Stationen

Mittwoch, 22. November 2017

Lächerlich aus Überzeugung

Als vor 5 Jahren Friedrich der Große gefeiert wurde, zeigte sich bereits, dass wir Deutschen offenbar nicht mehr in der Lage sind, auf irgendeine bekannte bedeutende Persönlichkeit unserer Geschichte zurückzublicken, ohne uns lächerlich zu machen. Bei dem Alten Fritz überraschte es nicht, weil er seit 1945 als anrüchig gilt und seit 1968 systematisch an vermutlich ausnahmslos allen Gymnasien unseres Landes durch den Dreck gezogen wird. Man hörte Monate lang fast nur Dummheiten über ihn. Langweilige, sogenannte "kritische Untersuchungen", die aus engstirnigen Meckereien bestanden, reihten sich an noch langweiligere Lobeshymnen, die auf einmal trotz der jahrzehntelangen Schmähungen wieder erwünscht waren. Man schlüpfte für ein paar gähnende Monate in die Schlappen unserer hohenzollerntreuen Urgroßväter, aber man wagte nicht, Friedrichs Schriften zu lesen und nach zeitlosen Einsichten abzusuchen.

Was ich aber nicht erwartet hatte, war, dass auch unser beliebtester Volksheld, der Dr. Luther, mit wenigen Ausnahmen (Harald Lesch und Heimo Schwilk) nur noch zum Anlass einer lächerlichen, abgestandenen Selbstbeweihräucherung in Luthers Fahrwasser würde und gleichzeitig die seit langem fast völlig entmannte (aber im Vergleich zur heutigen EKD geradezu lutherische) katholische Kirche zum x-hunderttausendsten Male durch den Dreck gezogen würde.  Welch ein geistiger Bankrott für ein Volk, dass sich seit ein paar Jahren mit annewillscher Selbstgefälligkeit als Kulturvolk fühlt, bloß weil die Lehman Brothers' Crisis noch nicht in Deutschland angekommen ist. Der heute in Deutschland vorherrschende politfeuilletonistische Stumpfsinn ist nicht mehr zu überbieten. Es ist der Stumpfsinn meiner unseligen Generation: einer Generation ohne die geringste kulturgeschichtliche Identität (abgesehen von ein paar Tüftlern, die keine Bomben bauten und ein paar berühmten Juden, mit denen man sich heute ebenso unkritisch schmückt, wie sie einst unkritisch geschmäht wurden), dafür aber besessen von halt- und heillosen Zukunftsvisionen.


In seiner „Orthodoxie“ schreibt Chesterton über den Glauben und die Reformation und die sehr aktuelle „Willkommenskultur“ folgende prophetische Zeilen: „Die moderne Zeit ist nicht böse, in mancher Hinsicht ist sie entschieden zu gut. Sie ist voll wüster und vergeudeter Tugenden. Wenn ein religiöses System zerbricht (wie es mit dem Christentum unter der Reformation geschah), dann führt das nicht nur zu einer Entfesselung der Laster. Kein Zweifel, dass sie entfesselt werden; sie streifen herum und stiften Schaden. Aber auch die Tugenden werden entfesselt und streifen noch haltloser umher und richten noch schrecklicheren Schaden an.“
Und er fährt fort:
„Die heutige Welt steckt voll von alten christlichen Tugenden, die durchgedreht sind. Sie sind durchgedreht, weil sie auseinandergerissen wurden und allein umherstreifen. So kümmert sich die Wissenschaft um die Wahrheit, und ihre Wahrheit ist erbarmungslos. Und so interessiert sich die Philanthropie nur fürs Erbarmen, und ihrem Erbarmen (so leid mir es tut, das sagen zu müssen) fehlt oft die Wahrheit.“

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