Nicht einmal die Hälfte der Sizilianer ging am vergangenen Sonntag wählen. Nur 47 Prozent beteiligten sich an den Regionalwahlen. Offenbar blieben die frustrierten Linkswähler zu Hause und verhalfen damit auch Mitte-Rechts zum Wahlerfolg. Der Ex-Missino Musumeci, von der Lega ins Spiel gebracht, erst spät von Silvio Berlusconi unterstützt, löst die bisherige Mitte-Links-Regierung ab. Die Parteien links der Mitte wurden gewaltig dezimiert. Eine Umfrage ergab, dass die Italiener der sizilianischen Wahl eine große gesamtstaatliche Bedeutung beimessen. Kein gutes Omes für den Partito Democratico und für seinen Chef Matteo Renzi, Berlusconi hingegen kann sich freuen. Er ist mit seiner Koalition - die scharf rechtslastig ist - wieder auferstanden. Ein kräftiges sizilianisches Lebenszeichen.
Der Trend geht von links nach rechts
Das lose Berlusconi-Bündnis in Sizilien ist stark rechtslastig. Musumeci brachte seine Verbündeten aus dem ehemaligen Lager von Allenanza Nazionale mit. Diese Partei entstand aus dem Movimento Sociale Italiano, gegründet von Mussolini-Anhängern und Funktionären der faschistische Repubblica di Salo´am Gardsee, unter der Schirmherrschaft der Nazi-Wehrmacht und der SS-Truppen. Aber nicht nur altgediente Rechte sind die Stützen Musumecis. Noch vor Einreichung der Parteien-Listen wechselten 14 Kandidaten vom Mitte-Links-Lager nach Mitte-Rechts. „Kandidaten mit Vorstrafen oder undurchsichtigen Beziehungen zur Mafia,“ kommentierten Wahlbeobachter.Der Zweitplatzierte, nur knapp hinter dem Mitte-Rechten Musumeci, ist Giancarlo Cancelleri. Seine Cinquestelle-Fraktion ist die stärkte Gruppe im Regionalrat. Eine überraschende Stärke, wurde die „Bewegung“ doch von Skandalen erschüttert. Das regionale Gericht hatte die internen Vorwahlen für ungültig erklärt, weil einer der Kandidaten an seiner Kandidatur gehindert wurde. Vertreter der Cinque Stellle müssen sich außerdem vor Gericht verantworten, weil sie Unterschriften gefälscht haben sollen. Es mutete deshalb seltsam an, als Di Maio, der Spitzenkandidat der Cinque Stelle für die Parlamentswahlen, Wahlbeobachter der OSZE angefordert hatte.
Di Maio sagte ein geplantes TV-Duell mit Renzi ab. Renzi, so seine Begründung, ist für ihn kein Gegner mehr. Di Maio geht schon davon aus, dass Renzi den PD nicht mehr als Kandidat für die Ministerpräsidentenschaft in die Parlamentswahlen führen wird. Die sizilianischen Wahlen haben tatsächlich italienweite Folgen.
Beppe Grillo will den Zentralstaat zerschlagen
Die Lega, die immerhin mit acht Prozent der Stimmen in den Regionalrat gewählt wurde, suchte und fand die Nähe bei den Cinque Stelle von Beppe Grillo. Kein Wunder, will doch Grillo den italienischen Zentralstaat zerschlagen. Mkroregionen, große regionale Zusammenschlüsse, sollen die Basis des neuen Staates sein. Ein altes Lega-Projekt. Grillo will bei der glorreichen Vergangenheit der Republik von Venedig und des sizilianischen Königreiches anknüpfen. Diese regionalistische Allianz zwischen den Cinque Stelle und Lega Nord ist nicht überraschend. Beide haben letzthin im Parlament gemeinsame Schlachten geschlagen - gegen die Einwanderungs- und Einbürgerungspolitik sowie gegen die Justizpolitik der mittelinken Gentiloni-Regierung. Beide bereiten sich auf einen Europa-Wahlkampf vor, ein Rezept aus Anti-Euro-Allergie und EU-feindliche Slogans.Der Journalist Gerhard Mumelter hat auf dem Blog „saltobz“ das Ergebnis so kommentiert: „Konnte ein nüchterner Beobachter von den Wahlen in Sizilien anderes erwarten als Ernüchterung? Wohl kaum. Eine Insel, die sich seit Jahrzehnten als Brutstätte von Korruption und übelster Klientelwirtschaft erweist“. Die Bürger der Nord-Regionen überweisen über die Steuerzahlung an den Staat ihren sizilianischen Landsleuten mehr als 4.200 Euro, pro Kopf. Trotzdem ächzt die Region Sizilien unter einer Gesamtverschuldung von acht Milliarden Euro. In den letzten zehn Jahren hinterzogen die wohlhabenden Sizilianer 52 Milliarden Euro an Steuern. Fast eine Million Bürger der Region beantragte einen sogenannten Condono, einen Erlass für Bausünden.
