Stationen

Freitag, 10. November 2017

Angst und Verblödung

Absurde aktuelle Debatte im Stuttgarter Landtag auf Antrag der Grünen. Titel: "Kunst ist eine Tochter der Freiheit – eine Debatte aus Anlass des Falls ‚Serebrennikov’ in der Oper Stuttgart". Falls Sie den "Fall" nicht mitbekommen haben: Kirill Serebrennikow ist ein russischer Theaterregisseur, der an der Oper Stuttgart Humperdincks "Hänsel und Gretel" inszeniert hat (genau, es handelt sich um die hier bereits angesprochene trendige Inszenierung mit zwei schwarzen Titelfiguren), zugleich Leiter des Moskauer Gogol-Zentrums, und steht seit August wegen (angeblicher) Veruntreuung von Staatsgeldern in Höhe von rund einer Million Euro unter Hausarrest. Was an dem Vorwurf dran ist, wird sich zeigen oder auch nicht. Absurd war die Landtagsdebatte aus einem anderen Grund: Es war ein Steinewerfen aus dem Glashaus – und ich habe den Redebeitrag der Grünen noch nicht einmal gehört, weil mein Zug Verspätung hatte. Ich lauschte immerhin Petra Olschowski, der Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, sowie dem FDP-Abgeordneten Nico Weinmann. Beide zogen gegen die Einschränkung der Kunst- und Meinungsfreiheit in Putins Russland zu Felde, und entweder bemerkten sie es nicht oder sie sind wirklich so abgezockt, aber fast alles, was sie an Russland kritisierten, müssten sie auch an Deutschland rügen: die immer mehr um sich greifenden Zensur, die in der Bevölkerung wachsende Angst, seine Meinung zu äußern, die schleichend strangulierte Freiheit von Wissenschaft und Kunst, die Ächtung von Andersdenkenden...

Es ist ja gerade zwei mal Monate her, dass der Spiegel seine Bestellerliste fälschte, um Rolf Peter Sieferles "Finis Germania" verschwinden zu lassen, dass Buchhändler dieses Buch boykottierten, dass eine gesamte Sachbuchjury seinetwegen aufgelöst wurde. Erinnern wir uns daran, dass die Katzenkrimis des Akif Pirincci praktisch für seine politischen Bücher in Sippenhaft genommen, eingestampft wurden und aus Bibliotheken verschwanden.

Oder nehmen wir einen gerade aktuellen Fall aus Berlin. Das Gedichtes "avenidas" von Eugen Gomringer, das auf der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin steht, soll entfernt werden, weil der Asta es so will, denn, so heißt es in einem offenen Brief, dieses Gedicht vertrete "eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren" und erinnere "zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind". Zwar beschreibe Gomringer in seinem Gedicht "keineswegs Übergriffe oder sexualisierte Kommentare, und doch erinnert es unangenehm daran, dass wir uns als Frauen* nicht in die Öffentlichkeit begeben können, ohne für unser körperliches ,Frau*-Sein‘ bewundert zu werden. Eine Bewunderung, die häufig unangenehm ist, die zu Angst vor Übergriffen und das konkrete Erleben solcher führt." Wetten, dass diese Hochbegabten zugleich für die "Willkommenskultur" trommeln?

Das 1953 verfasste Gedicht des bolivianisch-schweizerischen Schriftstellers ist lediglich eine puristische, minimalistische Beschreibung dessen, was ein Flaneur halt so sieht:

avenidas
avenidas y flores
flores
flores y mujeres
avenidas
avenidas y mujeres
avenidas y flores y mujeres y
un admirador

Blumen und Frauen in einem Atemzug! Sah ein Knab' ein Röslein stehn, wie? Na der soll nach Russland gehen mit seinen sexistischen Phantasien!

