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Sonntag, 7. Januar 2024

Ingeborg Bachmanns Elend

 

Cammina, cammina mit "geh, geh" zu übersetzen, ist der Gipfel blöder Stümperei. Die Bedeutung dieser stehenden Redensart ist "allmählich, mit der Zeit, Schritt für Schritt". Wenn Bachmann die Erfahrung der Alltagssprache fehlte (obwohl sie in Rom lebte! aber die Italiener waren ihr wohl zu lebendig, um sie zu frequentieren; vielleicht hatte sie Angst, dass Fellini ihr eine Rolle in einem Film anbieten könnte), hätte sie im Sansoni nachschauen können, denn das ist ein hervorragendes Wörterbuch (einst vertrieb Langenscheidt es in auf Lizenz auch in Deutschland). Aber dafür war sich die kommunistische Dichterfürstin zu gut.

Die Verherrlichung einer (durchaus) begabten Dichterin, so als handele es sich da um eine Weise, eine Art übermenschlicher Göttin, deren Name Ehrfurcht gebietend soll und die als unantastbar gelten soll, begann vor mehr als 50 Jahren. Sogar ein (längst zu Unrecht) angesehener Literaturpreis wurde nach ihr benannt.

Vor 50 Jahren dachte ich wirklich, die Einzelfälle würden Einzelfälle bleiben und dass das BAFöG, eben weil dadurch Bildung den Vielen zugänglich gemacht wurde, dazu führen würde, dass immer mehr Menschen den falschen Zauber durchschauen würden. Von einem meiner BAFöG-Freunde wusste ich damals schon, dass er sich nie ändern würde; ich dachte, es werde ein schrulliger, kommunistischer Spießer aus ihm werden. Aber ich habe mich getäuscht: Er wurde zum BAFöG-Intellektuellen, zu einem linksextremen Literaturkritikprofi, weil der gesamte deutsche Medienbetrieb immer mehr zu einer schrulligen, aber geldgierigen und gewieften Sekte kommunistischer Spießer verkam und das BAFöG zwar Ausbildung, aber weder Bildung noch Kultur, ganz zu schweigen von Tradition, unter die Leute brachte und so ein Umfeld entstehen ließ, in dem die übelsten Feinde der überlieferter Kultur Karriere machen konnten. Welch ein Elend!

Schuld an dieser Misere sind jedoch die Konservativen. Sie versäumten es, Gegennarrative zu entwickeln und zu propagieren, die dem ideologischen Ansturm hätten gewachsen sein können. Das, was jetzt unter größten Mühen endlich entsteht - die Gegenöffentlichkeit von Kontrafunk, Tichys Ein- und Ausblick, Achse des Guten, Kanal Schnellroda etc. - hätte bereits vor 50 Jahren aktiv werden müssen. Ich weiß das so genau, weil ich damals schon in diesem Sinn aktiv war: allein, auf verlorenem Posten studierte ich meine Gegner wie Scipio Hannibal studierte und ich tat es scheinbar vergeblich, denn jeden Tag gewannen die BAFöG-Intellektuellen Terrain. Aber eben nur scheinbar, denn ich habe 50 Jahre Training des Gegendenkens all denen voraus, die jetzt erst wach werden.

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