Stationen

Donnerstag, 9. November 2017

Gedichte

"Es gibt nicht nur Menschenrechte,  sondern auch Eselsrechte, unveräußerliche Eselsrechte. Ein Grundrecht jedes Esels ist z.B. das Recht auf einen toten Löwen, dem er nach Herzenslust Fußtritte versetzen kann."
Carl Schmitt, Glossarium.


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Das deutsche Gefängnisgewerbe brummt, die Knäste sind voll, das Gold aus den Schiffen füllt immer mehr Zellen. Viele Delinquenten müssen gar nicht mehr einfahren, weil im Kittchen kein Platz frei ist. Freund *** hat eine gute Idee, die Lage zu entspannen: Man sollte, schlägt er vor, Vergewaltigung künftig einfach zur Ordnungswidrigkeit erklären. Außer natürlich bei Canaillen mit falscher Hautfarbe wie Harvey Weinstein.


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Ursula von der Leyen, die restdeutsche Verteidigungsministerin, hat in der Talkshow von Frau Illner über die Opposition in Polen gesagt: "Dieser gesunde, demokratische Widerstand der jungen Generation, den muss man unterstützen." Naturgemäß war man beim Nachbarn nicht amüsiert über diese durchaus dummdreiste Äußerung einer ja immerhin – auch wenn man's nicht glaubt – Ministerin, aber gottlob kommandiert Frau von der Leyen nicht die Wehrmacht, sondern bloß einen Bund deutscher Mädel (und neuerdings auch Muselmanen), so dass sich die Reaktionen in den Grenzen von 1989 hielten und in dem Vorwurf erschöpften, die Moralherrenmenschin mische sich in die inneren Angelegenheiten Polens ein. Als ob es so etwas Anachronistisches wie innere Angelegenheiten noch irgendwo gäbe!

"Polens rechtspopulistische Regierung tut schockiert und freut sich doch über einen kleinen Ausrutscher von Verteidigungsministerin von der Leyen", schrieb – beinahe hätte ich "berichtete" geschrieben, aber die drucken ja nur noch Kommentare ab – Spiegel online. "Begleitet wurde das Gezeter der nationalkonservativen Politiker von empörten Berichten regierungstreuer Medien und der öffentlich-rechtlichen Anstalten." Na so was. Regierungstreue Medien – Genossen, mal ohne Gezeter und Getue: Ist das kein Pleonasmus? Doch davon ganz abgesehen: Stellen wir uns vor, ein polnischer Minister hätte im TV gefordert, man müsse den demokratischen Widerstand von Pegida und der Identitären Bewegung gegen die permanenten Rechtsbrüche der Bundesregierung unterstützen – wie wären die Reaktionen von CDUSPDFDPGrünen darauf wohl ausgefallen? Zeternd? Aber das wäre ganz was anderes! Die Bundeswehreffeminierungsministerin hat doch ausdrücklich vom "gesunden, demokratischen" Widerstand gesprochen. In Deutschland ist die Regierung gesund und demokratisch, die Opposition indes ist krank und alt, selbst wenn sie jung ist, und missbraucht die Demokratie, indem sie mehr davon einklagt. Widerstand leisten ausschließlich diejenigen, die sich diesem opponierenden Pack engagiert entgegenstellen! 


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Zum Beispiel jenes schneidige Dresdner Fräulein, das einen Mitschüler wegen "Hitler-Gruß und Holocaust-Witzen" anzeigte und nun für ihre Zivilcourage mit einem Preis geehrt wurde (eine ihr vorausgehende Preisträgerin bekam die Auszeichnung übrigens für couragierten Widerstand gegen Pegida). Regelmäßige Besucher meines kleinen Eckladens wissen, was ich von Hitler und Holocaust-Witzen halte, sie wissen freilich auch, wie ich über die Förderung von Petzen und Denunzianten denke. Man kann eine Plage schwerlich durch eine andere bekämpfen, denn die bliebe am Ende übrig. Letztlich ist dieser Fall aber ein Beleg dafür, wie friedlich es in Sachsen noch zugeht, denn wenn es sich um den Antisemitismus von Araberbuben gehandelt hätte, hätte sich das Mädel doch niemals getraut, ihre Mitschüler anzuzeigen, die hätten der deutschen Schlampe schon gezeigt, wo es langgeht, und außerdem wäre es ja ausländerfeindlich gewesen.

