Nordwestlich von Aub, nordöstlich von Baldersheim, circa 1 Km nördlich des einstigen Bahnhofs lag die alte Zollstation, das "Zollhaus Kauberstadt" an einer alten nach Gelchsheim führenden Straße, die am Ziegenbuck (heute Heerstraße genannt) begann.
Wegen ihrer einsamen, gefährdeten Position wurde diese Zollstation um 1400 nach Aub verlegt (gerade eben, nämlich 1399, hatte Aub ein eigenes Cent- und Halsgericht erhalten). Sie blieb zwar außerhalb der Mauern, die damals entstanden, war nun aber wenigstens in unmittelbarer Nähe des wehrhaft gewordenen Städtchens, das mit Konrad von Weinsberg, dem "Finanzminister" des Kaisers, unter einer besonders angesehenen Teilherrschaft stand. Dieses neue Zollhaus war nicht dasselbe Gebäude, in dem sich heute das Eisen- und Haushaltswarengeschäft Miltenberger befindet. Denn während des "Markgräflerkriegs" Mitte des 16. Jahrhunderts zwischen Ansbach und Würzburg wurde es von den Würzburger Truppen erwartungsgemäß abgebrochen. Das jetzt dort stehende schöne Fachhaus ist identisch mit dem größeren Zollhaus, das die Ansbacher 1670 (also über 100 Jahre nach der Zerstörung durch die Würzburger) an derselben Stelle wieder aufbauten und das heute noch ein preußisches Wappen trägt, an dem ersichtlich ist, dass Ansbach den Hohenzollern gehörte.
Diese Zollstation hat Aub jedenfalls arg geplagt, nachdem Ansbach 1528 evangelisch wurde. Denn es war ja keine Auber Zollstation (aber auch Aub erhob ab dem 16. Jahrhundert einen "Pflasterzoll", der sogar bis in die 20-er Jahre des 20. Jahrhunderts noch gezahlt werden musste!), sondern eine Ansbacher Zollstation. Offenbar lag sie am Würzburger Tor, um den Handel nach Würzburg durch Gebühren zu belästigen. Jedenfalls liegt dieser Gedanke nah, da es ab 1670 auch eine Zollstation am Rothenburger (bzw. Ansbacher) Tor unter dem Ulrichsturm gab, an der die Gelchsheimer Zollgebühren für das Hochstift Würzburg erhoben, z.B. auf den Tauberwein (und damals wohl auch noch den Auber Wein), der bis nach Augsburg durch dieses Tor ausgeführt wurde.
Das arme Aub war seit 1398 zweigeteilt. Denn nachdem die Hohenlohe-Braunecks 1390 ausgestorben waren, die in Aub als Schutzvögte der Benediktinerprobstei die Herrschaft innegehabt hatten, fielen Aub und die Reichelsburg (und andere Orte zwischen Ochsenfurt und Röttingen) als Lehen an Konrad von Weinsberg, der 1396/97 Anna geborene von Hohenlohe-Weikersheim, die Witwe des letzten Grafen von Hohenlohe-Brauneck geheiratet hatte. 1398 aber übertrug er die Hälfte Aubs, die südlich von Etzelstaße, Marktplatz und Hauptstraße liegt (die Entscheidung zwischen Nord- und Südhälfte erfolgte per Los), an den Truchsess von Baldersheim (der bei den Hohenlohern - die ihrerseits mal ansbachische, mal würzburgische Lehnsleute gewesen waren - das Truchsessamt ausgeübt hatte und jetzt wohl eine eigene Herrschaft anstrebte), weshalb das heutige Auber Schloss (die damalige Veste in Awe, vormals ebenfalls ein Sitz der Hohenloher, erstmals erwähnt von Gerlach, der immerhin mit einer Tochter von Ludwig IV. dem Bayern verheiratet war) nun zum Sitz des Truchsess von Baldersheim wurde. Die Folgen dieser Aufteilung sind ein Kapitel für