Erinnern wir uns ferner an das Wandgemälde im Beruflichen Schulzentrum für Wirtschaft in Chemnitz, 30 Quadratmeter groß, das 2010 übermalt wurde, weil der Künstler, Benjamin Jahn Zschocke mit Namen, Mitarbeiter der Stadtratsfraktion von "Pro Chemnitz" war und bei seinem Stadtpanorama-Gemälde die Kuppel der Markthalle mit einem Keltenkreuz versehen hatte, angeblich ein Nazi-Symbol. Oder, um wieder in die Gegenwart zu wechseln: In der Mensa der Uni Göttingen wurden jetzt nach Beschwerden bei der Gleichstellungsbeauftragten die Bilder der Ausstellung "Geschmackssache" entfernt, angeblich waren sie "sexistisch" und diskriminierend ohnehin, weil sie perfekte Frauenkörper zeigten.

Überall ist in den vergangenen Jahren der Gesinnungsdruck gestiegen, in den Schulen, an den Universitäten, in Kirchen, Parteien, Medienhäusern, Vereinen, überall herrschen Bekenntniszwang und der Eifer, auf der richtigen Seite zu stehen. Wer den immer enger werdenden Korridor des Erlaubten verlässt, ist schnell seine Reputation oder gleich den Job los, wird nicht mehr eingeladen, muss sehen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Erinnern wir uns all der Hexenjagden auf unangepasste Professoren von Nolte bis Baberowski, all die Anschläge auf Oppositionspolitiker und ihre Häuser, Büros, Autos, an das Netzwerksdurchsetzungsgesetz und so fort. Aber die Landtagsredner erwähnten nichts dergleichen, sondern es ging ausschließlich um Russland. Der FDP-Mann warf Putin vor, dass er die Meinungsfreiheit auf Umwegen einschränke, weil Zensur in Russland ja verboten ist. Aber genau dasselbe passiert doch auch hier! Im Internet hat Justizminister Maas mit massiven Strafdrohungen Unternehmen wie Facebook die Zensur aufgebürdet, um diese verfassungswidrige Drecksarbeit nicht direkt dem Staat zu überantworten, und im Alltag übernimmt die sog. Zivilgesellschaft diese Mission, auf dass sich die Oberzensoren jederzeit herausreden und auf die vermeintliche Freiwilligkeit der täglichen Gesinnungshatz verweisen können, während von ihnen bewilligte Millionenbeträge in den "Kampf gegen rechts" und all die anderen Töpfe fließen, aus denen die modernen Spitzel und Inquisitionszuarbeiter alimentiert werden.

Der FDP-Redner entblödete sich ferner nicht, die Hürchen von "Pussy riot" als Zeugen für Putins Einschränkung der Kunstfreiheit aufzuführen. Was würde unser Schelm wohl sagen, wenn das Trio sein nächstes "Punk-Gebet" – O-Ton: "die Kirche ist die Scheiße Gottes" – in einer deutschen Moschee (oder Synagoge) zelebrierte? Auch ein Alexej Nawalny muss für die Verfolgung der Opposition in Russland herhalten. Was ist dann aber mit den Reichsbürgern oder der NPD in Deutschland?

Eine Besonderheit das baden-württembergischen Abgeordnetenrechts gibt fraktionslosen Parlamentariern die Möglichkeit, zu jeder Debatte für zwei Minuten das Wort zu ergreifen. Das tut der Abgeordnete Wolfgang Gedeon auch diesmal, und er bringt das Problem auf den Punkt: "Sie reden hier von Kunstfreiheit, tatsächlich geht es um Geopolitk und die Isolation Russlands", sagt er. Und was den Herrn Nawalny betrifft: der befände sich "so weit rechts von der NPD, der würde hier im Gefängnis sitzen". Aber auch das wäre etwas ganz anderes. Im Gegensatz zu Russland werden hier nur Leute verfolgt und mundtot gemacht, die es verdient haben. MK am deutschen Schicksalstag

Klonovsky ist nicht nur der einzige Mensch in Deutschland, der noch seine 7 Sachen beisammen hat, er ist auch der einzige intelligente Kopf, der den Mut besitzt Pirincci betreffend die Erinnerung an die Wahrheit am Leben zu erhalten und sogar zu unterstreichen, dass selbst Gedeon recht hat, wenn er recht hat. Standing ovation!! Denn die AfD ist mehrheitlich immer noch eine Partei von Angsthasen, unfähig, zum Gegenangriff überzugehen.