Mir hat heute ein Journalist erzählt, dass es bei der Berliner Polizei eine Anweisung "von oben" geben soll, auch antisemitische Straftaten von Muslimen unter "Rechtsextremismus" zu rubrizieren. Ist unter den Lesern vielleicht der eine oder andere Beamte, der das bestätigen oder dementieren kann? 


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Die Wahrheits- und Qualitätsmedien versuchen derzeit mit erhöhtem Druck, Ängste zu schüren und die Bevölkerung zu hysterisieren, indem sie den Klimawandel als menschengemacht und als größte Gefahr für das Menschengeschlecht darstellen. Das Motiv ist klar, man will die ungleich größere Gefahr, die von der Bevölkerungsexplosion in den zivilisatorisch etwas zurückgebliebenen Weltgegenden ausgeht, und die daraus resultierende Völkerwanderung kleiner ausschauen lassen. Während ein minimaler Anstieg der Durchschnittstemperatur oder der Kohlendioxidkonzentration Anlass für Alarm ist und auch Veränderungen bei der zweiten Stelle hinter dem Komma mit Schreckensrhetorik kommentiert werden, gelten Grenzwerte bei der Einwanderung als inhuman, bewegen sich zweistellige Prozentzuwächse bei den importierten Vergewaltigern, Räubern, Gefängnisinsassen, Sozialhilfebeziehern und Analphabeten im tolerablen Bereich. "Jeder regt sich über die Klimaerwärmung auf, aber keiner kümmert sich um die sinkende Intelligenz", wundert sich seinerseits Hadmut Danisch, und recht hat er.


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Leser *** bedenkt mich regelmäßig mit Links auf aktuelle Narreteien und schreibt sarkastische Kurzkommentare dazu. Das sieht dann beispielsweise so aus:

"Auch das ist Buntheit. Völker sind wertekonsensfähige Solidargemeinschaften. Bevölkerungen sind hingegen sterile Konstrukte kalter, misstrauisch nebeneinander her lebender und konkurrierender Völker. Hat man Ausweichmöglichkeiten, zieht man um. Hat man keine, setzt man sich entweder durch oder unterwirft sich den Wertvorstellungen der Konkurrenz. Und die neue Konkurrenz definiert 'Menschlichkeit' wohl etwas enger."

"Wir halten fest: Eine legale Schusswaffe war schon wieder erforderlich um den Einsatz einer illegalen Schusswaffe zu beenden. Amokläufer bevorzugen deshalb die 'gun-free Zone', wissend, dass die Durchschnittsankunft der Polizei in den USA bei 11 Minuten liegt. In diesem Zeitraum sind sie die absoluten Herrscher des Chaos, sehr zum Leid ihrer wehrlosen Opfer. Es sei denn, ein mündiger, bewaffneter Bürger schreitet ein und gewinnt das Feuergefecht."

"Es handelt sich hier lediglich um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Hass und Vorurteile. Wer denkt, wir verlieren hier etwa endgültig den öffentlichen Raum und werden schleichend zum Dritte-Welt-Staat, der ist ein Angstmacher und Gesellschaftsspalter.
Es ist aber nicht so, als würde man nichts dagegen tun."


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Ich bin teilnahmsvoll gespannt, was die mit dem Grundgesetz bekanntlich vollrohr kompatible Scharia zu dem neuen dritten Geschlecht sagt, welches das Bunte Verfassungsgericht soeben abgesegnet und damit in den behördlichen Gebrauch eingeführt ein.


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Die bizarren Zustände bei der Berliner Polizei haben es heute sogar in die Tagesschau geschafft, wo irgendein SPD-Senator (wahrscheinlich für Inneres) gesagt hat, jetzt würden sämtliche arabisch- und türkischstämmigen Polizisten "unter Generalverdacht gestellt" (wer tut das? man muss jedem, der diese Formulierung verwendet, zutiefst misstrauen). Bei Berliner Politikern weiß man nicht, ob sie selber irgendwo mit drinhängen oder ob sie vielleicht erpresst und bedroht werden, ansonsten versucht der Mann nichts weiter, als seine Verantwortung zu verleugnen und einen auf Rassismus-Detektor zu machen; man hat bei den jahrelangen Gruppen- und Massenvergewaltigungen im englischen Rotherham gesehen, wie weit solche Figuren beim Verleugnen und Rassismus-Unterstellen gehen. Die öffentlich-rechtliche Spitzentörin A. Reschke schlug hier ähnliche Töne an: "Es ist schon absurd, was derzeit in Berlin passiert. Polizeiausbilder verunglimpfen Polizeischüler mit Einwanderungshintergrund in rassistischer Weise, und das wird – und das ist das wirklich Absurde – von weiten Teilen der Politik und den Medien wie ernstzunehmende Sachkritik 'geprüft'. Geprüft heißt hier, dass den anonymen Vorwürfen von angeblichen Polizeiausbildern nachgegangen wird."

