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Mittwoch, 3. Januar 2024

Das kann ja heiter werden

 

Zu Kulenkampffs Zeiten war das ZDF-Ballett gar nicht so schlecht.

Die Hoffnung, dass die ÖRR reformiert werden könnten, habe ich mittlerweile aufgegeben. Die privaten Sender sind noch schlimmer (außer Servus und DF1, dank der Österreicher). Die alternativen Medien sind die einzige Hoffnung. Ich hoffe, GEZ-Gebührenverweigerung wird irgendwann ein Massenphänomen.


 

 


Im gedämpften Licht der Feiertage stahl sich der deutsche Kohleausstieg davon, die Kohlekraftwerke sollen auch über 2031 hinaus weiterbetrieben werden. Die Bundesregierung legte ein Veto gegen sich selbst ein, indem sie die ihr unterstellte Bundesnetzagentur anwies, ihr das Abschalten zu untersagen. Für Besitzer deutscher Elektrofahrzeuge ist das prinzipiell eine gute Nachricht, denn sie fahren je nach Umständen weiterhin mit einem soliden Kohleverbrenner durch die Lande, nutzen also den bevorzugten Energieträger des 19. Jahrhunderts, um das Klima zu retten. Deutschland kehrt so zur Dampflokomotive zurück, allerdings nicht zu deren Pünktlichkeit.

Der Berliner Staatszirkus bietet mittlerweile reihenweise solche Sprünge durch den Feuerreifen, die man je nach Temperament mit Verwunderung, Fatalismus oder Galgenhumor nehmen kann. Besonders gefallen mir aber jene Zeitgenossen, die den herrschenden Verhältnissen mit List und Tücke eine Geschäftsidee abzutrotzen versuchen. 

Mein Held zum Jahresende heißt deshalb Gregory Brudny. Er ist Inhaber der beim Amtsgericht in Charlottenburg eingetragenen „Gregory’s Cars GmbH“ und beschäftigt sich ausweislich von „North Data“ mit „Vertrieb von Kraftfahrzeugen, Helikoptern und Yachten“ sowie deren Reparatur und Vermietung. Gregorys goldene Visitenkarte aus Hartplastik weist laut Die Welt vier Firmensitze in Berlin, Sankt Petersburg, Mailand und Monte Carlo aus. Gregoris Verkaufsräume am Salzufer in Berlin strahlen eine gewisse Noblesse aus und sprechen für ein Publikum, das eher nicht vom Fürsorgestaat lebt. Obwohl: In Neukölln sollen ja durchaus mittellose Lamborghini-Fahrer vorkommen, die den Avantador nur von Oma ausgeliehen haben. Gregory kennt sich offenbar gut aus in der „Mein-Kraftfahrzeug-, Mein Helikopter-, Meine Yacht-Fraktion“ – hier ein fröhliches Foto vom Empfang der italienischen Botschaft zum Nationalfeiertag Italiens – der Mann verkauft schließlich auch Maseratis.

Der russischstämmige Mobilienhändler ist ein wacher Zeitgenosse von praktischem Verstand und machte im fernen China ein Angebot aus, dem er nicht widerstehen konnte. Volkswagen bietet dort (und nur dort) ein adipöses SUV-Elektromonster namens VW ID.6 an, mit 2,3 Tonnen Gesamtgewicht, sieben Sitzen und bis zu 300 PS genau richtig also, um mit sechs Matrosen zum Yachthafen zu gelangen. Erhältlich ist der Metallberg im Reich der Mitte ab etwa 24.000 Euro. 

Gregory folgerte messerscharf, dass dieses Ding in Deutschland selbst für das Doppelte losschlagbar sein müsste, gleichsam als Giveaway für Leute, die gerne mit offener Hose rumlaufen und sich dabei als Klimaretter vorkommen möchten. Ein wirklich guter Gedanke von praktischem Verstand, aber leider musste Gregory feststellen, dass praktischer Verstand in Deutschland schon lange kein „Must have“ mehr ist, sondern ganz im Gegenteil.

