Stationen

Mittwoch, 30. Oktober 2024

Mimimi seitens der Zerstörer

Einer gibt an Poetry-Slammer zu sein, und er sei mit neunzehn Jahren Medienberater geworden. Für die SPD sitzt er zum ersten Mal im Bundestag. Er ist über dreißig – einen Beruf hat er nicht. Ein anderer hat verschiedene Studien angefangen und sitzt für die Grünen im Bundestag. Er ist fast dreißig – hat während seiner Zeit im Bundestag ein Psychologiestudium abgeschlossen. Sicherlich eine Doppelbelastung, die ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Journalisten des „Spiegels“ haben über das unzufriedene Dasein dieser jungen Funktionäre einen Artikel geschrieben. Die Story hat sich gewissermaßen von selbst geschrieben. Die Funktionäre kehrten ihr Innerstes nach außen. Beide klagen über Gesundheits- und Selbstfindungsprobleme, über Arbeitsüberlastung, über perverse Bedingungen des Daseins als Bundestagsabgeordnete. Ein Direktor des Bundestages sagt: Es braucht für den parlamentarischen Betrieb vielleicht 150 Abgeordnete. Das seien die Wichtigen, die bestimmten, wo es politisch langgeht. Für den Rest müssen wir uns was ausdenken, dass die beschäftigt sind. 735 Abgeordnete gibt es. Die haben Büros, darin sitzen Mitarbeiter und Redenschreiber. In diesem Jahr gibt es an 105 Tagen Sitzungen des Bundestages. Die Montage gelten als Anreisetag, und freitags ist das Plenum dünn besetzt. Die Abgeordneten befassen sich in Ausschüssen mit allerlei Sachen. Reichen die Plätze in den Ausschüssen nicht aus, werden Unterausschüsse gebildet. Die sind besonders unwichtig. Das ist japanische Managementfolter auf Bundestagsniveau. Nichts zu tun, aber in Anwesenheitslisten eintragen.

„Der politische Betrieb ist teilweise pervers“, sagt einer, ohne zu sagen, was daran abartig sei. Angstzustände und depressive Phasen habe er erlebt. Klagen, um wahrgenommen zu werden. Das ist beiden Funktionären mit Hilfe der Medien gelungen. In einer Zeit, in der immer mehr Opfergruppen gesucht, gefunden werden, haben sie endlich ihren Ort. Es ist ihr größter politischer Erfolg. Die Journalisten haben ihre Artikel mit anklagender Larmoyanz geschrieben. Seht her, verehrtes Lesepublikum, so leiden die Funktionäre bei der Arbeit. „Fürs Redenschreiben sind wir zuständig“, sagt der Mitarbeiter eines Abgeordneten, der schon einige Reden geschrieben hat, die nicht gehalten, sondern, wie es heißt, zu Protokoll gegeben wurden. Die Reden unserer beiden hart am Burnout segelnden Funktionäre dauerten zwischen drei und sechs Minuten. Viele Reden haben sie in den letzten Jahren nicht vorgelesen. Solche gibt es viele im Bundestag. Persönlich auffällig, politisch harmlos. Solche Leute sind gut zu halten. Die parieren.

Die da medial ihr Opfersein zelebrieren, stehen für ein politisches Milieu, welches Politik mit Therapie verwechselt. Sie sind unfähig Privates und Berufliches zu ordnen. Sie scheitern am Alltag, aber Gesetze für die Republik, das klappt noch zwischen all den depressiven Schüben. Sie sind nicht erwachsen, und Politiker sind sie auch keine. Zu ihrem Milieu gehören Leute, die Tanzvideos machen, die ihre Mode vorführen und nebenbei ihre leeren Schreibtische. Die mit Perücke in Frauensaunen gehen, behaupten, eine Frau zu sein, ein Handtuch verdeckt gnädig das Gemächt. Die fallen durch ihre Exaltiertheit auf, nicht durch Arbeit an der Sache. Wie sind Parteien verfasst, die solche Zivilversager ins Parlament schicken? Die Abgeordneten bekommen 11.000 Euro monatlich, plus 5000 Pauschale, sie haben einen Freifahrtschein erster Klasse für die Deutsche Bahn, inklusive Fahrbereitschaft. In den Parlamentswochen gibt es jeden Abend Lobby- und Verbandsfeste. Für Essen und Trinken und Kurzweil ist gesorgt. Warum also das Jammerlappige? Sie halten das für Zeitgeist, und zum anderen wollen sie bleiben, was sie sind: Abgeordnete. Das gilt nicht nur für unsere zwei, sondern für sehr viele Funktionäre. Jetzt werden die Listen zur Bundestagswahl aufgestellt. Wenn man durch nichts aufgefallen ist, dann wenigstens jetzt durch das Leiden an der Sinnlosigkeit. Der Bundestag wird verkleinert, rot und grün werden kräftig Abgeordnete einbüßen. Deshalb gilt das Windhundprinzip. Überall im Land verlieren Menschen ihre Arbeit. Die Abgeordneten haben dabei mitgeholfen. Zu denen will man nicht gehören. Der nächste Depressionsschub folgt nach Schließung der Wahllokale.   Wahlig

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