Hadmut Danisch hat die Sache in seinem Blog beharrlich verfolgt (hier, hier und hier) und ist auf die bemerkenswerte Tatsache aufmerksam geworden, dass es zwischen der NDR-Redaktion, die zur Verfolgung der Whistleblower aufruft, und einem sog. Bildungswerk, das Migranten mit defizitären Fähigkeiten (jedoch womöglich anderen Fertigkeiten, von denen erst vage Vorstellungen bestehen) in die Berliner Polizei schleust, personelle Verbindungen bestehen:  

"Dieses Bildungswerk hat also direkt die Finger drin, Migranten, die jetzt in der 'Bestenauslese' nicht so dolle Karten haben, zusammen mit der Berliner Polizei in die Ausbildung zu hieven. Die machen ihr Geschäft damit, das ist eine GmbH, irgendwoher muss das Geld ja kommen. Und jetzt geht die Sache schief, es gibt einen Skandal, noch dazu geht es um Prüfungsbetrug und Drohungen gegen Prüfer, mangelnde Deutschkenntnis, mangelndes Allgemeinwissen. Und was passiert? Ein Absolvent dieses 'Bildungswerks' hockt bei Reschkes Panorama und hetzt frontal gegen 'besorgte Bürger', die seien das Problem der Polizei, nicht Migranten. So sieht’s aus beim NDR. Und dann empören die sich, dass jemand denken könnte, sie würden politisch gesteuert. Wer glaubt denen noch was?"

Tatsächlich wird es im NDR-Propagandakorps bald so aussehen, dass die Reschkes nicht mehr die Banditen schlimm finden, sondern die Erwähnung von deren ethnisch-kultureller Herkunft (wir sind doch alles Menschen!), wie man das ja in Schweden, dem sozialdemokratischen Musterland, schon erleben kann. Nicht der Vergewaltiger ist dann der Schuft, sondern die Frau, die eine rassistische Täterbeschreibung abgibt.


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"Sehr geehrter Herr Klonovsky,

Ihre Ausführungen zum Goethe-Jahr 1999 und die beigefügten Fax-Dokumente haben mich an eine Talk-Show aus diesem schon lange zurückliegenden Jahr erinnert, die bei mir einen bleibenden Eindruck hinterließ. Die Gäste waren damals bekannte Personen aus Politik und Kultur, je zur Hälfte mit DDR- und BRD-Herkunft, deren Namen ich leider vergessen habe, bis auf zwei: Elisabeth Noelle-Neumann und Rolf Schneider. Es ging um Goethe und um eine Bestandsaufnahme der Kenntnisse über ihn: Lebensdaten, seine bekanntesten Werke, Geschichtliches. Eine Frage an die Gesprächsteilnehmer lautete: Können Sie ein Gedicht, eine Passage aus einem seiner Werke oder auch nur ein kurzes Zitat auswendig hersagen?

Während die gewesenen DDR-Bürger ihren Goethe noch recht gut kannten, waren die Kenntnisse der BRD-stämmigen Personen erschütternd dürftig. Eine Literaturwissenschaftlerin! äußerte sich sogar abfällig zum Auswendiglernen von Gedichten. Sie könne dessen Nutzen nicht erkennen! Rolf Schneider erwiderte darauf, daß ihm ein kleiner Gedichtband unter seiner Uniform während seines Fronteinsatzes im WK 2 mehrfach über die schwersten Stunden in dieser schrecklichen Zeit hinweggeholfen habe. (...)

