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Samstag, 22. August 2020

Ein paar Minuten illegaler Aufnahmen aus dem Zusammenhang gerissener Passagen brachten eine Regierung zu Fall

Im Zuge der juristischen Aufarbeitung der Ibiza-Affäre um den ehemaligen österreichischen Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache ist die Abschrift bisher nicht veröffentlichter Sequenzen aus dem illegal aufgezeichneten Ibiza-Video an die Öffentlichkeit geraten. Das etwa fünfminütige Material aus den Akten der ermittelnden österreichischen Justiz, über das die Tageszeitung Österreich als Erste berichtete, entlastet den damals wegen des Korruptionsvorwurfes zurückgetretenen Politiker.

So antwortet Strache in einer Szene, in der die vermeintliche russische Oligarchin und ihr Kompagnon und jetziger Hauptverdächtiger Julian H. ihn offenbar mit der Zusage von 270 Millionen Euro zu rechtswidrigen Handlungen verleiten wollen: „Ja, aber das spielt’s nicht.“ Auf weiteren Druck nach „definitiven Zusagen“ betont Strache an anderer Stelle: „Nein, aber es wäre unredlich.“ Oder: „No way, mach ich nicht. Und bei mir nur gerade Geschichten, ganz gerade Geschichten.“

Auch folgende Aussage Straches findet sich in den Unterlagen: „Es gibt bei mir nur ganz korrekte Ebenen, alles was in meinem Leben heut angegriffen wird, ist korrekt. Ja? Und ich, es gibt bei mir keine Selbstbereicherung oder sonstige Scheißgeschichten, das gibt es nicht. Ja? Sondern es gibt Interesse, was wollen wir politisch, wohin wollen wir politisch, was hat die Bevölkerung, was hat der Steuerzahler davon und wenn dann ein Unternehmer einen Profit hat, solls mir recht sein, wenns ins Konzept paßt.“

„Ich will ruhig schlafen“

In einer anderen Passage antwortet Strache auf die Aussage, daß rechstwidrige Angebote im Osten „ja völlig üblich wären“: „Nein, nein. Aber jetzt sind wir ehrlich. Mit jedem anderen Scheiß machst du dich angreifbar und ich will nicht angreifbar sein. Ich will ruhig schlafen. Ich will in der Früh aufstehen und sagen: Ich bin sauber.“

Auch den ehemaligen Klubobmann der FPÖ, Johann Gudenus, der ebenfalls am 27. Juli 2017 in der Finca auf Ibiza anwesend war, als die Gespräche heimlich mitgeschnitten wurden, könnte das Material entlasten. Laut Transkript sagt er beispielsweise, daß „wir nichts Illegales machen, Punkt.“

Bewußt „nachteilige“ Veröffentlichung

Nach dem Auftauchen des umstrittenen Videos im Mai 2019, das zum Bruch der ÖVP-FPÖ-Koalition und zu Neuwahlen führte, hatte Strache „immer wieder betont“, „nie etwas Unredliches machen zu wollen“. Zu dem nun veröffentlichten Material sagte er: „Es zeigt sehr gut, wie manipulativ bei der Videoveröffentlichung im Mai des Vorjahres vorgegangen worden ist. Die neuen fünf Minuten werden so wie der Rest des Videos belegen, daß ich immer wieder betont habe, nichts Illegales machen zu wollen.“

Sein Anwalt Johann Pauer stellte gegenüber Oe24 klar, „daß bisher nur ein kleiner Teil des Ibiza-Videos transkribiert“ worden sei. „Die noch zu erwartende, weitreichendere Transkription wird deutlicher aufzeigen, daß die Auswahl der veröffentlichten Passagen bewußt nachteilig für Heinz-Christian Strache erfolgte.“

„Skandal von unglaublichem Ausmaß“

Der Journalist Boris Reitschuster schreibt mit Blick auf den Spiegel und die Süddeutsche Zeitung, die das mehrere Stunden lange Ibiza-Video damals in Deutschland in stark gekürzter Form veröffentlichten, von einem „Medien-Skandal von unglaublichem Ausmaß“. Die Öffentlichkeit „wäre dann wohl absichtlich getäuscht worden, mit immensen Folgen. Besonders merkwürdig ist, daß die deutschen Medien das Auftauchen der neuen, offenbar entlastenden Stellen fast kollektiv verschweigen.“

Alexander Wallasch spricht bei Tichys Einblick von einem „politisch-medialen Skandal“, der die „Medienlandschaft in Deutschland erschüttern und die Veröffentlichung der gefälschten Hitlertagebücher, von der sich das Magazin Stern nie mehr richtig erholt hat, noch weit in den Schatten stellen könnte“.

