Berlusconis Liste, zu der neben seiner Partei Forza Italia auch
Matteo Salvinis Lega Nord, Giorgia Melonis Fratelli d’Italia – Alleanza
Nazionale (Brüder Italiens – Nationale Allianz) und einige konservative
Splitterparteien gehören, erreichte bei den Wahlen auf Sizilien knapp
40 Prozent.
Auf fast 35 Prozent kam die euroskeptische
Fünf-Sterne-Bewegung, die bereits den Bürgermeister von Rom stellt und
Italiens Austritt aus der Währungsunion fordert. Sie landete damit weit
vor den Sozialdemokraten des ehemaligen Regierungschefs Matteo Renzi.
Die in Rom regierende Partei errang auf Sizilien gerade einmal
18,6 Prozent der Stimmen. Dem Mitte-Links-Lager hat nicht nur eine
schwache Bilanz der Regionalpolitik geschadet, sondern auch die
Zersplitterung.
Die geringe Wahlbeteiligung wirft ein deutliches
Licht auf die Stimmung. Nicht einmal jeder zweite Stimmberechtigte
raffte sich zur Stimmabgabe auf. „Die Gräben zwischen den Demokraten und
Linksdemokraten sind mittlerweile so tief wie nie und die Gefahr, bei
den anstehenden Parlamentswahlen irrelevant zu werden, mehr als
wahrscheinlich“, schrieb „La Repubblica“ nach den Wahlen.
Was Renzi
bisher nicht gelungen ist, scheint Berlusconi zu schaffen. An seiner
Seite tummeln sich Parteien, die sich vor wenigen Jahren noch
spinnefeind waren. Ins Blickfeld der Öffentlichkeit ist im Zuge der
Wahlen neben Berlusconi auch Matteo Salvini geraten, der vor einigen
Monaten gemeinsam mit Marine Le Pen und der damaligen AfD-Chefin Frauke
Petry auf einem Kongress in Koblenz auftrat. Der 43-jährige Journalist
steht an der Spitze der Lega Nord. Seit er die Führung übernommen hat,
hat er die Partei von einer separatistischen Regionalpartei hin zu einer
modernen Rechtspartei gewandelt. Bisher hatte sich die Lega Nord
ausschließlich auf ein föderales Norditalien konzentriert. Bei den
Parlamentswahlen im Frühjahr wird Salvini nun mit seiner Partei in ganz
Italien antreten. Als „Lega“ will man in diese Wahlen gehen und das
„Nord“ aus dem bisherigen Parteinamen streichen. „Wir bleiben eine
föderalistische Partei, die vernünftige Lösungen zur Bewältigung der
Krise vorschlägt, wollen jetzt aber auch im Süden Fuß fassen“, erklärte
Salvini. Der neue italienische Politstar stößt in die Lücke, welche die
Auflösung der Alleanza Nationale, der Nachfolgepartei des
neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI, Italienische
Sozialbewegung), hinterlassen hat.
Die „Brüder Italiens“ sind ein
Produkt der unzähligen Spaltungen der italienischen Rechten. Mit rund
vier Prozent der Wählerstimmen sind sie überregional unbedeutend. Doch
das italienische Wahlsystem ist komplex. Um eigene Mehrheiten zu
erreichen, ist das Eingehen von Listenverbindungen fast unausweichlich,
zumindest für die klassischen politischen Lager. Für den Einzug ins
Parlament gilt eine Drei-Prozent-Hürde, Listenverbindungen müssen
mindestens zehn Prozent der Stimmen für den Einzug erreichen. Vor der
Wahl verbündete Parteien sind nicht zum Zusammenhalt nach der Wahl
verpflichtet. Kleinparteien werden für die Mehrheitsfindung auch künftig
benötigt, haben daher eine große Macht.
Beppe Grillos
Fünf-Sterne-Bewegung spricht als Protestbewegung eher Wählerschichten
an, die sich von keiner der Altparteien mehr vertreten fühlen.