Als wir (meine Familie) Anfang 1990 von der damals noch existierenden DDR in die BRD übersiedelten, war meine jüngere Tochter gerade im 8. Schuljahr. Sie wurde durch den  Direktor eines Dortmunder Gymnasiums nur widerwillig in dessen Schule aufgenommen. Ob es unbedingt das Gymnasium sein müsse, die Realschule würde doch auch genügen. Außerdem wollte man sie in das 7. Schuljahr zurückversetzen, da man in der DDR die Einsen doch geschenkt bekommen habe und ihr gutes DDR-Schulzeugnis ihn daher nicht beeindrucke. Er prophezeite uns die Versetzungsgefahr. Wir ließen uns nicht einschüchtern, und am Schuljahresende war unser Kind unter den drei Klassenbesten.Die Lehrinhalte waren, abgesehen vom Fach Französisch, im Vergleich zur DDR-Schule, nicht besonders anspruchsvoll, weshalb meine Tochter in der Folge ein anderes Gymnasium besuchte, wo sie u. a. endlich Latein lernen konnte und im Jahr 1995 ein Bestabitur ablegte. Bis zum 9. Schuljahr kamen im Fach Deutsch keine Klassiker vor. Dafür wurde sechs Wochen lang das Stück 'Kinder vom Bahnhof Zoo' behandelt, was dann noch mit dem Besuch der entsprechenden Theateraufführung in Dortmund 'gekrönt' wurde. Goethe, Schiller, Lessing, Heine – Fehlanzeige. Unsere erste Tochter (DDR-Abiturjahrgang 1989) erhielt auf ihre Bewerbung zum Studium der Biochemie an der Universität Tübingen vom Kultusministerium in Stuttgart die zurückweisende Antwort, es fehle die Anerkennung ihres ausländischen Abiturs, obwohl das DDR-Abitur inzwischen von bundesdeutscher Seite offiziell anerkannt worden war.

Der Widerspruch zwischen dem für uns offensichtlichen Mißbrauch des Unterrichtsfaches Deutsch und dieser arroganten Begründung hat uns seinerzeit sehr beschäftigt. Unsere Töchter haben trotzdem studiert und ihren Weg gemacht. Aber vergessen will ich es nicht, womit ich zum zweiten Teil ihrer sonntäglichen Einträge komme, nämlich dem Klaus-Kleber-Vortrag an der Universität Heidelberg. Auch mich beschäftigen die Verhaltensweisen der gegenwärtigen deutschen Studentenschaft, wobei ich über deren Inaktivität, politischen Irrglauben, Desinformation, Einzelgängertum, mangelnde Urteilskraft und daraus folgende Manipulierbarkeit einfach nicht hinwegkomme. Aber ist das nicht furchtbar? Ich hatte während meines Berufslebens (als Chemikerin) vielfach Gelegenheit, Praktikanten und Absolventen dieses Faches anzuleiten und einzuarbeiten und bin dabei, bis auf eine Ausnahme, immer wieder auf politisches Desinteresse und erschreckende diesbezügliche Kenntnislücken gestoßen. Nun ist die Chemie gottseidank weitgehend unabhängig von den jeweils herrschenden politischen Verhältnissen. Dafür ist die Verdummung in den Geisteswissenschaften besonders gravierend. Man hat das Gefühl, daß die Gehirne dieser Studenten (heute darf man ja nur noch Studierende sagen) mit der Immatrikulation konditioniert werden."

Recht haben Sie, gnädige Frau! Schon Kinder besitzen eine naturhafte Freude am Reim und am Selberreimen. Die meisten Gedichte lernt man nicht auswendig, sondern man erinnert sich ihrer. Gedichte sind Türen – Fluchtwege – in andere Welten. An Menschen, die keine Gedichte auswendig wissen, ist jede Mühe verschwendet.   MK am 8. 11. 2017