 
In Italien hat mittlerweile der Bruder eines in Ostia kommandierenden Mafiabosses eine Erklärung zu Gunsten der Casa Pound für die nächsten Wahlen abgegeben. Und von einem Journalisten dazu befragt, brach er dem Interviewer vor laufender Kamera mit einem Stirnstoß das Nasenbein. Das Video wurde mittlerweile so oft im Fernsehen gezeigt, dass sich jeder in Italien (wo es im Gegensatz zu Deutschland keine Zensur gibt, bzw. nur eine, die nicht funktioniert - und auf jeden Fall einen Meinungsvielfaltseifer, von dem wir in Deutschland nicht einmal träumen können) satt sehen konnte.
Da Gewalt selbstverständlich abgelehnt werden muss, zumal es sich hier um mafiöse Einschüchterung seitens eines Bossbruders handelte, reagierten alle italienischen Medien folgerichtig mehr oder weniger entsetzt. So weit, so normal.

Aber in den "sozialen Netzwerken" erntete der gewalttätige Interviewte begeisterte Zustimmung. Denn in Ostia ist Casa Pound die einzige menschliche Gemeinschaft, die sich 1. um die Armen kümmert, 2. um die Aufsicht der Kinder berufstätiger Mütter kümmert.

Das ist eine Zäsur, die weit über den von Trump geernteten Konsens hinausgeht. Das Entsetzliche daran ist, dass der Bruder des Mafiabosses geradezu meisterhaft eine in letzter Zeit enorm konsensgewinnende, neue politische Formation für sich gekapert hat, die eigentlich zu ihren ernst zu nehmenden Antagonisten gehört (was natürlich Allianzen wie die zwischen Stalin & Hitler oder die von George Dabbeljuh befürchtete zwischen Bin Laden & Saddam nicht ausschließt). Nun muss Casa Pound sich aus dieser Umarmung befreien, ohne die Wähler zu verprellen, die glücklich darüber sind, dass dem linken Journalisten die Nase gebrochen wurde.

Hut ab vor der italienischen Berichterstattung, die zwar versucht, durch gezielte Kommentare die Deutungshoheit zu behaupten, aber ganz anders als es in der BRrrrrrrD mittlerweile üblich ist, nichts verschwieg. Und Hut ab vor der Unbefangenheit und dem Freimut der italienischen Öffentlichkeit!! Der Teil der Bevölkerung von Ostia, der bei Casa Pound Gemüse kauft, schwieg lieber und entschied sich für die Omertà, um nirgends anzuecken. Aber wenigstens die nicht direkt betroffenen Personen (und zum Teil sogar die betroffenen!!) redeten "frei von der Leber weg" (eine Redensart, die in Deutschland offenbar noch kaum jemand kennt, geschweige denn gebraucht). Und bei jedem Satz spürte man, wie sehr wir Deutsche ein Volk duckmäuserischer Deppen geworden sind und dass bei uns das Gesetz der Omertà vor allem von den Medien selbst seit langem zur Ausgangsbasis ihrer Investigationen geworden ist.