Journalisten wehren sich gegen Kritik

Aus den Reihen des Spiegels wurden die Vorwürfe zurückgewiesen. „Die angeblich neuen Passagen aus dem Ibiza-Video sind weder unbekannt, noch hat sie der Spiegel verschwiegen“, twitterte der Teamleiter für „Innere Sicherheit“ im Spiegel-Hauptstadtbüro, Wolf Wiedmann-Schmidt. „Im ersten Text zu Affäre vom 17. Mai 2019 haben wir just jene Abschnitte, die nun als neu präsentiert werden, teils wörtlich zitiert.“

Auch der an den Recherchen beteiligte Bastian Obermeyer von der Süddeutschen stellt fest: „Natürlich haben SZ & Spiegel immer berichtet, daß Strache wieder und wieder gesagt hat, daß alles legal ablaufen müsse.“

Rückdeckung auf Twitter gab es von Isabelle Daniel vom Österreich: „Ich erinnere mich auch noch gut, daß das damals bereits berichtet wurde. Wenn Strache und seine Fans jetzt nur einseitg diese Sätze rauspicken, ändert das halt wenig an den anderen. Es ging von Anfang an um ein Sittenbild. Und, die mangelnde Einsicht heute verstärkt das.“    JF

 

Lange hat es gedauert, Jahre sogar nach dem eigentlichen Vorfall. Aber jetzt scheint der volle Umfang eines politisch-medialen Skandals bekannt geworden zu sein, der die Medienlandschaft in Deutschland erschüttern und die Veröffentlichung der gefälschten Hitlertagebücher, von der sich das Magazin Stern nie mehr richtig erholt hat, noch weit in den Schatten stellen könnte.

Die Rede ist von einer im Mai 2019 vom Spiegel und der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten, wenige Minuten langen illegal erstellten Videoaufnahme aus 2017, die u.a. anderem den späteren österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache zeigen, der einer vermeintlichen russischen Oligarchin in die Falle gegangen ist, die wohl als Lockvogel engagiert war, den FPÖ-Politiker zu diskreditieren.

Den beiden deutschen Zeitungen lagen stundenlange Aufnahmen vor, aber man hatte sich 2019 entschieden, nur wenige kompromittierende Minuten des Videos Jahre nach dessen Aufzeichnung zu veröffentlichen. Schon Monate zuvor sollen die Aufnahmen anderswo angeboten worden sein, wurden aber aus nicht näher bekannten Gründen nicht publiziert. Ein deutscher Entertainer hatte sogar öffentlich im Rahmen einer Preisverleihung eine Anspielung zu den Videos gemacht, als diese Aufnahmen noch gar nicht öffentlich waren.

Kurz gesagt: Die Aussagen des gezeigten Ausschnitts sind unbestritten echt. Aber viele weitere nicht gezeigte Ausschnitte machen jetzt deutlich, dass sich Strache ebenso, wie der ebenfalls anwesende Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus ganz offensichtlich mit Händen und Füßen dagegen wehrten, illegale Absprachen zu treffen und illegale Geschäfte zu tätigen.

Einzig die Tatsache, dass man bestimmte mehr oder weniger legale Bevorzugungen und womöglich schmierige Tricksereien laut dachte, bleibt jetzt noch im Raum. Aber darum geht es längst nicht mehr. Der Spiegel ebenso wie die Süddeutsche Zeitung konnten entweder aus monetären Beweggründen nicht widerstehen oder sind womöglich sogar auf justiziable Art und Weise gezielt tätig geworden, die damalige türkis-blaue Regierung Österreichs zu Fall zu bringen.

Besonders perfide ist, dass der Spiegel in seiner Erstveröffentlichung des nur wenige Minuten dauernden kompromittierenden Videos, genauer in dem dazu veröffentlichten Begleittext, bereits im Kleingedruckten am Ende des Spiegel-Artikels zum Video für sich selbst eine Notbremse einbaut, wohl ahnend, dass dem Blatt diese Veröffentlichung ansonsten brutal um die Ohren fliegen könnte. So heißt es da: „Beide betonen wiederholt, dass sie nichts Illegales tun werden …“. Aber die Passage verpufft später in der Rezeption aller anderen nachberichtenden Medien und wird nicht weiter hinterfragt.