Dazu sollte man wissen: In Deutschland verlangt Volkswagen schon für den kleinsten elektrischen VW ID.3 satte 40.000 Euro, der das Ausstattungsniveau eines Alibert-Toilettenschrankes mit der Reichweite einer BMW-Isetta kombiniert und der sich inzwischen auf Halde stapelt wie die Terrakotta-Armee im Mausoleum Qin Shihuangdis. Gregory beschaffte also kurzerhand 22 VW ID.6 und bot sie im Internet Volkwagenhändlern zum Schnäppchenpreis an, was im VW-Hochhaus bedauerlicherweise ankam wie ein russischer Marschflugkörper im Rathaus von Odessa.

Der gute Gregory war drauf und dran, die Statik der Volkswagen-Elektrostrategie zum Einsturz zu bringen, die ja nicht auf praktischem Verstand, sondern auf praktischer Dummheit fußt – sprich politischen Vorgaben – siehe etwa hier. Wenn der Mann mit der goldenen Visitenkarte mit seinem Husarenstückchen durchkommen würde, wäre das hiesige VW-E-Auto-Geschäft nicht nur wie bislang komatös, sondern so tot wie das Ufer des Mittellandkanals in Wolfsburg nachts um halb eins.

Und schlimmer noch: Das gegenüber dem Betriebsrat abgegebene Versprechen, dass in China produzierte Billigvolkswagen niemals in Deutschland einwandern dürften, um die heimische Ware zu verdrängen, wäre gebrochen. Seit die Freudenhausbesuche in Brasilien eingestellt wurden, sind die Arbeitnehmervertreter in Wolfsburg deutlich hartleibiger. Allerdings haben sie nicht mitgekriegt, dass solche Autos – obendrein hochsubventioniert – längst den deutschen E-Markt fluten, sie heißen nur nicht Volkswagen, es steckt aber all das über die Jahre treudoof exportierte Fertigungs- und Entwicklungs-Know-how drin. Sei es, wie es sei: Als Gregory auf dem VW-Radar auftauchte, wurde sofort Fliegeralarm gegeben, und die Anwälte der großen Kanzleien stiegen auf wie eine Rotte amerikanischer F-14, um das Geschäft zu torpedieren.

Und die fuhren ihr ganzes Waffenarsenal auf. Per einstweiliger Verfügung wurde Gregory’s Cars der Verkauf der elektrifizierten Panzer aus dem Hause Volkswagen-China untersagt, mit ebenso wechselnden wie schwachsinnigen Begründungen – aber mit Erfolg. Die einstweilige Verfügung gegen das Geschäft ging vor Gericht durch, das Hauptsacheverfahren steht aber noch aus. VW bemühte das recht komplizierte Markenrecht, mit dem man sich die Gregorys dieser Welt vom Leibe halten will. Der Händler, so schreibt Die Welt, darf das VW-Logo und das Fahrzeug ID.6 insgesamt nicht verkaufen, weil der Konzern ein geschütztes „Geschmacksmuster“ darauf besitzt. 

Das „Geschmacksmuster“ auf das Protzteil scheint Volkswagen aber auch ein wenig peinlich zu sein, jedenfalls wollten sie sich zuhause auf keinen Fall damit sehen lassen. „Mit seinem verlängerten Radstand und dem deutlich größeren Platzangebot im Fond“ entspreche der ID.6 „den spezifischen Anforderungen des chinesischen Marktes“, sagte ein VW-Sprecher. Warum ein ausladender Fond für eher kleinwüchsige Chinesen geeignet sein soll, nicht aber für großwüchsige Teutonen, bleibt dabei das Geheimnis von VW. Kurzum: Die Deutschen sollen dreimal soviel blechen, die Knie anziehen und die Klappe halten. Eine Adaption für den europäischen Markt habe man analysiert und verworfen: „Der Aufwand für Anpassung und Umrüstung für den europäischen Markt und das erwartete Volumen ließen kein funktionierendes Geschäftsmodell für den ID.6 erwarten.“ Ließ es eben doch, sonst müssten die Wolfsburger den guten Gregory jetzt ja nicht zu Tode prozessieren. Merke: Es zählt nicht, was die Kunden wünschen, sondern was Volkswagen an sie zu verteilen gedenkt.