Was wir mit Italien gemeinsam haben, ist nun die Tatsache, dass die Angst um sich greift. Dass Legalität nicht nur in Neapel nicht mehr gewährleistet ist, dass sich der Rechtsstaat aus bestimmten, mittlerweile geographisch verortbaren Bereichen zurückzieht und sie zu Territorien von Clans werden lässt ist nichts Neues für Italien (für Italien ist nur neu, dass Rostock der Camorra günstigere Bedingungen bietet als Neapel). Im Gegenteil, und mit dem Vorteil, dass die Clans in Italien autochtone sind, quasi staatserhaltende, zumindest texturgewährleistende. Aber in Deutschland sind die Clans, die sich gerade ihre Territorien erobern, eben nicht autochton und sie sind außerdem etwas Neues. Und für den Umgang damit haben wir keinerlei historische Erfahrung, denn die deutschen Rocker sind ein Kindergarten im Vergleich zu Mafiaclans und kurdisch-arabischen Familienclans. 
Massenschlägereien sind längst alltäglich in Deutschland. Straßenkämpfe werden in Italien (trotz ähnlicher Geburtenrate wie in Deutschland) vorstellbar und von Tag zu Tag wahrscheinlicher. In Deutschland hat die Angst seit langem dazu geführt, dass sich außer den Muslimen niemand mehr traut zu sagen, was er denkt. Denn die deutsche Xenophilie ist eine behördlich und medial verordnete ohne spontan-private Komponenten, wie sie im gastfreundlichen Italien üblich sind, wo die Araber auch ohne Unterricht zeimlich schnell italienisch lernen, weil man mit ihnen spricht, statt sie segregierend irgendwo unterzubringen, um sie möglichst aus dem Blickfeld zu holen.

In Italien sieht man, dass die Anst wächst, daran, was gesagt wird und an der Sprachlosigkeit, die nicht das Ergebnis der Angst ist, sondern der Fassungslosigkeit. Nein, in Italien ist die wachsende Angst daran zu erkennen, dass das, was ausgesprochen wird, wie eine Sprachblase im Raum steht und niemanden mehr erreicht. Das Verstummen ist deutsch. Aber es ist nicht die Stille des tätigen Menschen, der uns in den slawischen Sprachen Namen eingebracht hat, die mit dem Wort für "stumm" verwandt sind (serbisch: nemac = Deutscher, nemak = der Stumme). Es ist die Stille des Angsthasen. Genauer gesagt, des eingeschüchterten, duckmäuserischen  Deppen.

Auch Deutschland wird sich bald in manchen Städten in einem Maß aus der Legalität verabschieden, den sich im Moment nur eine Handvoll Menschen in diesem Land vorstellen können. Und auch dann wird niemand Frau Reschke das Nasenbein brechen. So hemmungslos sind wir nicht. Die Schwelle, jenseits derer in Deutschland Exzesse stattfinden, ist hoch! Dafür sind die Exzesse dann umso schlimmer. Aber auch dieses Ausarten der Exzesse ist diesmal nicht zu befürchten: ein Land von Greisen kann noch so viel Frustrationen anstauen, es wird sie nicht mehr exzessiv abreagieren, weder in kleinen, relativ unblutigen, erträglichen, täglichen Explosionen wie in Italien, wo dies die ethnischen Mehrheitsverhältnisse noch gestatten, noch im Großen, d.h. in einem Bürgerkrieg der ethnischen Reziprok-Säuberungen. Es wird lediglich mehr Herzinfarkte, mehr Altersdepressive und anderes Siechtum geben. Und natürlich ethnische Auslichtung (durch Erschlagung von Rentnern und Schwängerung von Joggerinnen). Und immer mehr Menschen, die sich nicht mit Deutschland verbunden fühlen. Diese Verbundenheit ist seit Jahrzehnten ja sowieso selbst bei DOCG-Deutschen so wenig selbstverständlich, dass kaum noch jemand in der Lage ist, sie überhaupt zu artikulieren.

In anderen Ländern ist allein der Gedanke, sich nicht mit dem eigenen Volk verbunden zu fühlen eine Zumutung. Und erst recht der Gedanke, das Gefühl der Verbundenheit mit dem eigenen Land gegenüber linken Inquisitoren begründen zu müssen. Werden wir je wieder ein normales Land werden?

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