Hinter der Autonomie steckt die Mafia
Die Autonomie von Sizilien ist weitreichend, sie war eine Konzession an sezessionstische Bestrebungen. Dahinter steckte die Mafia, urteilte der gebürtige Südtiroler Journalist Claus Gatterer in seinem Standardwerk „Im Kampf gegen Rom“. Die damals regierenden Democristiani, die Christdemokraten, benutzten die Autonomie zum Ausbau ihrer Vorherrschaft und ließen ihre Region vom Norden und Zentralstaat alimentieren. Die christdemokratische Autonomie verbrüderte sich mit der Mafia, der Krieg gegen sie wurde nur halbherzig geführt. Jüngste Vorwürfe gehen an Silvio Berlusconi, der mit seine Forza Italia gar einen Wahlpakt mit der Mafia geschlossen haben soll.Die sizilianische Region gilt als ein Paradies für Korrupte und Kriminelle sowie für teure Regionalpolitiker. Die sizilianischen Regionalpolitiker wussten die rechtlichen Möglichkeiten einer Autonomie auszunutzen. Ihre Leibrenten sorgen für Unmut anderswo in Italien, besonders dann, wenn Angehörige verstorbener Politiker sie kassieren. Italien-Kenner Gerhard Mumelter hat dazu eine Liste parat: „Natale Cacciola wurde 1947 für die inzwischen verschwundene monarchistische Partei in den sizilianischen Regionalrat gewählt. Für die drei Jahre, die er dort verbrachte, kassiert seine Tochter Anna Maria seit 42 Jahren eine monatliche Leibrente von 2000 Euro. Ähnlich liegt der Fall des Gewerkschafters Ignazio Adamo, der dem Regionalrat in Palermo von 1947 bis 1955 angehörte. Nach seinem Tod 1973 ging die Leibrente an seine Frau über, die sie 40 Jahre lang kassierte. Nach dem Ableben der Mutter erhält die Tochter des 1897 geborenen Abgeordneten monatlich noch immer 3900 Euro“.
117 solcher Leibrenten schüttet die Assemblea Regionale Siciliana monatlich aus - mit Beträgen bis zu 10.000 Euro.
Der Untergang der Linken
Gewählt wurde am Sonntag auch in Ostia, einem bevölkerungsreichen römischen Stadtviertel. Wegen mafiöser Unterwanderung der Verwaltung wurde der Stadtteil kommissarisch verwaltet war. Die kommunale Teil-Wahl am Sonntag war die erste Wahl nach dem Wahlsieg Raggis von den Cinque Stelle zur Bürgermeisterin der Hauptstadt.Wahlberechtigt waren 220.000 Bürger, die entspricht einer mittelgroßen italienischen Provinzstadt. Zwei Dittel blieben der Wahl fern und bestätigten damit die wachsende politische Abneigung der Bürger. Am Wahl-Tag wurde die prekäre Situation in der Peripherie der Hauptstadt deutlich. Bei einem Gewitter wurden einige Wahllokale überschwemmt, in anderen fiel der Strom aus. In der Stichwahl treffen die M5S-Kandidatin Guliana di Pillo (30 Prozent) und ihre Forza-Italia Gegnerin Monica Pilla (27 Prozent) aufeinander. Der Partito Democratico rutschte auf erbärmliche 13 Prozent ab. Der vom lokalen Mafia-Clan unterstützte Faschist Luca Marsella schaffte ein Ergebnis von 10 Prozent. Er wird aufgrund seiner Gruppe die Stich-Wahl entscheiden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.