Koalitionspartner gibt es derzeit keine. Sollte die unberechenbare
Bewegung tatsächlich an die Macht kommen, könnten Italiens Tage
innerhalb der Euro-Zone gezählt sein.
Und plötzlich erscheint
Altmeister Berlusconi wieder als echte Option. Dabei galt er bereits als
erledigt. Zum vierten Mal Ministerpräsident, kippte im Sommer 2011
seine Regierung. Zurück blieb ein Italien in finanziell höchst prekärer
Lage. Zwei Jahre später wurde er dann wegen Steuerbetrugs zum ersten Mal
rechtskräftig verurteilt. Der Haftstrafe entging er, leistete
stattdessen Sozialdienst in einer Senioreneinrichtung.
„Sizilien
hat, wie ich es forderte, den Weg der Veränderung gewählt“ und er
verspreche „einen wahrhaftigen, ernsthaften, konstruktiven, auf
Ehrlichkeit, Kompetenz und Erfahrung basierenden Wandel“, kommentierte
Berlusconi den ersten Triumph seines neuen Rechtsbündnisses. Der
künftige Regionalausschusspräsident Musumeci hat seine politischen
Anfänge übrigens beim MSI gehabt. Ein deutlicheres Signal gibt es kaum.
Politische Kommentatoren nehmen das Bündnis ernst. Salvini könnte im
Windschatten Berlusconis zu einer landesweit bedeutenden Figur werden,
gar ein Ministeramt übernehmen.
Ein Problem gibt es allerdings für
Berlusconi. Aufgrund seiner Verurteilung darf der „Cavaliere“ bis
November 2019 kein Staatsamt übernehmen. Er hofft jedoch, dass der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Verbot aufhebt, wenn es
den Fall in den kommenden Wochen neu verhandelt. Rund 40 Prozent in den
Umfragen erreicht Berlusconis Bündnis derzeit. Der Medienzar gibt sich
neuerdings als glühender Europäer und großer Staatsmann. Er sei der
einzige Garant gegen den von der Fünf-Sterne-Bewegung propagierten
Euro-Austritt. Die Frage, was seine rechten Partner wie Salvini dazu
sagen, beantwortet Berlusconi väterlich: „Es sind junge Leute, die auf
einen alten Hasen wie mich hören werden.“ Peter Entinger
Da der Europäische Gerichtshof bereits beschlossen hat, dass Berlusconi selbst nicht kandidieren kann, will dieser Leonardo Gallitelli, einen General der Carabinieri, dazu bewegen, stellvertretend für ihn die Partei zu vertreten und die Wahlen so dennoch zu gewinnen.
Berlusconi ist eine Mumie und doch ist er vital, fast völlig ungebrochen. Auch der junge Renzi ist sehr dynamisch, aber es wird eng für ihn. Der kommunistischere Teil seiner Partei hat Renzis realpolitischen Kurs von Anfang an ungern mitgemacht, und seit Renzis institutionelles Modernisierungsvorhaben am plebiszitären Widerstand scheiterte, schwillt den Kommunisten wider der Kamm. Die 5 Sterne Bewegung ist sehr lebendig, aber es wird immer deutlicher, dass ihre Repräsentanten zu schlecht vernetzt und zu unerfahren sind und ihre einzige Stärke aus der Schwäche Berlusconis und Renzis besteht.
Entprechend schwankend und labil artikuliert sich der Wählerwille: hin und her gerissen von Hoffnungen und Befürchtungen, Zutrauen und Misstrauen..
Die Unvorhersehbarkeit hat Italien genauso stark im Griff wie im Moment Deutschland. Italien steuert außerdem wieder einmal auf die Unregierbarkeit zu. Genau wie zur Zeit Deutschland. Mit dem Unterschied, dass Italien seit Jahrzehnten daran gewöhnt ist, ohne Regierung zurecht zu kommen, während Deutschland gerade die Erfahrung macht, wie es ist, wenn man 1. durch die eigenen Fehlentscheidungen Italien immer ähnlicher wird und 2. dabei ganz Europa blindlings in Italiens Fahrwasser mit hineinzieht. Berlusconi lacht sich ins Fäustchen.
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