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Montag, 27. November 2017

Berlusconi lacht sich ins Fäustchen

Berlusconis Liste, zu der neben seiner Partei Forza Italia auch Matteo Salvinis Lega Nord, Giorgia Melonis Fratelli d’Italia – Alleanza Nazionale (Brüder Italiens – Nationale Allianz) und einige konservative Splitterparteien gehören, erreichte bei den Wahlen auf Sizilien knapp 40 Prozent.

Auf fast 35 Prozent kam die euroskeptische Fünf-Sterne-Bewegung, die bereits den Bürgermeister von Rom stellt und Italiens Austritt aus der Währungsunion fordert.  Sie landete damit weit vor den Sozialdemokraten des ehemaligen Regierungschefs Matteo Renzi. Die in Rom regierende Partei errang auf Sizilien gerade einmal 18,6 Prozent der Stimmen. Dem Mitte-Links-Lager hat nicht nur eine schwache Bilanz der Regionalpolitik geschadet, sondern auch die Zersplitterung.

Die geringe Wahlbeteiligung wirft ein deutliches Licht auf die Stimmung. Nicht einmal jeder zweite Stimmberechtigte raffte sich zur Stimmabgabe auf. „Die Gräben zwischen den Demokraten und Linksdemokraten sind mittlerweile so tief wie nie und die Gefahr, bei den anstehenden Parlamentswahlen irrelevant zu werden, mehr als wahrscheinlich“, schrieb „La Repubblica“ nach den Wahlen.
Was Renzi bisher nicht gelungen ist, scheint Berlusconi zu schaffen. An seiner Seite tummeln sich Parteien, die sich vor wenigen Jahren noch spinnefeind waren. Ins Blick­feld der Öffentlichkeit ist im Zuge der Wahlen neben Berlusconi auch Matteo Salvini geraten, der vor einigen Monaten gemeinsam mit Marine Le Pen und der damaligen AfD-Chefin Frauke Petry auf einem Kongress in Koblenz auftrat. Der 43-jährige Journalist steht an der Spitze der Lega Nord. Seit er die Führung übernommen hat, hat er die Partei von einer separatistischen Regionalpartei hin zu einer modernen Rechtspartei gewandelt. Bisher hatte sich die Lega Nord ausschließlich auf ein föderales Norditalien konzentriert. Bei den Parlamentswahlen im Frühjahr wird Salvini nun mit seiner Partei in ganz Italien antreten. Als „Lega“ will man in diese Wahlen gehen und das „Nord“ aus dem bisherigen Parteinamen streichen. „Wir bleiben eine föderalistische Partei, die vernünftige Lösungen zur Bewältigung der Krise vorschlägt, wollen jetzt aber auch im Süden Fuß fassen“, erklärte Salvini. Der neue italienische Politstar stößt in die Lücke, welche die Auflösung der Alleanza Nationale, der Nachfolgepartei des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI, Italienische Sozialbewegung), hinterlassen hat.
Die „Brüder Italiens“ sind ein Produkt der unzähligen Spaltungen der italienischen Rechten. Mit rund vier Prozent der Wählerstimmen sind sie überregional unbedeutend. Doch das italienische Wahlsystem ist komplex. Um eigene Mehrheiten zu erreichen, ist das Eingehen von Listenverbindungen fast unausweichlich, zumindest für die klassischen politischen Lager. Für den Einzug ins Parlament gilt eine Drei-Prozent-Hürde, Listenverbindungen müssen mindestens zehn Prozent der Stimmen für den Einzug erreichen. Vor der Wahl verbündete Parteien sind nicht zum Zusammenhalt nach der Wahl verpflichtet. Kleinparteien werden für die Mehrheitsfindung auch künftig benötigt, haben daher eine große Macht.
Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung spricht als Protestbewegung eher Wählerschichten an, die sich von keiner der Altparteien mehr vertreten fühlen. Koalitionspartner gibt es derzeit keine. Sollte die unberechenbare Bewegung tatsächlich an die Macht kommen, könnten Italiens Tage innerhalb der Euro-Zone gezählt sein.