sich: später wurde der Besitz der Truchsesse nämlich nochmal halbiert, wodurch eine Dreiteilung und schließlich das Rosenberger Viertel zwischen Schloss und Spital entstand, das als Lehen von einem Lehnsherrn zum anderen (kurzzeitig auch Zobel Giebelstadt) wechselte, bevor es an die Waldmannshöfer Rosenbergs kam. In diesem sich nach Nordwesten ans Truchsessviertel (Ulrichsturm, Johannes Böhm Straße&obere Marktzeile, Veste) anschließenden Viertel hatten sich schon zur Zeit der Hohenloher unterhalb des Schlosses die Schutzjuden angesiedelt und zwischen Judengasse und Neuertgasse (vorher "Untere Judengasse") befanden sich die Häuser der jüdischen Gemeinde; und der spätere Gasthof zum Löwen der Familie Goller war Jahrhunderte zuvor das rosenbergsche Freihaus, in dem ab 1682 der Deutschherrenorden Asyl gewährte. Ein erstaunliches Durcheinander von Parallelgesellschaften: das Hochstift Würzburg hatte tatsächlich ebenfalls eine Freistätte in Aub: das Schloss und noch zwei andere Häuser (man möchte fast sagen, Asyl hat in Aub eine lange Tradition). Soviel Souveränitätsgerangel auf so kleinem Raum! Wenn man auf dem Marktplatz die Seiten wechselte, gelangte man von einem Hoheitsgebiet in ein anderes. Dieser Kuddelmuddel endete erst 1636, als die Rosenberger ausstarben und ganz Aub würzburgisch wurde, was aber auch nur 12 Jahre dauerte. Nach dem Westfälischen Frieden wurde das Rosenbergische Viertel zum kurpfälzischen bzw. heidelbergischen und 20 Jahre später zum deutschordischen, auf das Mergentheim (über Gelchsheim) eine Hand drauf hielt: ab da bestand der Auber Stadtrat aus 9 würzburgischen Mitgliedern und 3 deutschherrischen, was offenbar bis in die Zeit Napoleons so blieb (Kleinstaaterei auf ääberisch).
Ab 1528 kam also zur Zwei- und mittlerweile Dreiteilung Aubs noch hinzu, dass man sich an einem Ort befand, wo das evangelische und das katholische Hoheitsgebiet aufeinanderstießen. Der Zöllner (um einen von Luther genau in dieser Zeit niedergeschriebenen Begriff zu gebrauchen, obwohl der Ansbacher damals als "Geleitsmann" bezeichnet wurde) des Ansbacher Markgrafen übte in Aub polizeiliche Gewalt aus, belegte die Einheimischen mit ständig neuen Zöllen - denn er selber, je mehr Gebühren er eintrieb, desto mehr verdiente er - und machte ihnen auch noch Konkurrenz, indem er mit Salz handelte und dort unten an der Gollachbrücke in günstiger Position Bier und Wein ausschenkte, wo jetzt Hämmer und Scheren verkauft werden. Man könnte meinen, die Hohenzollern, die in Ansbach die Herrschaft hatten, trügen ihren Namen dank der Zölle, mit denen Aub geplagt wurde, aber er rührt wohl vom Namen eines Berges (Zolra, Zolre auch Zolrun).
Der 1490 in Ansbach geborene Albrecht von Preußen war es übrigens, der das katholische Ostpreußen säkularisierte und seinem Cousin Joachim II. von Brandenburg vermachte: ein erster polnischer Korridor entstand. Dieser Albrecht, der ganz am Anfang der Entstehung Preußens stand, schrieb 1554 (also während des Aub so übel mitspielenden "Markgräflerkriegs") ein Lied, das heute noch im Bayerisch-Thüringischen Gesangbuch der evangelischen Kirche steht: "Was mein Gott will, gescheh' allzeit" (Nr. 364).