Dasselbe habe ich in den 70-ern auch durchgemacht. Wir lernten in der Schule nicht nur nicht Gedichte, man wurde auch noch mit spöttischen Bemerkungen zum Schweigen gebracht, wenn man sich für das Auswendiglernen von Gedichten, Merkversen, Sprichwörtern, Aphorismen oder klugen Zitaten aussprach. Das sei nur "totes Wissen". Keiner widersprach. Die Lehrerin, die uns dieses Weltbild am engagiertesten eintrichterte, ließ uns ein einziges Gedicht tatsächlich eines Tages auswendig lernen. Es handelte sich um Uhlands "Schwäbische Kunde", die wir an einem schwäbischen Gymnasium - offenbar um es uns besser abzugewöhnen - plötzlich auswendig lernen sollten. Dass wir Volkslieder als unzeitgemäß und überholt empfinden sollten, besonders, wenn darin das Wort "Treue" vorkam, hatten wir bereits Jahre vorher verinnerlicht und keiner von uns hätte je einen Einwand erhoben, selbst dann nicht, wenn er jedesmal einen Stich spürte, wenn die Herabsetzung von etwas Überliefertem. das sich einstmals völlig selbstverständlich und sehr lange bewährt haben musste, inszeniert wurde. Und nun war Uhland dran. Wir erfuhren nichts, absolut nichts über ihn (und so gut wie nichts über Barbarossa außer ein paar abstrakten Umrissen zum Machtgefüge zwischen Nordsee und Mittelmeer), aber wir wussten, dass wir sein Gedicht als lächerlich empfinden oder wenigstens belächeln sollten (so wie wir Brecht und vor allem Kafka als Offenbarung ansehen sollten), dass wir es nicht zum Anlass einer Kontextualisierung nehmen sollten, durch die wir eine andere Epoche und die in ihr vorherrschende Mentalität, ohne uns über sie zu erheben, erschließen könnten und dass wir mit diesem Gedicht auch dessen Dichter lächerlich finden sollten und auf seine Epoche und damals übliche Gefühle (und am besten auch auf Gefühle im Allgemeinen; das "Bauchgefühl" war damals noch nicht rehabilitiert, bzw. noch nicht geboren) von der hohen Warte unserer Gegenwart herabsehen sollten und auch das Bürgertum - an das Uhland seine Verse angeblich richtete (obwohl seine Verse sich hervorragend eignen, um einfachen Menschen ein gutes Deutsch vorzuführen und in ihnen wachzurufen) - im allgemeinen lächerlich und überholt finden sollten und vor allem das Auswendiglernen von Gedichten sollten wir als unnütz und verdummend empfinden, so wie wir Kafkas Parabeln dagegen als aufklärend ansehen sollten. Wir wurden zu kritischem Verstand ermahnt, aber wehe, wir hätten gewagt, kritischen Verstand zu zeigen. Wir wurden manipuliert und gehirngewaschen. Einer, der diese Gehirnwäsche bis aufs Mark verinnerlicht hat und heute förmlich vor Ekstase quiekt, wenn er sich enthusiastisch über Kafka - den teuflischsten aller Entzauberer, die die Graue Muse auf den Plan gerufen hat - zu äußern hat, ist Dennis Scheck. Ein intelligentes Schwein, das sich exhibitionistisch im Dreck wälzt, um seine Perversionen in aller Freiheit auszuleben, ächtet die Verlegenheit.

Besonders schlimm war, dass wir 14 Jahre alte Kinder nicht einschätzen konnten, ob das alte Gedicht nur komisch auf uns wirkte und von Uhlands Zeitgenossen womöglich als bedächtige Anekdote, die dem Pathos seiner Zeit entsprach, empfunden wurde oder ob die Komik dem verschmitzten Humor des Autors entsprach und beabsichtigt war. Zu fragen traute sich niemand, obwohl keiner wusste, was Schwabenstreiche sind und im Gegensatz zu den Nachkiegsdichtern von nach 1945 und nach 1648 wurde Uhland weder "interpretiert" noch erläutert.
Aber damals war die Indokrination wenigstens noch nicht boshaft, machthungrig und je nach dem duckmäuserisch oder denuntiatorisch, sondern nur idealistisch und dumm. Aber es war dennoch für uns Schüler nicht möglich, gegen den allgemeinen Trend anzukommen, da selbst die konservativen Lehrer außer spießigen Unmutsbekundungen wenig Brauchbares vorweisen konnten, was man dem hätte entgegensetzen können und unsere Eltern (und in meinem Fall die einer anderen Generation angehörenden Geschwister) zu ungebildet waren, um uns helfen zu können.

Die Dummheit der neuen Indoktrinateure und die Dummheit der altbackenen historischen Verlierer hielten sich die Waage, wobei erstere jedoch den Zeitgeist und die Literaturpreisträger auf ihrer Seite hatten. Mich beschäftigte infolgedessen z.B. die Frage, was an Schillers Gedicht "Die Glocke" zeitlos ist und was nicht, Jahre lang immer wieder. Später las ich mit diesem Kriterium den Faust und Dantes Commedia.

Man mache die Probe aufs Exempel und lese die Glocke heute, vor dem Hintergrund des Genderwahns. Was ist an der Glocke zeitlos, was nicht? Meine These ist, das sich heute die gesellschaftliche Praxis weiter vom Zeitlosen entfernt hat als Schillers der "Glocke" zugrunde liegende Annahmen. Aber auch, dass diese Entfernung zusammen mit der Gentechnologie und der ideologischen Hartnäckigkeit der Weltverbesserer sich phylogenetisch niederschlagen und als "neue Zeitlosigkeit" stabilisieren und verewigen könnte.