Und plötzlich erscheint Altmeister Berlusconi wieder als echte Option. Dabei galt er bereits als erledigt. Zum vierten Mal Ministerpräsident, kippte im Sommer 2011 seine Regierung. Zurück blieb ein Italien in finanziell höchst prekärer Lage. Zwei Jahre später wurde er dann wegen Steuerbetrugs zum ersten Mal rechtskräftig verurteilt. Der Haftstrafe entging er, leistete stattdessen Sozialdienst in einer Senioreneinrichtung.
„Sizilien hat, wie ich es forderte, den Weg der Veränderung gewählt“ und er verspreche „einen wahrhaftigen, ernsthaften, konstruktiven, auf Ehrlichkeit, Kompetenz und Erfahrung basierenden Wandel“, kommentierte Berlus­coni den ersten Triumph seines neuen Rechtsbündnisses. Der künftige Regionalausschuss­präsident Musumeci hat seine politischen Anfänge übrigens beim MSI gehabt. Ein deutlicheres Signal gibt es kaum. Politische Kommentatoren nehmen das Bündnis ernst. Salvini könnte im Windschatten Berlusconis zu einer landesweit bedeutenden Figur werden, gar ein Ministeramt übernehmen. 

Ein Problem gibt es allerdings für Berlusconi. Aufgrund seiner Verurteilung darf der „Cavaliere“ bis November 2019 kein Staatsamt übernehmen. Er hofft jedoch, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Verbot aufhebt, wenn es den Fall in den kommenden Wochen neu verhandelt. Rund 40 Prozent in den Umfragen erreicht Berlusconis Bündnis derzeit. Der Medienzar gibt sich neuerdings als glühender Europäer und großer Staatsmann. Er sei der einzige Garant gegen den von der Fünf-Sterne-Bewegung propagierten Euro-Austritt. Die Frage, was seine rechten Partner wie Salvini dazu sagen, beantwortet Berlusconi väterlich: „Es sind junge Leute, die auf einen alten Hasen wie mich hören werden.“    Peter Entinger

Da der Europäische Gerichtshof bereits beschlossen hat, dass Berlusconi selbst nicht kandidieren kann, will dieser Leonardo Gallitelli, einen General der Carabinieri, dazu bewegen, stellvertretend für ihn die Partei zu vertreten und die Wahlen so dennoch zu gewinnen.

Berlusconi ist eine Mumie und doch ist er vital, fast völlig ungebrochen. Auch der junge Renzi ist sehr dynamisch, aber es wird eng für  ihn. Der kommunistischere Teil seiner Partei hat Renzis realpolitischen Kurs von Anfang an ungern mitgemacht, und seit Renzis institutionelles Modernisierungsvorhaben am plebiszitären Widerstand scheiterte, schwillt den Kommunisten wider der Kamm. Die 5 Sterne Bewegung ist sehr lebendig, aber es wird immer deutlicher, dass ihre Repräsentanten zu schlecht vernetzt und zu unerfahren sind und ihre einzige Stärke aus der Schwäche Berlusconis und Renzis besteht.

Entprechend schwankend und labil artikuliert sich der Wählerwille: hin und her gerissen von Hoffnungen und Befürchtungen, Zutrauen und Misstrauen..

Die Unvorhersehbarkeit hat Italien genauso stark im Griff wie im Moment Deutschland. Italien steuert außerdem wieder einmal auf die Unregierbarkeit zu. Genau wie zur Zeit Deutschland. Mit dem Unterschied, dass Italien seit Jahrzehnten daran gewöhnt ist, ohne Regierung zurecht zu kommen, während Deutschland gerade die Erfahrung macht, wie es ist, wenn man 1. durch die eigenen Fehlentscheidungen Italien immer ähnlicher wird und 2. dabei ganz Europa blindlings in Italiens Fahrwasser mit hineinzieht. Berlusconi lacht sich ins Fäustchen.

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