Und dann heißt es im Spiegel-Artikel zum Video weiter und um diese Entlastung erneut zu diskreditieren: „… gleichzeitig werden der Frau (Red.: gemeint ist die vermeintliche russische Oligarchin) verschiedene Möglichkeiten für ihr Investment dargelegt, die mindestens fragwürdig, womöglich auch illegal sind.“ Fast verschämter Nachsatz wie der als Entlastung für Strache und Gudenus: „Zu einer konkreten Absprache kommt es bis zum Ende des mehrstündigen Treffens nicht.“

Tatsächlich also hatten Spiegel und Süddeutsche das gesamte viele Stunden lange illegal aufgenommene Video aus dubioser Quelle in der Hand. Aber sonst nichts gegen Strache. Den Redaktionen muss zudem klar gewesen sein, was die Veröffentlichung nur der winzigen Ausschnitte, die in dieser Reduzierung tatsächlich belastenden Charakter haben, anzurichten in der Lage sein könnten und am Ende waren: Erst die Auswahl der Ausschnitte macht den Skandal. Die Blätter haben mit dieser Manipulation bzw. Auslassung wider besseres Wissen agiert, als seien sie die Geheimdienste eines Österreich gegenüber feindlich aufgestellten Staates, dem es einzig darum geht, das Angriffsziel, also Österreich nachhaltig zu destabilisieren. Ein Skandal allererste Güte, der nicht folgenlos bleiben kann.

Als Randnotiz besonders abstoßend: Der Spiegel ließ sich diesen unerhörten, möglicherweise justiziablen Vorgang auch noch auszeichnen. Als hätte es die vielfachen Fälschungen des vielfach ausgezeichneten Spiegel-Autoren Relotius nie gegeben, nahm man für den Strache-Artikel ausgerechnet den Journalisten-Preis des Stern-Gründers Henri Nannen entgegen, also des Gründers des Magazins, das über die gefälschten Hitlertagebücher stolperte und sich davon nie mehr erholte.

Zuletzt hier noch zum Nachlesen die neu aufgetauchten Zitate des damaligen FPÖ-Politikers – illegal samt Lockvogel und möglicherweise sogar zum Zwecke der Erpressung aufgenommen in einer mit Kameras verwanzten Finca auf Ibiza mit viel Alkohol im Spiel, um die „Zungen zu lockern“. Was der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung nicht zitierten oder zeigten, könnte nun u.a. laut WELT eine Entlastung Straches von den Vorwürfen bedeuten. Die Zeitung spricht von einer „unerwartete(n) Wendung in der Affäre um das geleakte Ibiza-Video“ und von entlastenden neuen Textstellen, solchen also, die Spiegel und Süddeutscher Zeitung vorgelegen, von diesen aber absichtsvoll nicht im Wortlaut wiedergegeben bzw. vorgeführt worden, so wie die isoliert betrachtet möglicherweise belastenden oder belastend wirkenden Passagen.

So antwortet Strache auf die konkrete Frage, was die Oligarchin für ihre Millionen bekommen würde:

„Ja, aber das spielt’s nicht. (…) No way, mach ich nicht. Und bei mir nur gerade Geschichten, ganz gerade Geschichten.“

Auf den Einwand, dass so was im Osten ja üblich wäre wieder Strache:

„Nein, nein. Aber jetzt sind wir ehrlich. Mit jedem anderen Scheiß machst du dich angreifbar und ich will nicht angreifbar sein. Ich will ruhig schlafen. Ich will in der Früh aufstehen und sagen: Ich bin sauber.“

Auch Johann Gudenus sagt dazu klar und deutlich, das „wir nichts Illegales machen, Punkt“.

Die WELT schreibt Richtung Spiegel und Süddeutscher Zeitung von einer „bewusst nachteilige(n) Auswahl der Video-Stellen“.

Heinz-Christian Strache hatte betont, nie etwas „Unredliches“ getan zu haben. Sein Kommentar jetzt nach Auftauchen der weiteren Videoabschriften:

„Es zeigt sehr gut, wie manipulativ bei der Video-Veröffentlichung im Mai des Vorjahres vorgegangen worden ist. Die neuen fünf Minuten werden so wie der Rest des Videos belegen, dass ich immer wieder betont habe, nichts Illegales machen zu wollen.“

Nach der Veröffentlichung der Ausschnitte des viele Stunden langen Videos bei Spiegel und Süddeutsche Zeitung war Strache als Vizekanzler wie auch als Parteichef der FPÖ zurückgetreten. Die Regierung aus ÖVP und FPÖ zerbrach, Sebastian Kurz rief Neuwahlen aus, aus der die FPÖ nicht mehr mit Regierungsbeteiligung hervorging – zugunsten der Grünen als neue Koalitionspartner der ÖVP.

An diesem Medienskandal, den vor allem Spiegel und Süddeutsche Zeitung zu verantworten haben, ändert auch nichts, was seit dem Rücktritt Straches über sein Finanzgebaren in der FPÖ, seinen Umgang mit Personen in seiner Umgebung und sonst noch Negatives bekannt wurde.   Alexander Wallasch

 

 

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