Aus heutiger Sicht bin ich froh, dass wir die schauderhaften Gedichte, die wir damals interpretieren sollten, nicht auch noch auswendig lernen mussten. Aber dass ich in all den Jahrzehnten nie einem Deutschen begegnen würde, der die Klassiker nicht verspottet, dass hätte ich damals nicht vorausgeahnt. Und hätte ich es vorhergesehen, hätte mir dies jeden Lebensmut genommen. Das Schlimmste aber ist, dass in Deutschland, die wenigen, die die Klassiker heute verteidigen, immer noch mehrheitlich altbackene, dumpfe, antiquierte Geister (Gespenster) sind. Die wenigen brillanten Köpfe, die in Deutschland noch realitätstüchtig sind, tragen mittlerweile alle das Stigma des Rechtsradikalismus und sind schnell aufgezählt: Thorsten Hinz, Michael Klonovsky, Götz Kubitschek, Botho Strauss.

Man muss sich in einer Zeit, in der die humanistische Schulbildung in Deutschland völlig die Orientierung verloren hat (zumindest in den westlichen Bundesländern, außer vielleicht Bayern) eben selber die Gedichte und Volkslieder zusammensuchen, die man gerne auswendig kennen möchte und sie dann - gemäß Ulla Hahns "Gedichte fürs Gedächtnis" - auswendig lernen und seinen Kindern weitergeben. Die Schule hilft einem da generell seit 50 Jahren nicht mehr in Deutschland. In Italien wird das eine oder andere Gedicht noch gelernt. Ich empfehle D'Annunzio, Trilussa und Dante. Letzteren kann man in Burkhardts Übersetzung sogar auch auf deutsch auswendig lernen.

Die wenigen mir zusagenden Zitate und Gedichte, auf die ich während meiner Jugend durch puren Zufall wider alle Wahrscheinlichkeit stieß, brauchte ich nicht auswendig zu lernen. Sie prägten sich mir durch einmaliges Lesen ein, denn ich bekam starkes Herzklopfen beim Lesen und ihr Wortlaut brannte sich mir dadurch ins Gedächtnis:

"Wer international sein will, muss erst einmal national sein." Bela Bartok

"Ein Narr selbst nichts zu sagen wagt,
nur weils ein Nazi schon gesagt." Eugen Roth

"Was bringt den Doktor um sein Brot?
a) die Gesundheit, b) der Tod.
Drum hält er uns, auf dass er lebe,
zwischen beiden in der Schwebe."   Eugen Roth

"Prüfet aber alles, und das Gute behaltet!" 1. Thess. 5, 21

"Die Kraft der Erinnerungen kommt aber immer wieder aus der Kraft der Dankbarkeit. Man soll sich im Gebet um Sammlung zur Dankbarkeit bemühen."   Dietrich Bonhoeffer

"Patria o muerte!" Che Guevara

"Optimismus ist in seinem Wesen keine Ansicht über die
gegenwärtige Situation, sondern er ist eine Lebenskraft." Dietrich Bonhoeffer



may i be gay

like every lark


who lifts his life

from all the dark



who wings his why

beyond because


and sings an if

of day to yes       Cummings



Quant'è bella giovinezza
che si sfugge tutta via!
Chi vuol esser lieto sia,
del doman non vi è certezza.  Lorenzo il Magnifico


Überraschenderweise ist unter den wenigen Texten, die sich mir spontan ins Gedächtnis prägten, auch ein Gedicht von Brecht. Es ist eines der wenigen unpolitischen, die er schrieb. Und es entschädigt mich für die vielen Stunden meines Lebens, die ich zu vergeuden gezwungen war, um seine abwegigen Theorien zu widerlegen und um die durch seine Verdrehungen entstellte Realität wieder zu entzerren und auf die Füße zu stellen:

Am See, tief zwischen Tann und Silberpappel
Beschirmt von Mauer und Gesträuch ein Garten
So weise angelegt mit monatlichen Pflanzen
Dass er vom März bis zum Oktober blüht.

Hier in der Früh, nicht allzu häufig, sitz ich
Und wünsche mir, auch ich mög allzeit
In den verschiedenen Wettern, guten, schlechten
Dies oder jenes Angenehme zeigen.

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