Seit der Zeit des Großen Kurfürsten gehörte Aub dem Deutschorden (also Mergentheim). Die Hohenzollern waren inzwischen Calvinisten!! Der gesamte Hof und das preußische Beamtentum mussten dem Folge leisten. Es ist mir unverständlich, dass Joachim Fernau in seinem Buch über Preußen kein Sterbenswörtchen über die Tatsache verliert, dass das lutherische Preußen seit Johann Sigismund eine calvinistische Elite hatte, die es ihren Untertanen gestattete, beim lutherischen Glaubensbekenntnis zu bleiben, was eine sensationelle Ausnahme zum Prinzip Cuius regio, eius religio darstellt und zu polemischen Konflikten zwischen den Kanzeln Preußens führte. Erst durch das vom Großen Kurfürst erlassene Toleranzedikt hatten diese Reibereien ein Ende! Die preußische Toleranz begann also mit dem laissez faire Johann Sigismunds und wurde offiziell gefestigt durch ein (intolerantes) Machtwort, das einem opportunistischen Konfessionsübertritt des preußischen Hofes das Primat frommer Nüchternheit gegenüber Kirche und Theologie einräumte. Einer der Pfarrer, die sich weigerten, dieses Edikt zu unterschreiben, und der dadurch sein Kirchenamt verlor, war der lutherische Kirchendichter Paul Gerhardt!! Die Zeit, in der Aub dem Deutschorden gehörte, dauerte an bis zu Napoleon. Es war die Zeit der deutschen Kleinstaaterei. In diese Zeit fiel auch Tiepolos Tätigkeit in der Würzburger Residenz. Gleichzeitig war in Ansbach eine Schwester Friedrichs des Großen mit dem "Wilden Markgrafen" verheiratet.
Die Behauptung, die Reichelsburg sei eine Zollstation gewesen, die imaginären auf dem an ihr vorbeiführenden Waldweg reisenden Händlern Zoll abverlangte, ist völliger Quatsch, denn der Weg, der an ihr vorbei durch den Wald nach Aub führte, war nie besonders befahren (eine Zollstation im Burgweg wäre genauso unnütz gewesen wie an der Reichelsburg) bzw. es war sogar verboten, auf anderen Wegen, als denjenigen zu fahren, die durch das Kontrollsystem der das Geleitrecht innehabenden Adelsfamilien vorgeschrieben war. Und die stationierten ihre Geleitreiter natürlich nicht an diesem unbefahrenen, steilen - wenn auch gepflasterten - Waldweg, sondern in Aub, wo der Ziegenbuck oberhalb von Miltenberger und Neckermann dadurch von den Fuhrwerken erklommen wurde, dass der Ansbacher drei zusätzliche Pferde vor das Gespann schirrte, die dann oben angekommen und ausgeschirrt von alleine wieder nach hause in den Stall der Talschenke (Weißer Schwan) trabten. Die Sicherung und Wahrnehmung des Geleitrechts war eine wesentliche Aufgabe der Reichelsburg und von ihrem Bergfried aus konnte man sehen, wenn Händler auf der Waldmannshöfer Straße ankamen, und vor allem konnte man vom Bergfried des Schlosses (der aber wohl später als der Reichelsburgbergfried entstand) aus sehen, wenn Händler auf der Simmershöfer Straße und der Rothenburger Straße ankamen, die einander dort kreuzten, wo heute das Auber Ortsschild steht (es ist also zu vermuten, dass die Hohenloher zunächst einmal von dort die Lage überschauten und dass später der Truchsess auch ein Wörtlein mitzureden beabsichtigte, wenn es ums einträgliche Geleitrecht ging. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Hans II. Truchsess von Baldersheim den Bergfried der Veste in Awe just zu diesem Zweck in der Zeit, in der auch die Stadtmauer gebaut wurde, bauen ließ!! Oder bereits von seinem Vater, der 1404 zusammen mit Konrad von Weinsberg erwirkt hatte, dass Aub sich mit Mauern und Graben umgeben durfte (die Bautätigkeit war 1436 abgeschlossen, und aus dem Jahr 1430 stammt ein Vertrag in dem Methe von Nypperg, die Witwe des Fritz von Baldersheim, also des Bruders von Hans II., einen Turm in Auftrag gibt, der so wie der sein soll "an Johanns Truchsesse schloß zu Awe"). Diese zu observierende Kreuzung war es ja, durch die Aub vom Nord-Süd und Ost-West-Handel profitierte und deretwegen Aub vollmundig mal als europäische Drehscheibe, mal als Knotenpunkt bezeichnet wird, an dem sich die Straße von Venedig nach Lübeck mit der von Paris nach Prag kreuzte: Aub als wäre es Nürnberg... Nicht zu fassen, zu welch peinlichen Eseleien schlampiger Lokalpatriotismus die Menschen verleiten kann. Fest steht jedenfalls, dass Aub dieser zu observierenden Kreuzung neben den oben beschriebenen Scherereien, Verkehr, Handel, Wohlstand, Wegelagerer und die Stadtmauern verdankte. Das war in einer Zeit, in der die Probstei noch bestand, die 1464 aufgelöst wurde, weil die dazugehörige Abtei in Würzburg vom letzten Abt Johann von Allendorf in ein Ritterstift umgewandelt wurde.
