„Wann wachen wir auf? Wollen wir das deutsche Transportgewerbe wirklich noch?“, schrieb der Chef des Familienunternehmens aus Waiblingen bei Stuttgart in einem offenen Brief an das Branchenportal Eurotransport. „Wenn ich die ca. 80 Prozent ausländischen Kennzeichen auf deutschen Straßen sehe, dann frage ich mich, wofür wir eigentlich ein Mindestlohngesetz haben, eine Kabotage-Regelung und das Fahrpersonalgesetz, wenn so oder so keiner ausreichend und in aller Konsequenz die Einhaltung dieser Vorschriften kontrolliert“, klagt Schaaf.
„Wir haben die Grenzen geöffnet und lassen es zu, daß osteuropäische Transportunternehmen unter anderem aus Polen, Rumänien und Litauen mit extrem niedrigen Fahrerlöhnen das deutsche Transportgewerbe verdrängen und folglich nachhaltig vernichten.“ In anderen westeuropäischen Ländern hätten die dortigen Auftraggeber wenigstens noch „einen gewissen Patriotismus gegenüber ihren Landsleuten“, meinte der Bay-Geschäftsführer. Die Politik lasse es zu, daß das Transportgewerbe demontiert werde: „Aber was haben wir noch in Deutschland? Rohstoffe: Fehlanzeige, Automobilwesen: bald Fehlanzeige. Günstigen eigenen Strom: Fehlanzeige.“
Und als Krönung führe Deutschland ab 2021 als einziges EU-Land dann noch eine CO2-Steuer (Brennstoffemissionshandelsgesetz/BEHG, JF 43/20) ein und schwäche somit zusätzlich heimische Firmen. Mit seinem Appell an „alle Betroffenen und Fuhrmannsleute“ steht Schaaf nicht allein. Ähnliche Kritik üben, wenn auch dosierter, die deutschen Logistikverbände AMÖ, BGL, BIEK, BWVL und DSLV in einem im September verabschiedeten Positionspapier. In ihm werden Bundesregierung und Bundestag aufgefordert, sich für das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) einzusetzen und von einer nationalen CO2-Abgabe abzusehen.
Gehör haben sie alle nicht gefunden. Union und SPD sind damit beschäftigt, den Grünen jeden Wunsch auch ohne Regierungsbeteiligung zu erfüllen. Schaaf bringt es so auf den Punkt: „Wenn ich daran denke, daß unsere Bundeskanzlerin sich 90 Minuten Zeit nimmt für eine Audienz von Greta Thunberg, aber nur zwei Minuten in einem aufgezeichneten Stream für die Wirtschaft, dann stimmt doch was nicht.“ Und die „nachhaltige und intelligente Mobilitätsstrategie“ der EU dürfte weitere Belastungen bringen.
In Österreich zieht die Lkw-Maut an. Künftig sind ab 3,5 Tonnen zwischen 1,4 und zwei Prozent mehr zu bezahlen. In Deutschland wird die Mautbefreiung für Laster mit Gasantrieb wegfallen, da die EU dies moniert. In der Tschechei ist vorgesehen, daß Lkw-Fahrer nicht nur eine Straßennutzungsgebühr entrichten, sondern auch für Lärmbelästigung und Umweltverschmutzung aufkommen müssen. Die Maut wird sich wohl um bis zu 36 Prozent verteuern.
Ebenfalls an der Gebührenschraube dreht Belgien. Nach den aus Sicht des Finanzministeriums „guten Erfahrungen“ in den Regionen Flandern und Brüssel sollen nun auch in Wallonien höhere Tarife gelten. Ab Januar steigen in Deutschland nicht nur Mehrwertsteuer und Mindestlöhne, sondern auch die Benzin- und Dieselpreise: Trotz Corona-Folgen und Brexit soll die Logistik-Branche via BEHG gezwungen werden, ihre Fahrzeugflotten zwecks Weltklimarettung zu „elektrifizieren“.
Zur Beruhigung der Gemüter haben Verkehrs- und Umweltministerium zwar versprochen, daß für Spediteure die Dieselpreiserhöhung mit der für 2023 geplanten neuen Lkw-Maut verrechnet werden soll. Aber sicher ist das nicht. Im BEHG ist nur von einer Prüfung die Rede. Denn grüne Vorfeldorganisation wie der BUND monieren, so werde der CO2-Preis als „Klimaschutzinstrument erneut geschwächt“. Die Transportbranche habe dann kein Interesse mehr daran, „sparsame oder emissionsfreie Fahrzeuge“ einzusetzen, so BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg.
Außer Erdgas seien marktreife Alternativen zum Diesel-Lkw in den nächsten Jahren nicht zu erwarten, prognostiziert Frank Huster, Chef des Logistikverbandes DSLV. Oberleitungs-Lkws gibt es im Versuchsstadium (JF 24/17), doch eine Aufrüstung der 75.000 Autobahn-Kilometer in der EU zu „eHighways“ ist illusorisch.
Das E-Lkw-Projekt Nikola in Arizona könnte sich als „Wirecard“ entpuppen. Tesla bastelt noch immer an seinem Elektro-Truck mit 1.000 Kilometern Reichweite und dem Gewicht eines Diesels. Eigentlich wollte ihn Elon Musk schon 2019 auf den Markt bringen. „Es fehlen heute schlichtweg die Alternativen, um dem zusätzlichen Kostendruck auszuweichen“, so der DSLV-Chef. Paul Leonhard
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