhr als George Floyd den Laden „Cup Foods“ betritt, ein Lebensmittelgeschäft in Minneapolis. Er kauft eine Schachtel Zigaretten mit einem 20-Dollar-Schein. Anschließend steigt er in seinen Pkw auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ein Angestellter des Ladens meint, eine gefälschte 20-Dollar-Note zu erkennen. Mit einem Kollegen läuft er schnellen Schrittes zu dem schwarzen SUV, in dem Floyd noch gemeinsam mit einem Beifahrer sitzt. Seine Ex-Freundin befindet sich auf dem Rücksitz. Er solle die Zigaretten zurückgeben, fordern die beiden Angestellten. Floyd weigert sich.
Um 20:01 Uhr ruft ein Mitarbeiter die Polizei an, um zu berichten, daß Floyd mit einer gefälschten Banknote bezahlt hätte, „schrecklich betrunken“ sei und „nicht unter Kontrolle“. Bereits sieben Minuten später treffen die zwei Polizeibeamten James Alexander Kueng und Thomas Kiernan Lane vor dem Laden ein (hier beginnt auch das von der Daily Mail veröffentlichte Video).
Lane klopft zunächst an die Scheibe von Floyds Wagen. Als dieser die Tür öffnet, fordert der Beamte mit rauem Ton: „Zeigen Sie mir Ihre Hände.“ „Es tut mir leid, es tut mir leid, ich habe nichts getan“, antwortet Floyd, kommt der Aufforderung zunächst nicht nach und macht Anstalten aus dem Wagen zu steigen. „Setzen Sie Ihren Fuß wieder in das Auto“, meint Lane trocken, während er eine Waffe in der Hand hält. „Bitte erschießen Sie mich nicht“, reagiert Floyd ängstlich. „Bitte, man. Ich habe gerade meine Mutter verloren“, beklagt er. Seine Mutter ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren tot. „Ich werde Sie nicht erschießen“, beruhigt ihn der Polizist. „Treten Sie heraus.“ Floyds Beifahrer verläßt währenddessen auf der anderen Seite das Fahrzeug, ohne von der Polizei behelligt zu werden.
Zu diesem Zeitpunkt befinden sich in Floyds Blutkreislauf laut toxologischem Gutachten mehrere gefährliche Substanzen. Zunächst sind da 11 Nanogramm pro Milliliter Blut (ng/ml) Fentanyl, ein Betäubungsmittel, das schon in geringen Konzentrationen schwere Auswirkungen auf den Körper hat. Es ist je nach Schätzung 70 bis 120mal so potent wie Morphium. „Blutkonzentrationen von etwa 7 ng/ml oder höher sind mit Sterbefällen nach Polysubstanzkonsum (also Mischkonsum) in Verbindung gebracht worden“, schreibt die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Das Gutachten weist zudem unter anderem 5,6 ng/ml Norfentanyl nach, 19 ng/ml Methamphetamin, 86 ng/ml Morphium und insgesamt 46,1 ng/ml THC, dem psychoaktiven Bestandteil von Marihuana.
Das Argument, Drogen seien womöglich für den Tod von George Floyd verantwortlich, halte nicht stand, hatte die New York Times
bereits am 25. Juni behauptet. Denn Videos würden zeigen, „wie sich
Herr Floyd unter Berücksichtigung der Umstände rational und angemessen
verhält“.
Die nun veröffentlichten Bilder widersprechen dieser Sichtweise. „Hör auf, dich zu wehren“, schreit Floyds Ex-Freundin schon zu Beginn der Aufnahmen vom Rücksitz, während dieser aus dem Wagen steigt und von Lane Handschellen angelegt bekommt. „Hören Sie auf sich zu bewegen“, fordert Lane. Die Kamera wackelt. „Oh nein, bitte, nein“, jammert Floyd und beginnt zu weinen.