Hilfsweise macht VW noch sein eigenes Auto schlecht (oder sind die einfach nur ehrlich?). Man schickte jedenfalls hinterher, dass es sich beim ID.6 gar nicht um ein Auto nach hier gewohnten Maßstäben handele, sondern eine eher unausgereifte Schüssel, vor der man die Menschen bewahren müsste. Man wolle die Kunden vor möglichen finanziellen Nachteilen schützen, ließ man wissen, und wolle „Handels- und Servicepartner davor bewahren, sich auf juristisch problematisches Terrain zu begeben“. Die für China produzierten ID-Modelle seien „aufgrund ihrer Hard- und Softwarekonfiguration im europäischen Raum nicht zulassungsfähig“. Die Unterschiede beträfen etwa das Hochvolt-Batteriesystem, es fehlten auch in der EU vorgeschriebene Funktionen wie das automatische Notrufsystem.

Was sich aber offensichtlich nicht bei den deutschen Zulassungsstellen herumgesprochen hat: Brudny hat die Fahrzeuge umrüsten lassen; für die Zulassung hat er ein TÜV-Gutachten vorgelegt, der Fahrzeugbrief trägt Unterschrift und Siegel der Zulassungsstelle in Berlin. 

„Was glauben Gregory?“, muss daraufhin jemand im 13. Stock in Wolfsburg ausgerufen haben. VW besteht jetzt jedenfalls darauf, dass die 22 ID.6 vernichtet werden. Gregory verrät in diesem Zusammenhang noch ein paar interessante Zahlen: Allein für die Aufbewahrung des gestrandeten Chinaporzellans seien 8.000 Euro im Monat fällig, die Entsorgung würde 15.000 Euro kosten – pro Stück. Er liefert damit eine interessante Kalkulationsgrundlage für jeden, der mit dem Kauf eines gebrauchten E-Fahrzeuges liebäugelt. Sollte das gute Stück noch fünfzehntausend Euro kosten, ziehen sie die Entsorgungskosten ab und lassen es sich schenken.

Doch ein Unglück kommt selten allein, und so gesellt sich zu dem widerspenstigen Gregory auch noch ein selbstgeschaffener Rohrkrepierer der Wolfsburger. Der große Nimmersatt hat seine Händler nämlich vor einiger Zeit zu Agenten degradiert, weil man die Gewinne im Endkundengeschäft möglichst umfangreich auf das eigene Konto lenken wollte. Der einst selbstständige Händler erhält nur noch eine Agenten-Provision, das Geschäft wird direkt zwischen VW und dem Käufer abgewickelt. 

Auch sogenannte Leasingrückläufer landen seitdem nicht mehr auf dem Hof des Händlers, sondern direkt in den Büchern von VW. Und das ist beim Elektroramsch a la ID.3 jetzt der Kaugummi an der Schuhsohle: Die unverkäuflichen Dinger wurden en gros an Flottenbetreiber und Firmen in den Leasingmarkt verschoben, jetzt tauchen sie allmählich wieder auf wie das Ungeheuer von Loch Ness. Sie stehen mit gepimpten Restwerten von der Nachhaltigkeit eines Luftballons in der Bilanz und werden früher oder später auch so zusammenfallen. Die VW-Händler schlagen jedenfalls drei Kreuze, dass dieser Kelch an ihnen vorübergegangen ist.

Auf Gregory Brudny wartet indes schon der VW ID.7, dessen Vorverkauf am 15. Dezember in China gestartet wurde. In Deutschland soll er ab rund 60.000 Euro zu haben sein, in China ab 30.000. Doch die Chinesen wollen nicht einmal für die Hälfte anbeißen: Eine erste Trendanalyse ergab für die ersten drei Verkaufstage für ganz China gerade mal 300 Bestellungen. Einfach gesagt: Das Interesse liegt aktuell bei null. Deshalb sollte Gregory Brudny sein Geschäftsmodell vielleicht überarbeiten und sich auf die kostengünstige Vernichtung von nagelneuen Elektroautos spezialisieren; ich vermute, da gibt es demnächst einen Riesenmarkt.

Ich wünsche Gregory Brudny und den Achse-Lesern einen unfallfreien Rutsch ins Jahr 2024!     Maxeiner

Pfui Deibel. 

 

DDR = der-doofe-Rest

Germania capta ferum victorem cepit

BRD = BeklopptenReichDeutschland

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