Die Reichelsburg betreffend hatte die Erfüllung dieser Geleit-Aufgabe unter Philipp von Weinsberg, dem Älteren noch einmal einen Höhepunkt (als er nach dem Tode seines Vaters Erbkämmerer wurde, überließ er sie aber dem Truchsess Reinhard). Er hatte das Geleitrecht (vom Würzburger Fürstbischof erhalten) für die Strecke von der "Kauberstadt" bis zum "Gericht" (= Galgenberg Richtung Hemmersheim). Wie sich diese Angelegenheit zwischen Weinsbergern und Ansbachern im Einzelnen zeitlich und rechtlich abwechselte, verteilte und regelte, ist mir nicht bekannt.
Besonders im Frühjahr und im Herbst zogen unter den Augen des Türmers der Reichelsburg die großen Geleitzüge der Nürnberger Kaufleute zur Frankfurter Messe. Wenn Händler gesichtet wurden, konnten die Hohenloher ihnen "Geleitreiter" entgegen schicken, die ihnen Zoll für diese Begleitung abknöpften, der Aub zugute kam. 1325 (vier Jahre nach Dantes Tod übrigens und zwei Jahre bevor sich die Dinge abspielen, die sich Umberto Eco in seinem schönen Buch ausgedacht hat) erhielt Aub von Ludwig IV. dem Bayern das Marktrecht, weil Gottfried II. von Hohenlohe-Brauneck und sein Bruder Ludwig Gefolgsmänner von ihm waren (und Gerlach sein Schwiegersohn). 1404 (zu Konrad von Weinsbergs und Hans Truchsess von Baldersheims Zeiten) wurde ein Stadtrecht draus, das ihnen in Heidelberg von Ruprecht von der Pfalz zugestanden wurde (der, anders als so oft, auch schwarz auf weiß, behauptet und nachgeplappert, nicht Kaiser, sondern König war). Trotz dieser gewissenhaften Überwachung der Handelswege wurden zum Beispiel 1512 eine Viertelmeile von Aub entfernt (wahrscheinlich auf der Simmershöfer Straße) 7 vollbeladene Nürnberger Wägen von 15 berittenen Wegelagerern aufgebrochen.
Wenn die Kaufleute versuchten, auf Nebenstrecken den Zoll zu umgehen, dann wurden sie vom Geleitherrn selbst angegriffen. Mit gutem Recht. Und manchmal vielleicht auch mehr schlecht als recht, da es keine Rechtssicherheit geben kann, wenn das reziproke divide et impera derart anarchische Vielfalt hervorbringt, wie in Aub geschehen.
Während des 30-jährigen Kriegs fanden in der Spitalkirche eine Zeit lang evangelische Gottesdienste statt. Vielleicht sahen die Auber in den damaligen Anhängern Luthers so etwas ähnliches wie Sieche und Gebrechliche in dieser besonders schwierigen Zeit. Vielleicht aber brachte das Machtvakuum, das durch das Nebeneinander der vielen einander sogar durchmischenden Verfügungsgewalten entstand, neben den Unsicherheiten auch eine gewisse Laxheit mit sich, die zu wohlwollender Toleranz - wie im Preußen Johann Sigismunds - befähigt (1919 weigerte sich die katholische Kirche zwar, für evangelische Tote die Glocken zu läuten, aber 1926 wurde die evangelische Kirche eingeweiht). Seit den 70-er Jahren scheint laissez faire und ökumenisches Zusammenwirken in Aub ganz gut zu funktionieren, solange die Evangelischen sich nicht einbilden, etwas Besseres als die Katholiken zu sein. Und vielleicht von letzteren sogar anfangen zu lernen, wie man über sich selbst lachen kann.
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