Die Uhr zeigt mittlerweile 20:11 Uhr an. „Wir versuchen nur rauszufinden, was hier los ist“, sagt einer der Polizisten zu den beiden Beifahrern, die mittlerweile auf dem Gehweg stehen. „Warum benimmt er sich so komisch?“, fragt er. „Ist er betrunken, hat er was genommen?“ „Nein“, meint seine Ex-Frau. Sie kreist mit dem Finger an ihrem Kopf. „Er hat ein Ding am Laufen. Er hat Probleme.“
George Floyd wird daraufhin abgeführt und soll in ein Polizeiauto steigen. Er wehrt sich dagegen und sackt vor dem Fahrzeug zusammen. „Bitte man, bitte…Ich bin klaustrophobisch“, beteuert der 46jährige. Wenige Minuten zuvor saß er noch problemlos in seinem eigenen Auto, nun aber überfällt ihn plötzlich Platzangst. „Ich bin nicht diese Art von Typ, ich bin nur klaustrophobisch.“ Die Polizisten versuchen, ihn in das Fahrzeug zu drücken. „Nehmen Sie Platz“, verlangen sie. „Ich werde hier sterben“, kreischt Floyd hysterisch und wiederholt: „Ich bin nicht diese Art von Typ.“ Der Beamte bietet ihm an, das Fenster herunterzulassen. Das reicht Floyd nicht, er habe zu große Angst, sagt er. Ein Passant läuft vorbei und ruft ihm zu: „Man, du kannst nicht gewinnen, steig einfach ins Auto.“ Floyd entgegnet: „Ich will gar nicht gewinnen, ich bin nur klaustrophobisch.“
Um 20:17 Uhr erreichen auch die Polizisten Derek Michael Chauvin und Tou Thao den Ort des Geschehens. „Bitte, ich bin klaustrophobisch“, bettelt Floyd weiterhin und weigert sich immer noch, das Fahrzeug zu betreten. „Ich höre, was Sie sagen, aber sie arbeiten nicht mit mir zusammen“, antwortet ein Polizist genervt. „Gehen Sie ins Auto.“ Der Tatverdächtige beginnt zu kreischen. Während er von den Beamten ins Auto gehievt wird, ist zum ersten Mal der Satz zu hören, der später zum Symbol der „Black Lives Matter“-Bewegung wird: „Ich kann nicht atmen“, schreit Floyd auf dem Rücksitz des Polizeiautos. Also einige Zeit bevor Derek Chauvin ihn auf den Boden drückt.
Floyd fällt plötzlich auf der anderen Seite des Autos aus der geöffneten Tür. Er versucht, sich weiter gegen seine Festnahme zu wehren. Erst jetzt drückt Chauvin sein Knie auf Floyds Nacken. Zwei weitere Beamte versuchen den 1,93 Meter großen und 101 Kilogramm schweren Hünen am Boden zu halten. „Mama, Mama, Mama, Mama“, brüllt Floyd. Anschließend erneut: „Ich kann nicht atmen. Ich kann nicht atmen.“ Chauvin hört man sagen: „Dann hör auf zu reden. Hör auf zu schreien. Es braucht verdammt viel Sauerstoff, um zu reden.“
Ein paar Umstehende mischen sich ein. „Findet ihr das okay, was ihr da
gerade tut?“, fragt jemand aufgeregt. Doch die Polizisten scheinen nicht
zu reagieren. Nach und nach wird Floyd immer leiser, seine Schreie
verklingen. Chauvin drückt weiterhin gnadenlos sein Knie auf den Nacken.
Auf den Vorschlag eines Kollegen, den schweren Afro-Amerikaner auf die
Seite zu rollen, geht er nicht ein. „Checkt seinen Puls“, brüllt ein
Passant. Dann endet das Video.
Die eintreffenden Sanitäter versuchen anschließend über eine Stunde, den 46jährigen wiederzubeleben. Ohne Erfolg. Um 21:25 Uhr wird George Floyd für tot erklärt. Das ärztliche Gutachten nennt als Grund einen Herzinfarkt.
2014 war er in den US-Bundesstaat Missouri gezogen. In Texas hatte er mehrere Haftstrafen wegen Drogenbesitzes absitzen müssen, zuletzt verurteilte ihn ein Gericht 2009 aufgrund eines bewaffneten Raufüberfalls, bei dem er eine schwangere Frau in ihrem Haus überfallen hatte, zu fünf Jahren Gefängnis. Ob sein Versuch mit Falschgeld zu bezahlen, beabsichtigt war, ist unklar. Drogen nahm er offenbar weiter zu sich.
Nun obliegt es dem Gericht, über den Fall zu entscheiden. Den Ermittlern liegen die nun veröffentlichten Ausschnitte bereits länger vor. Auf Beschluß eines Richters durften sie jedoch nur im Gericht angeschaut werden. Der Druck könnte kaum höher sein: Wie wird die Öffentlichkeit reagieren, sollten Derek Chauvin und seine Kollegen nicht für Mord oder Totschlag im Gefängnis landen, sondern beispielsweise nur für Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt werden? Oder wenn einer der Beamten freigesprochen wird?
Für viele Medien spielten entscheidende Details, die in diesem Fall zur
Klärung des Geschehens beitragen könnten, lange keine Rolle. Der Filmemacher Michael Moore sprach Ende Juni davon, daß Floyd
„vom Knie eines Polizisten gelyncht“ wurde, „während ein Lynchmob von
Polizisten zuschaute“.
„Du mußtest mit diesem Narrativ leben, ansonsten brandmarkte man dich als Rassist“, sagte Buck Sexton am Dienstag in der „Tucker Carlson Show“ beim Sender Fox News. Die Aussage „Lass uns doch auf ein paar Fakten warten“ sei nicht akzeptiert worden. „Das ist gefährlich. Und das muß sich ändern.“
Auch für einen rassistischen Übergriff der Polizei liefert das Bildmaterial keinen Beweis. Im Grunde spricht jede Statistik in den USA gegen eine unkontrollierbare, rassistische Polizei.
Hier zusätzlich die Aufnahmen des anderen Polizisten.
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